SESSIONS. Esther Donkor. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Esther Donkor
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738095258
Скачать книгу
trällern. Kannste ruhig zugeben.

      Ich meine, im Krankenhaus wirst du auch mit Drogen vollgepumpt, ganz einfach, damit du das irgendwie aushältst. Dieses Rumliegen die ganze Zeit, nichts tun können, weil man zu schwach ist für das Leben.

      Und ich war schwach. Nur fernsehen ging. Aber dann immer die Bomben und die Wirtschaft und die dramatische Musik. Und dann die Paranoia: Was ist, wenn ich nie mehr gesund werde? Was ist, wenn es das jetzt war? So eine Scheiße. Das hältst du nüchtern doch gar nicht aus.

      Und jetzt hocke ich schon wieder hier an einem verdammten Abend mitten in der Woche. Mitten in der Nacht. Ich und der Hase. Der Hase und ich. Und du. Natürlich. Und wenn wir hier schon sitzen, dann lass mich dir -verdammt nochmal - auch ein paar gute Geschichten erzählen: Geschichten von dieser ersten Stufe auf dem Weg zur Erleuchtung, auf der wir beide festkleben. Und dann können wir zum Hasen guten Gewissens auch die Flasche aus dem Kühlschrank holen. Und die Eiswürfel. So ein guter Schluck hat noch keinem kreativen Geist geschadet. Hauptsache du erzählst mir nicht mehr, dass es vorbei ist.

      Trink! Der Kopf ist erst morgen wieder Matsch. Der Antrieb verloren. All die Hoffnungen vergessen.

      WEED UND WEISSWEIN

       Ich hatte eine gewisse Begabung zur Freundschaft, doch Freunde hatte ich nie, entweder sie waren nicht vorhanden, oder das, was ich unter Freundschaft verstand, war ein Irrtum meiner Träume. Ich habe immer einsam gelebt, und je einsamer ich war, desto klarer sah ich. 2

      Sie meinte, in unserem Alter ist das auch gar nicht mehr so üblich, ne neue, coole Freundin kennenzulernen. Aber das mit uns ist safe.

      Sie brachte Blumen mit. Freesien und Schleierkraut heißen die. Und sie hat Kekse gebacken, die so wunderbar high machten, dass wir uns wirklich und wahrhaftig frei fühlten.

      Wir haben eine Menge gemeinsam. Sie schreibt auch in Ideenbücher, seit Jahren schon. Mit potenziellen Kindernamen und Plänen für ihre Hochzeit. Falls sie überhaupt mal heiratet, soll es Feuerspucker geben und eine Band. Das volle Programm. Wenn schon, denn schon. Aber erstmal nen Typen finden und Träume leben. Wie auch immer.

      Sie steckt auch im Zwiespalt fest. Gefangen zwischen Pflicht und Kunst muss sie ihr Leben auf die Reihe kriegen. Geld scheffeln. Rechnungen und Schulden bezahlen. Überleben. Aber dann ist da auch noch die Leidenschaft. Unsere liebe Leidenschaft.

      Wir trinken Weißwein und rauchen Weed, sitzen auf dem Dach in der Sonne, blicken über die Stadt und tauchen tief. Wir reden darüber, dass jeder Mensch, den du triffst, dein Spiegel ist. Reden über Selbstliebe und über die Sache mit der Konzentration. Wir Menschen leben in einer Gesellschaft, die uns ablenkt und das fortwährend. Laut einer Studie befinden wir uns immer nur maximal drei Sekunden im Hier und Jetzt, im Moment. Drei Sekunden. Den Rest sind wir woanders und merkens nicht mal.

      Und wir schweigen, ohne dass es peinlich wird. Rauchen Weed und trinken Wein in der Dämmerung und das Herz schlägt schneller vor lauter Happiness.

      Das mit uns ist safe, sagt sie und lacht.

       Das mit uns ist safe.

      Trinken Wein und rauchen Weed und machen Ausflüge in fremde Städte. Treibenlassen. Und weiterreden. Über die Philosophie. Sein oder Haben? Haben oder Sein? Gespräche über die Liebe und das Besitzenwollen. Wie leicht man das verwechseln kann. Wie schwierig das Loslassen doch ist. Gespräche über Geduld und Langmut und darüber, dass du genau das in dein Leben ziehst, an was du denkst. Wespen, zum Beispiel. Oder Steckenbleiben im Tunnel, Steckenbleiben in der Scheiße, wenn dich die Realität immer tiefer runterzieht.

       Aber das mit uns ist safe?

      Die Flasche ist halb leer und der Kopf fühlt sich dumpf an mit so nem hellknirschenden Fiepen in den Ohren. Reden. Über Probleme. Früher oder später reden Frauen immer über Probleme. Und der Himmel färbt sich milchig. Und der Himmel färbt sich grau.

      Wir stellen uns Fragen, auf die wir die Antwort nicht kennen. Wir stellen Fragen, deren Antworten wir nicht hören wollen.

       Warum gerade ich? Warum gerade du? Wie komme ich hier raus? Wie soll ich das nur schaffen? Warum meldest du dich nicht? Warum hilft mir keiner? Warum tut das alles so verdammt weh? Was denkst du gerade? Wie geht es dir? Warum hast du mich verlassen?

       Und das mit uns?

      Ist safe.

      Vertrau mir.

      ICH BRAUCH MAL BIER

       Stehen drei zusammen.

      Sagt der Erste: Also Geld ist keine schlechte Idee eigentlich.

      Die Zweite nickt: Na klar, das erleichtert den Tausch.

      Der Dritte: Es kommt nur auf die Aufteilung an. Wir leben in einem Turbokapitalismus. Kapitalismus heißt ja nicht direkt unfair sein. Es würde ja auch gemäßigten Kapitalismus geben. Es gibt ne Obergrenze und es wird relativ fair aufgeteilt. Dass du nie alles gleich halten kannst, das ist nun mal so. Weil jeder Mensch ist nicht gleich.

      Der Erste wieder: Das ist ja auch okay. Ich meine, es bringt uns ja auch was, wenn wir Menschen fördern, die viel Leistung bringen. Das bringt ja der Gesellschaft auch was. Deswegen werden manche Menschen halt reich. In den meisten Fällen sind die auch keine Hurensöhne, sondern die haben wirklich was gemacht.

      Der Dritte: Ja, und die leben nach Visionen. Ich glaube nicht, dass so’n Steve Jobs zum Beispiel nur die Kohle wollte.

      Da gibt der Erste ihm Recht und sagt: Nein auf keinen Fall. Das sind die krassesten Leute, die voll ihr Leben verwirklicht haben. Da kommen halt die Hurensöhne dazu, die nur so ne kleine Sache erfunden haben und dann ultraviel Geld von irgendwelchen fetten Firmen bekommen. So wie WhatsApp erfinden. Ist nix Tolles.

      Der Dritte räumt ein: Aber das ist was Revolutionäres gewesen.

      Der Erste ist da anderer Meinung: Naja, das ist eigentlich überhaupt nicht revolutionär.

      Jetzt wagt sich die Zweite auch mal und sagt: Nur wegen dem Netzeffekt. Wenn das genug Leute nutzen, dann macht das auch Sinn.

      Der Dritte wieder: Ich meine, die krassesten Ideen sind immer die einfachsten. Die krassesten Songs sind immer die einfachsten.

      Der Erste holt tief Luft. Dann wettert er los: Das ist doch so ne kranke Story mit WhatsApp. WhatsApp kommt ja von what’s up und deswegen wollte der Erfinder ne App haben, wo seine Freunde so posten, einfach nur nen Status darüber, was gerade bei denen abgeht, so. Das war überhaupt gar keine Chat-App zuerst. Und dann ist das so gewachsen daraus. Nach dem Motto, wär cool wenn ich den jetzt so antexten könnte. Daraus ist das dann entstanden. Erst war das nur so ein Müll, ey.

      Die Zweite bringt sich nochmal ein: Facebook war ja auch so. Ist immer noch so, aber am Anfang war das ja so hot or not.

      Der Dritte: Aber wir leben ja alle selbstbestimmt. Jeder kann im Endeffekt machen was er will.

      Dazu kann die Zweite was sagen: Ja, bis zu nem gewissen Grad. Zum Beispiel ohne Konto leben ist echt schwer. Ich meine, wirklich schwer. Ich hab das mal versucht und es war echt hart. Du kommst an Grenzen. Ich wollte mich bei so einer Bank anmelden, die mit deinen Zinsen nur gute Projekte unterstützt und gemeinnützig arbeitet. Davon gibt’s ein paar in der Schweiz und ich wollte dahin wechseln. Aber das macht gar keinen Sinn, weil ich dann in Deutschland kein Geld abheben kann, nur mit megahohen Kosten. Und dann hab ich ne Zeitlang ohne Konto gelebt und bin immer überall hingerannt und hab denen das Geld gegeben. Aber die GEZ, die hab ich nie bezahlt, weil die kannst du nicht bar zahlen.

      Der Dritte: GEZ ist echt so eine Scheiße!

      Die