Sie erfaßte sofort die Situation, kam wortlos leise herein, nahm Konstantins Kleidung auf und ihn bei der Hand. Als sie ihn mit sich hinausziehen wollte, entdeckte sie auf dem Sekretär einen Zettel:
Es war sehr schön. K. der Rittmeister
Sie nahm ihn sofort an sich und schob Konstantin, nackt wie er war, aus dem Raum seiner ersten Bewährung hinaus.
In der Bibliothek warf sie seine Kleidung in einen Sessel und hielt ihm den Zettel unter die Nase.
„Du bist wohl verrückt geworden, was? Vielleicht schreibst Du romantischer Esel auch noch Deinen Klarnamen mit Adresse drauf.” Sie stand direkt vor ihm und schlug ihm, wenn auch nicht heftig, aber spürbar mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Das wäre sehr süß, wenn Du mir solch einen Zettel hinlegtest, aber doch nicht hier, Kon. Die Dame ist verheiratet. Entdeckung hätte Dich früher auf den Duellplatz geführt und heute kann das ebenso unangenehm werden. Dein Vater ist einer der höchsten deutsche Generäle − ein Anruf und bums! Du würdest Dir einen gesellschaftlichen Skandal erster Klasse einfangen!” Sie schickte dem kleinen Vortrag noch ein Unmutsgrunzen hinterher, ehe sie ihn aufforderte, sich anzuziehen. Obwohl − sie sah ihn gern an, und so sah er also aus, wenn er gut drei Stunden erotischen Fronteinsatz hinter sich hatte. Sie fand ihn großartig und bemerkte nach einem erneuten Schnuppern an ihm:
„Hhmmm, Kon. Du duftest wie ein ganzer Rosengarten! Was hat sie mit Dir gemacht? Ich meine, außer, daß sie Dich vernascht hat, hm?” Louisianas Mimik war eine einzige brennende Neugier.
„Madame hat mich nicht vernascht, Du Frechdachs, sie hat mich erotisch verzaubert.” Lou erntete einen zurechtweisenden Blick, während er in seinen Slip stieg.
„Oh, wie galant und überaus damenhaft von ihr”, meinte die Gescholtene und grinste verschmitzt.
„Und am Ende hat sie mich mit Rosenwasser gewaschen …” Er knöpfte sein Hemd zu.
„Und Du? Hast Du sie auch …?”
„Selbstverständlich.”
„Hm, spart schon die Dusche”, meinte Lou mit ironischem Unterton.
„Was hättest Du denn mit mir gemacht?” Konstantin wurde neugierig, während er seine Hose hochzog.
„Ich hätte Dir das Badezimmer gezeigt. Waschen könnt Ihr faulen Kerle Euch selber.”
Daß Lou mit Kon am liebsten stundenlang in einem wohligen Schaumbad säße, einfach mal so, sagte sie ihm nicht. Er könnte auf drollige Gedanken kommen.
„Das hätte ich mir denken können, Du unromantische Trina. Aber sag’ mal, was ist Dir vorhin eigentlich eingefallen, meinen Schwanz in den Mund zu nehmen, hm?” Sein Ton klang verärgert, aber seine Mimik paßte nicht dazu. Er steckte den Binder in eine Hosentasche und zog sich die Socken an.
„Hat es Dir etwa nicht gefallen?” Louisiana lächelte ihn wie ein Lausbub an − weibliche Ausgabe.
„Ja schon, wie könnte es auch nicht, aber …” Er trat in seinen linken Schuh.
„Dann halte doch einfach Deine Klappe, Du Blödmann”, beschied sie ihn und damit war die Diskussion beendet.
Konstantin trat in seinen rechten Schuh, band beide zu, strich über seine Haare, nahm das Jackett über die Schulter und Lou bei der Hand. Der Einsatz war erfolgreich beendet.
*
Derweil hatte Madame sich an ihren Sekretär gesetzt und die schwarze Augenbinde abgenommen. Ihre schönen grünen Augen blinzelten nicht, trotz des starken Sonnenlichts. Ihr Blick ging seltsam geradeaus und nicht zwischen den Gegenständen vor ihr hin und her. Sie öffnete, ohne daneben zu greifen, den Glasverschluß einer großen Tischuhr und ließ vorsichtig die Finger ihrer rechten Hand über Zeiger und Ziffernblatt gleiten.
„Fast drei Stunden”, murmelte sie und lächelte zufrieden. Madame war blind. Ein Unfall, einige Jahre zuvor, den ihr Ehemann zu verschulden hatte, hatte sie das Augenlicht gekostet. Was sie „sah” und ahnte, speiste sich aus der Erinnerung der sehenden Jahre. Für diesen Tag hatte sie genug „gesehen” und erlebt.
Sie nahm eine Plastikflasche, die in dem schönen Raum wie ein Fremdkörper wirkte, rieb sich mit hohem Lichtschutz ein, wartete einige Minuten, ging zu einem Schrank, zog einen hellgrünen Bikini hervor, den sie sogleich anlegte und verließ barfuß ihr Zimmer, um sich hinter ihrem Haus einem Sonnenbad hinzugeben und zu träumen.
Als sie, im Liegestuhl ausgestreckt, die Augen schloß und ihre „sehende” Erinnerung das Bild des Rittmeisters aufbaute, so wie sie ihn empfunden hatte, wußte sie bereits, daß sie ihn „wiedersehen” würde. Warum auch nicht? Er hatte ihr sehr gut getan.
Gegenüber ihrem Mann, der seit ihrer Erblindung nur noch selten zu ihr kam und kaum mehr als ein eingefahrenes Pflichtprogramm herunterspulte, empfand sie kein schlechtes Gewissen. Nach den Parfümspuren, die sie an ihm wahrgenommen hatte, pflegte er Kontakte zu mindestens drei anderen Frauen − und wer weiß, wie viele Kinder er draußen versorgen mußte. Sie wußte es nicht und wollte es auch nicht wissen. Nur eines war sicher: sie hatte keines von ihm.
Und das war Madame.
*
Als Konstantin und Louisiana zum Seesenheim’schen Anwesen zurückkehrten, fanden sie Michael, Alexander und Damian nackt im Pool herumtobend. Als die Drei die Rückkehrer bemerkten, schwangen sie sich augenblicklich aus dem Wasser und bestürmten sie, zu berichten.
Damian erreichte Konstantin als erster und umarmte ihn, obwohl er tropfnaß war.
„Mann, Alter, wie war’s? Hm? Du siehst etwas müde aus.”
„Nicht so schlimm. Es war wundervoll, großartig. Wenn nur alle unsere Damen so sein würden, werden wir ein phantastisches Leben haben.” Er lächelte vielsagend.
Damian konnte sich einen Schabernack nicht verkneifen und klopfte an Monsieur Bouchons „Wohnung” an:
„Hallo, mon cher Monsieur Bouchon! Vous êtes encore là? Weilen Sie noch unter den Lebenden …?”
Alle lachten, doch ehe er sich’s versah, ließ Konstantin sein Jackett fallen, packte Damian und − hatte man’s nicht gesehen − stieß er den Frechling in den Pool.
„Kühl Dich ab, Du Quatschkopp, und laß meinen Freund Bouchon in Ruhe. Der muß sich ausruhen, und ich lege mich jetzt auch ein wenig hin. Wir sehen uns in zwei Stunden und dann feiern wir unseren Eskort-Einstand.”
„Klar, machen wir.”
„Hau Dich nur hin.”
Alexander und Michael klopften ihm anerkennend auf die Schultern. Konstantin nahm sein Jackett auf, gab Louisiana einen Kuß auf den Mund in Kombination mit einem liebevollen Klaps auf den Hintern und verschwand im Haus.
Derweil kletterte Damian erneut aus dem Pool heraus und gesellte sich dem Trio zu.
„Nun erzähl schon, Lou, wie war’s denn?”
„Sag, Lou, hat er in Rosenöl gebadet? Kon duftet wie Laurins Rosengarten.” Michael konnte seine Neugier kaum noch zügeln, doch Alexander bremste.
„Jetzt laßt sie doch mal. Wenn Ihr ständig auf sie einredet, kann sie nicht einen einzigen Satz beginnen und beenden. Hinsetzen und zuhören.”
Die drei jungen Männer ließen sich, so wie sie waren, im Gras nieder. Die Sonne schien heiß herunter und Lou begann ihren Bericht. Sie hatte gebannte