Melody war fassungslos.
Für einen Augenblick herrschte absolute Stille im Konferenzraum.
Es fiel ihr schwer zu verarbeiten, was ihr Vater da gerade angekündigt hatte, und konnte an einigen verblüfften Gesichtern erkennen, dass dies keineswegs dem ursprünglichen Plan entsprang. Es war offensichtlich, dass er ihnen damit einen Strich durch die Rechnung machte und abwarten wollte, wie es sich weiterentwickelte.
Sie holte tief Luft und ließ sie langsam durch ihre leicht gespitzten Lippen heraus, während sie ihre Gedanken sammelte und Gefühle ordnete. Für einen Moment fühlte es sich für sie an, als sei sie einen Marathon gelaufen, so sprachlos machten sie seine Worte. Die ganze Situation verlief nicht so, wie sie sie sich ursprünglich ausgemalt hatte. Sie schloss kurz die Augen und wünschte sich Ryan an ihre Seite. Die Empfindungen, die gerade ihren Körper durchströmten, waren kaum zu verkraften und erstaunten sie. Allein an Ryan zu denken ließ sie lächeln und machte es ihr leichter ihre durcheinander geratenen Gedanken zu sortieren.
»Daddy …« Unbewusst war sie zu dieser Anrede zurückgekehrt, die sie seit ihrem achten oder neunten Lebensjahr nicht mehr gewählt hatte. Sie sah, wie sich seine braunen Augen augenblicklich mit Tränen füllten, legte ihre behandschuhte Hand auf die seinen, die geballt auf dem Tisch lagen. »Du hast mich mehr als überrascht, und ich muss gestehen, dass ich dich und alle hier niedermachen wollte! … Nein, lass' mich bitte ausreden …«, bat sie ihn, als er sich anschickte sie zu unterbrechen. »Zwischen uns ist viel geschehen und es sind neun Jahre vergangen. Ich werde meine Meinung noch einmal ändern … Das ist ja wohl das Vorrecht einer erwachsenen Frau, richtig, Mom?« Sie grinste ihre zustimmend nickende Mutter an. »Also werde ich nicht um den heißen Brei herumreden! Ich verstehe, dass die Show einen Aufschwung braucht. Gut. Ich werde für die ursprünglich vorgeschlagenen zwölf Wochen zurücckommen.« Sie wandte sich an ihre Agentin. »Mir ist klar, dass du um die Details feilschen willst, Maisie, aber das Geld steht augenblicklich im Hintergrund. Das kannst du im Anschluss regeln. Aber, und ich betone das ausdrücklich: Es ist nur für diese zwölf Wochen!« Als sie den Ausdruck ihres Onkels Richard bemerkte, fügte sie hinzu: »Und ich werde zum üblichen Tarif arbeiten …«
»Du bist völlig verrückt, Melody!«, unterbrach Maisie sie sanft. »Du bist eine mehrfach ausgezeichnete Preisträgerin und kannst deine Dienste nicht einfach für eine Seifenoper verschleudern!«
»Du solltest mich besser kennen, meine Liebe.« Melody lächelte ihre langjährige Freundin an. »Natürlich zahle ich dir deine volle Provision«, fügte sie scherzhaft hinzu.
»Es geht nicht um die Provision, Melody«, widersprach ihre Agentin. »Ich habe bei dieser Sache einfach ein schlechtes Gefühl!«
»Ich weiß, dass es dir nicht darum geht. Aber du bekommst sie trotzdem«, erwiderte Melody. »So haben wir es immer gehalten. Außerdem habe ich vorher schon für sehr viel weniger gearbeitet, und ich bin mir sicher, dass ich es wieder tun werde, wenn mich ein Filmdrehbuch richtig anspricht. Aber wenn ich damit dazu beitrage, dass deine beiden wildgewordenen Söhne weiterhin an dieser Privatschule bleiben können, dann soll das so sein. Ich möchte auch dieses Jahr wieder zum Elterntag eingeladen werden, hörst du? Schließlich habe ich jedesmal so viel Spaß dabei …« Sie verstummte und schaute in die Runde. »Und nun genug von diesem Thema! … Maisie und Onkel Richard besprechen die verbleibenden Details. Ich bestehe nicht darauf, die Skripts zu genehmigen. Ihr könnt mich in diesen zwölf Wochen auf jede bekannte, grausame Art und Weise töten, die euch gefällt. Aber ich werde mich nicht überreden lassen auch nur einen Tag länger zu bleiben! … Ich bin andere Verpflichtungen eingegangen und werde niemanden im Stich lassen. Bis zu meinem nächsten Filmdreh ist es eh noch ein Vierteljahr hin. Es scheint also vorbestimmt zu sein.« Sie nahm einen Schluck Wasser zu sich, als die Gespräche um sie herum wiederaufkamen. Dabei waren ihr die hier und da geflüsterten Kommentare nicht entgangen.
»Sie hat ja vielleicht Nerven! Tut so, als wäre sie hier die langersehnte Königin und behauptet, dass ihr Geld nichts bedeutet …«
»Wir könnten noch heute die erforderlichen Korrekturen am Skript vornehmen. Ich gehe jetzt nach Hause, damit Cathrine herkommen kann, damit sie mit den anderen Autoren so schnell wie möglich den Rohentwurf verfassen kann …«
»Owen, Liebes, sei einfach glücklich, dass sie für diese zwölf Wochen zurückkommt. Der Rest, na ja, wir lassen die Zukunft für uns arbeiten ...«
»Ich bestehe aber darauf, dass Melody ihr privates Ankleidezimmer bekommt, jeden Tag ein Mittagessen nach ihren Wünschen und ihr für die Zeit ein Chauffeur zur Verfügung gestellt wird …«, brachte sich Maisie mit Nachdruck ein.
Letztlich war es Veronicas Frage, die Melody schließlich an den Tisch zurückbrachte. »Wo wirst du die drei Monate bleiben, Melody? Ich weiß, dass du hier deine Wohnung aufgegeben hast.«
»Na, das ist doch ganz einfach«, meldete sich Michelle schnell, ehe jemand anders einen Vorschlag machen konnte. »Sie wird natürlich bei uns im Penthouse wohnen. So kann sie auch jeden Tag mit uns fahren …«
Vehement schüttelte Maisie den Kopf. »Das wird sie auf keinen Fall! Definitiv: Nein! … Wir mieten eine Suite und sie bekommt einen Chauffeur für die Hin- und Rückfahrten!«
»Ich glaube nicht, dass wir uns eine Suite und einen Chauffeur leisten können, Mrs. Swanbeck«, unterbrach Richard sie an dieser Stelle. »Zumal im Penthouse mehrere leere Zimmer vorhanden sind.«
»Das ich nicht lache! Sie würden keinem anderen Gast, den Sie mehr als dringend brauchen, dergleichen vorenthalten!«, sträubte sich Maisie, vehement für ihre Klientin argumentierend.
»Nun verstehen Sie doch, …«, versuchte es Richard erneut.
»Nichts da!«, echauffierte sich Maisie. »Seien Sie froh, dass sie ihren Entschluss überhaupt geändert hat! Sie ist eine mehrfache Preisträgerin und kein dahergelaufenes Starlett! Sehen Sie denn nicht, welches Opfer sie zu bringen bereit ist?«
»Wie oft wollen Sie mir das noch auf die Nase binden?«, polterte Richard. »Meinen Sie denn, ich wüsste das nicht?!«
»Dann sollte Ihnen auch bewusst sein, dass es für Melody einen Karriereknick bedeuten kann in dieser Schmierenkomödie mitzuspielen, nicht wahr?« Maisie war aufgesprungen. Sie wandte sich ihrer Mandantin zu. »Ich empfehle dir dringend jetzt mit mir zu gehen!«
»Aber Maisie, sie ist unsere Tochter, und Owen und ich würden uns freuen, wenn sie bei uns wohnen würde, ganz abgesehen von den finanziellen Überlegungen«, bemühte sich Geena, die aufgeheizte Situation zu entschärfen.
Melody hatte genug gehört und bereits selbst eine Lösung gefunden. Alles was es brauchte, war Ryans Zustimmung. »Ich bin euch für das Angebot sehr dankbar, aber ein guter Freund von mir hat hier eine Wohnung, die ich sicher nutzen kann. Und in seiner Tiefgarage steht ein Wagen. Mit dem kann ich jeden Tag hin- und herpendeln.«
»Och, Melody, wir möchten lieber, dass du bei uns bleibst, damit du dich nicht mit der Fahrt herumärgern musst.« Michelle griff nach der Hand ihrer Tochter.
»Wenn die Fahrten für mich zu viel werden sollten, nehme ich einfach ein Taxi. Das ist wirklich kein Problem.« Melody drückte sanft ihre Hand.
»Sagtest du gerade ›guter Freund‹, liebste Melody?«, stellte Geena die Frage, die wohl allen auf der Seele brannte. »Verrätst du uns, wer dieser großzügige Mann ist, der so bereitwillig seine Wohnung mit dir teilt? Ist er verheiratet, ledig … homosexuell? Was werden die Leute nur davon halten, wenn sie das mitbekommen?«
»Geena, wirklich!«, tadelte Leslie seine Frau.
Melody