Gerstenmayer war wie vom Donner gerührt. Wie konnte das sein? Baum war erst vor etwa 10 Jahren verstorben und den jungen Mann da schätzte er auf knapp 30. Er rechnete und rechnete, aber er wurde nicht schlau aus der Zeitabfolge. Wie konnte er so schnell so alt werden? Da er das Problem gerade nicht lösen konnte, versuchte er so normal wie möglich zu bleiben:
„Kommen's halt hat rein. Setzen sie sich und lassen sie uns reden“ brachte Gerstenmayer leise hervor. Es klang, als ob ihm eine Kröte im Hals stak. Neugierig schaute sich der junge Mann auf dem Weg zum Besprechungsraum im Bunker um. Gerstenmayer kam es vor, als ob dieser Dinge wieder erkannte, von denen er schon einmal gehört hatte.
„Kennen Sie sich in Labordingen denn aus?“ fragte Gerstenmayer zuerst.
„Noh, der Babaah, hot mir einiges beibroocht!“
„Ihr Papa? Wer ist das?“ Gerstenmayer war immer verwirrter.
„No den haben's doch kennt, den Professor? Er hot mear immer vom Labor gredt.“
„Der Professor... Professor... Baum?“
„Jo wear dann sooonst?“ flachste sein Gegenüber.
„Sie sind... sie sind ein Sohn von Prof. Baum?“
„Aber Herbert, lass uns beim 'Du' bleiben! Ich bin doch der ‚BJ‘!“
Gerstenmayer saß verdutzt und wie vom Donner gerührt an dem Besprechungstisch.
„Die Umsätz hier sann rückläufig! I muss mich wohl selbst ums Gschööft kümmern!“
Dann sah er sich um. „Do hod ea gewirkt, moi Oalda!“ Anerkennend ging er in die nächsten Zimmer und dann weiter unten ins Labor.
In der Tat waren die Umsätze stetig schlechter, weil der Andrang von Frauen, die ein Baum'sches Baby im Bunker austragen wollten sehr stark rückläufig war. Die Gerüchte über fragwürdige Gene waren der eine Grund und die Tatsache, dass nach einigen genetischen Korrekturen durch Gerstenmayer die Klone untereinander auch wieder lebensfähige Babys zeugen konnten, ohne dass die Mütter starben, war der andere. Inzwischen gab es sogar Tests, mit denen vor der Vereinigung eines Paares festgestellt werden konnte, ob es sich um 'Ur'-Bevölkerung oder Klone handelte. Und wenn Klone, welche Type. Diese Tests waren nicht auf der unsicheren psychologischen Basis wie in der Science Fiction Literatur etwa bei 'Blade Runner' von Philip K. Dick, wo versucht wurde, 'Empathie' als Messgröße zu nutzen. Schon Baum hatte drei eindeutige Biomarker in die Klone konstruiert, die sich aus Urin leicht mit einem Teststreifen nachweisen ließen. Dieser Test, auf Basis von knallharten biochemischen Fakten, war wichtiger als der zur Schwangerschaftserkennung und ein gutes wachsendes Zusatzgeschäft bei Gerstenmayer.
Was ‚BJ‘ nicht wusste, war, dass jeder Klon einen DNA-Barcode in sich trug, mit dem er völlig eindeutig den Laboraufzeichnungen zugeordnet werden konnte. Dieses alte Verfahren wurde schon lange vor der Katastrophe von einer Biotechfirma in Erlangen im November patentiert.
Gerstenmayer erholte sich langsam vom Schock, wurde wach und sein kritischer Geist gewann in ihm die Überhand.
„Erzählen Sie... erzähl doch von deinem Vater und vor allem von deiner Mutter, BJ.“ forderte er ihn auf und lernte von ihm, dass dieser seine Mutter nicht kannte und im Verborgenen von seinem Vater groß gezogen wurde. Dieser hatte ihm dann alles beigebracht, was er selbst über Molekularbiologie wusste. Gerstenmayer hatte die Vision, dass hier ein 'Klon' von einer 'Mutterzelle' in diesem Falle einer 'Vaterzelle' groß gezogen und vor allem erzogen wurde. Wie mögen sich die beiden Verstanden haben? Der Sohn, der eigentlich als Klon eher als Bruder, ja sogar Zwillingsbruder zu bezeichnen war. Gerstenmayer schüttelte es vor Entsetzen. Aber das Ergebnis saß ihm gegenüber. Um seine Hypothese zu testen fragte er nach einigen wissenschaftlichen Details und siehe da, 'BJ' schien doch nicht nur ein Grossmaul zu sein, sondern von diesem Metier auch eine Menge Ahnung zu haben!
Aber war da nicht eine sehr kurze Zeitspanne, die dem Junior blieb, um erwachsen zu werden? Da war doch etwas faul oder etwa manipuliert...
Mayr wechselt das Gewerbe
Der gute alte Mayr aus Weilheim kam auch in das Alter. Das Durchforsten der Gegend, um noch brauchbare Gegenstände zu finden, die er verkaufen konnte, war immer mühsamer, zumal seine Wampe immer runder und das Bücken immer beschwerlicher wurde. Ausserdem hatte er schon alles gründlich durchsucht und fand nichts mehr.
Eines Tages lernte er auf der Süd-Westseite des Peißenberg einen jungen pfiffigen Bauern kennen, der aus der anfallenden Kuhscheiße zusammen mit anderem Biomaterial tatsächlich Biogas erzeugen konnte. Andy hatte soviel Gas, dass er gar nicht wusste wohin damit. Sein Bauernhof lag auf der Seite des Berges, die München abgewandt war, so dass die atomare Zerstörung sich in Grenzen hielt, so im Schatten des Berges geschützt vor Strahlung. Die Biogasanlage war noch aus der Zeit vor der Katastrophe und konnte danach schnell repariert werden.
In München dagegen tauchte plötzlich fast gleichzeitig ein weitgereister, dunkelhäutiger, afrikanischer Händler auf, der gasdichte Gummiblasen mit Ventilen anbot: Importware aus Afrika! Afrika war das paradiesische Elysium, da dort keine Atombomben niedergegangen waren. Alle technologischen Sprünge kommen jetzt daher. Viele Menschen nahmen die sogenannte Südroute, den Weg zum Mittelmeer, um in das gelobte Land auszuwandern. Was vor Jahrzehnten noch umgekehrt ging, lief jetzt spiegelverkehrt ab.
Der Rohstoff Kautschuk für die Gummi-Produktion wuchs ja direkt im Land und konnte dort vor Ort verarbeitet werden. Allerdings gab es einen unbekannten technologischen Kniff, dass die kleinen Methan-Moleküle des Biogases nicht durch die Wand der Blase entweichen konnten.
Mayr erkannte seine Chance und nach einigen 'Hellen' mit dem Fremden, kaufte er ihm alles ab, was dieser an Waren hatte und bestellte noch einmal die doppelte Menge bei ihm. Er hatte ausreichend Kompensationseinheiten, mit denen der Schwarze zufrieden war.
Mayr fuhr mit seiner Ware direkt zum Peißenberg zu seinem Freund Andy aus Kenia, der Weltmeister in der Improvisation bei allen technischen Fragestellungen war. Nairobi war danach neben Kapstadt das ‚Silicon Valley‘ der Welt.
Der Afrikaner und der Bayer! Welch ein Paar, das nur durch die Katastrophe zusammen kommen konnte. Die beiden bastelten etwas herum und waren schnell in der Lage, die Gummiblasen mit Biogas zu füllen.
Der Einsatz war universell: Mayr baute seinen guten alten Holzvergaser um und fuhr jetzt mit Biogas aus drei Gummiblasen. Pfiffig wie der Alte war, hat er seinen Holzvergaserofen in seinem Hof aufgestellt und wenn Ebbe war, konnte er das selbst erzeugte Holzgas in die Behälter füllen.
Er hatte in seinem Lager noch sehr viele alte Gasbrenner, die er bisher nicht los bekam. Jetzt war das anders: Zusammen mit den Biogasblasen waren die Gaskocher sein neuester Renner!
So kam es, dass Mayr vom Gebrauchtwaren- oder Gerümpel-Händler zum Biogas-Lieferant wurde! Aus dem sporadischen Projektgeschäft wurde jetzt ein stetiger Lieferservice. Ein sprudelnde Geld-Quelle!
Auch Anitra in Murnau hatte von ihm einen Gasherd gekauft, mit dem sie ihren Espresso mit der Macchinetta kochen konnte. Mayr belieferte die junge Frau gerne. Er strahlte, wenn er sie sah. Hatte er, der alte Grandler, sich gar in sie verguckt? Er wurde sogar seinen kaufmännischen Grundsätzen untreu und ließ ihr die eine oder andere Gaslieferung ohne Bezahlung in ihrer Küche stehen. Wassy gab im dann ab und zu ein kleines Bild mit, das er gemalt hatte. Mayr hatte von Kunst keine Ahnung und stellte die Werke zu Hause in die hinterste Ecke seiner Scheune.
Lakencourt wieder on Tour
Der Warlord hatte von den lukrativen Geschäften mit Biogas in Gummiblasen gehört!
„Wo