Die Heime waren und wurden weiterhin nach Alter und pädagogischen Anforderungen differenziert. So wurden das Kinderheim in Dibbersen und das Overbeckheim in Emmelndorf in heilpädagogische Heime mit psychologischem Fachpersonal umgewandelt. Im Hamburger Heimsystem gehörten auch vor dem Entlaufen gesicherte Gruppen im Mädchenheim Feuerbergstraße, in den Jugendheimen Wulfsdorf und Osdorf und in den Durchgangsheimen Hütten und Schwanenwik zum Bestand an Heimen. Die Jugendbehörde wie auch die Hamburger Vormundschaftsrichter vertraten die Auffassung, dass „die Anordnung der Fürsorgeerziehung und sogar die Gewährung der Freiwilligen Erziehungshilfe eine etwa notwendige Freiheitsentziehung einschließen.“{252} Die „gesicherten Gruppen“, in denen Jugendliche eingeschlossen wurden, genügten jedoch weder pädagogisch noch baulich den Anforderungen an diesen Zweck in einem modernen Rechtsstaat: Das Heim „Hütten“ war beispielsweise ein ehemaliges Polizeigefängnis aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.{253} Die Regelungen zur Umsetzung der Freiheitsentziehung im Heimalltag waren seit der Zeit vor dem ersten Weltkrieg zwar ein nie zu Ende diskutiertes Thema, aber faktisch nie geändert worden. Und so war es für die im Gestern verhaftete Jugendhilfe bezeichnend, dass das Heim „Hütten“ nach dem Krieg zwar nach dem ermordeten, jugendlichen NS-Widerstandskämpfer aus der Hamburgischen Verwaltung in Helmuth-Hübener-Haus umbenannt wurde, dieser Name aber nie Eingang in die Alltagskommunikation fand.
In Hamburg gab es außerdem eine Reihe von Jugendwohnheimen, die jungen Menschen nach der Schule und während ihrer Berufsausbildung einen Wohnort boten. Sie waren im System der Heime eine weitere, letzte Station vor der endgültigen Entlassung aus der öffentlichen Erziehung. Die Überweisung eines jungen Menschen in eines der Jugendwohnheime war eine Möglichkeit, den Aufenthalt im Erziehungsheim nach dem Schulbesuch zu beenden. 1966 gab es noch 11 Jugendwohnheime mit insgesamt 600 Plätzen, die zu diesem Zeitpunkt in die Abteilung „Kinder- und Jugendheime“ der Jugendbehörde eingegliedert wurden.{254}
Der seit Jahrzehnten eingefahrene Heimalltag blieb bis weit in die 1960er Jahre hinein für die Öffentlichkeit weitgehend verborgen. Aus heutiger Sicht ist es jedoch möglich, den Heimalltag aus mehreren Perspektiven genauer zu betrachten. Die Sicht der Funktionäre in Verbänden und Behörden wurde oben bereits angerissen und ist aus öffentlichen Darstellungen erkennbar. Die der Heimleitungen und des Personals findet sich in Heimakten und eigenen Schilderungen wieder. Die Perspektive der Betroffenen, also der Eltern, Verwandten und vor allem der Kinder und Jugendlichen selbst, ist erst zu Beginn des folgenden Jahrhunderts durch die Aufarbeitung jener Zeit an den „Runden Tischen“ zur Heimerziehung und über die Entschädigungsfonds ans Licht der Öffentlichkeit gehoben worden. Aus allen Perspektiven ergibt sich ein Bild des Heimalltags mit Licht, aber auch viel Schatten.
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