Antonia: Das war sehr richtig von dir.
Nanna: Und so ließ ich mich von ihm führen wie der Blinde vom Hündchen. Na, schön und gut! Er führte mich also in ein Kämmerchen, das gerade in der Mitte aller Zellen gelegen war. Diese Zellen aber waren nur durch dünne Ziegelwände getrennt, und die Fugen waren so schlecht verstrichen, daß überall große Ritzen waren; und man brauchte nur das Auge an eine dieser Spalten zu legen, um sofort zu sehen, was in allen Nebenkammern vorging. Kaum waren wir in der Zelle angekommen, und kaum hatte der Bakkalaur den Mund aufgetan, um mir zu sagen, meine Schönheiten – ich glaube, so drückte er sich aus – stächen die Reize der Feen aus, und dann hieß es ›meine Seele‹, ›mein Herz‹, ›mein teures Blut‹, ›mein süßes Leben‹ – und so die ganze Litanei zu Ende, und gerade hatte er mich aufs Bett gelegt, wogegen ich mich nicht im geringsten sträubte, da auf einmal ging es: Tick! Tack! Tack! Der Bakkalaur und alle andern im Kloster, die's hörten, kriegten einen fürchterlichen Schreck. Stell dir vor, es kommt einer plötzlich in 'ne Scheune hinein, wo eine Menge Mäuse sich in einem Nußhaufen gütlich tun – natürlich bekommen die Tierchen es mit der Angst, daß sie kaum noch wissen, wo ihre Löcher sind –, so liefen auch die Klosterleutchen herum, um in ein Versteck zu schlüpfen, und dabei stießen und pufften und drängten sie sich und waren vor Angst vor dem Safrugan ganz außer Rand und Band; es war nämlich der Safrugan des Bischofs, dem das Kloster unterstand, der machte uns mit dem Tick! tack! tack! solche Angst, wie wenn wir Frösche gewesen wären, die wohlgemut am Grabenrand im Grase sitzen; du hast gewiß schon gesehen, wie sie, wenn jemand ruft oder ein Stein ins Wasser plumpst, plötzlich alle miteinander auf einmal kopfüber in den Graben hopsen. Und wie er nun durch den Schlafsaal ging, da fehlte nicht viel, so wäre er in die Zelle der Äbtissin eingetreten, die gerade mit dem Ordensgeneral darüber verhandelte, ob nicht ihre Nonnen anstatt der Vesper eine Morgenandacht halten könnten. Und die Schwester Kellermeisterin erzählte uns, er hätte bereits seine Hand erhoben, um ihr 'nen Puff zu geben oder wer weiß was sonst noch; zum Glück aber besann er sich noch und ging nicht weiter, weil nämlich ein Nönnlein vor ihm auf die Knie fiel, das sich auf den figurierten Gesang verstand wie die Drusiana des Buovo d'Antona2.
Antonia: Oh, das hätte ein Hallo gegeben, wenn er hineingegangen wäre, hahaha!
Nanna: Aber wir kamen nur gerade eben noch mit einem blauen Auge davon, das kannst du mir glauben, denn kaum hatte der Suffragan sich hingesetzt ...
Antonia: Jetzt hast du das Wort richtig ausgesprochen.
Nanna: ... da kommt auf einmal ein Kanonikus, ein Primuzer3, und bringt ihm die Nachricht, der Bischof sei ganz in der Nähe. Sofort steht er auf und begibt sich eiligst nach dem Bischofspalast, um sich zurechtzumachen, denn er mußte dem Bischof entgegengehen. Vorher aber hatte er noch befohlen, das Kloster solle zum Zeichen der Freude mit den Glocken bimmeln. Kaum war er zur Tür hinaus, so kehrte ein jedes wieder zu seiner Bequemlichkeit zurück. Nur der Bakkalaur mußte fortgehen, um im Namen der Äbtissin Seiner Ehrwürdigsten Gnaden die Hand zu küssen. Die anderen aber begaben sich wieder zu ihren Herzallerliebsten, wie Stare sich wieder auf den Ölbaum niederlassen, von dem sie mit seinem Hohoho! der Bauer vertrieben hat, der Knicker, dem es das Herz abfrißt, wenn ein Star ihm eine Olive frißt.
Antonia: Wenn du doch zur Sache kämst! Ich habe ein Ungeduld in mir, wie 's Kindchen, das darauf wartet, daß die Amme ihm die Brust ins Mündchen schiebe. Mir läuft das Wasser im Munde zusammen wie am Osterabend beim Eierschälen, wenn man das lange Fasten hinter sich hat.
Nanna: Es kommt ja schon! Ich war also allein geblieben; in den Bakkalaur hatte ich mich schon verliebt, denn es schien mir nicht recht, es anders zu machen, als es im Kloster Brauch war, Da dachte ich denn dran, was ich in den fünf oder sechs Stunden seit meinem Eintritt ins Kloster gesehen und gehört hatte; und in der Hand hielt ich die Glasstange. Ich äugelte mit ihr wie jemand, der zum erstenmal die greuliche Eidechse erblickt, die in der Chiesa del Popolo aufgehängt ist, und ich war über das Ding verblüffter als über die ungeheuerlichen Gräten jenes Riesenfisches, der bei Corneto auf den Sand geworfen war. Ich konnte mir nicht erklären, warum die Schwestern so große Stücke darauf hielten. Während ich mich nun mit solchen Gedanken beschäftigte, hörte ich auf einmal ein schallendes Gelächter, das einen Toten hätte aufwecken können. Das Lachen wurde immer lauter, und ich beschloß daher nachzusehen, woher es wohl käme. Ich stand also auf und legte erst ein Ohr an eine Ritze; dann, da man im Dunkeln mit einem Auge besser sieht als mit zweien, machte ich das linke zu und guckte mit dem rechten durch ein Loch zwischen zwei Ziegeln, und da sah ich – hahaha!
Antonia: Was denn? Was sahst du denn? Bitte, sag's mir doch!
Nanna: Ich sah in der Nebenzelle vier Nonnen, den Ordensgeneral und drei Mönchlein wie Milch und Blut, die zogen dem ehrwürdigen Vater den Priesterrock aus und bekleideten ihn dafür mit einem Atlaswams. Auf die Tonsur setzten sie ihm eine goldgewirkte Haube und darüber ein Samtbarett, das über und über mit Glasperlen besetzt und mit einem weißen Federbusch geschmückt war. Dann gürteten sie ihm ein Schwert um, und der selige General lallte trunkene Worte und ging breitbeinig wie Held Bartolomeo Coglioni in der Kammer auf und ab. Unterdessen hatten die Nonnen ihre Röcke und die Mönche ihre Kutten ausgezogen, und drei von den Nonnen zogen die Mönchskutten, die Mönche aber zogen die Nonnenkleider an. Die vierte aber legte den Talar des Generals an und setzte sich mit feierlicher Würde hin und spielte den Kirchenfürsten, der den Klöstern ihre Gesetze gibt.
Antonia: Eine schöne Orgie!
Nanna: Wart nur – jetzt fängt es ja erst an, schön zu werden.
Antonia: Wieso denn?
Nanna: Nun, der ehrwürdige Vater rief die drei Mönchlein heran und lehnte sich auf die Schulter des einen, der ein schlank aufgeschossener, zartgebauter Jüngling war. Von den beiden anderen ließ er sich das Hähnchen aus dem Nest holen – das ließ aber gar traurig das Köpfchen hängen. Doch der gewandteste und hübscheste von den beiden Brüderchen legte es auf seine flache Hand und streichelte es mit der anderen Hand, wie man einer Katze den Schwanz streichelt, bis sie vom Schnurren ins Fauchen gerät und sich schließlich nicht mehr halten läßt. Da richtete denn auch das Hähnchen sich stolz empor. Der wackere General aber kriegte die hübscheste und jüngste von den Nonnen zu packen, schlug ihr die Röcke über den Kopf zurück und ließ sie sich mit der Stirn auf die Bettstelle aufstützen. Dann hielt er mit seinen Händen sanft ihre Hinterbacken auseinander – es sah aus, wie wenn er die weißen Blätter seines Meßbuches aufschlüge – und betrachtete ganz hingerissen ihren Popo. Der war aber auch weder ein spitzes Knochengerüst noch ein schwabbeliger Fettklumpen, sondern gerade die richtige Mitte: ein bißchen zitterig und schön rund und schimmernd wie beseeltes Elfenbein; die Grübchen, die man mit solchem Vergnügen an Kinn und Wangen schöner Frauen sieht, sie zierten auch diese beiden Backen, die so zart waren wie eine Mühlenmaus, die in lauter Mehl geboren und aufgewachsen ist. Und so glatt waren alle Glieder des Nönnchens, daß die Hand, die man ihr auf die Lende legte, sofort bis an die Waden herunterfuhr, wie der Fuß auf dem Eise ausrutscht, und Haare sah man auf ihren Beinen sowenig wie auf einem Ei.
Antonia: Da verbrachte wohl der Vater General den ganzen Tag mit seiner andächtigen