Antonia: Was waren's denn für Früchte? Sag's mir doch!
Nanna: Es waren gläserne Früchte, wie man sie in Murano bei Venedig verfertigt, von der Gestalt eines Kappa; nur waren an jedem Stengel zwei Schellen von einer Größe, daß eine Janitscharenmusik sich ihrer nicht hätte zu schämen brauchen.
Antonia: Hahaha! Ausgezeichnet! Ich verstehe vollkommen, was für Stengel du meinst!
Nanna: Und selig war die, die den größten und dicksten für sich erwischte; und keine von den Nonnen genierte sich, den ihrigen zu küssen, und sie sagten, diese Früchte hülfen ihnen, den Anfechtungen des Fleisches zu widerstehen ...
Antonia: ... die der Teufel holen möge!
Nanna: Ich spielte die Unschuld vom Lande und äugelte nur verstohlen nach den Früchten, wie eine schlaue Katze, die mit den Augen nach der Köchin sieht und die Pfote nach dem Stück Fleisch ausstreckt, das aus Versehen nicht eingeschlossen worden ist. Und wenn nicht meine Tischnachbarin, die sich zwei Früchte genommen hatte, mir eine davon abgegeben hätte, so hätte ich mir selber eine geholt, um nicht wie eine Zimperliese dazusitzen. Doch um es kurz zu machen: Inmitten des Gelächters und des Stimmengewirrs stand mit einem Mal die Äbtissin auf, und alle Anwesenden folgten ihrem Beispiel; und das Benedicite, das sie sprach, klang nicht wie Latein, sondern wie gutes Italienisch.
Antonia: Lassen wir nur das Benedicite! Was machtet ihr nach dem Essen?
Nanna: Warte doch nur; das kommt ja gleich! Nach Tisch gingen wir in ein Zimmer, dessen Wände über und über mit Malereien bedeckt waren.
Antonia: Was waren denn das für welche? Wohl die Bußwerke der Fastenzeit? Oder was sonst?
Nanna: Schöne Bußwerke! Die Malereien waren der Art, daß selbst ein Kastrat sich bei ihrem Anblick amüsiert hätte. Das Zimmer hatte vier Wände. Auf der ersten Wand sah man das Leben der heiligen Nafissa abgebildet. Da erblickte man das gute Mädchen, wie es mit zwölf Jahren, ganz von christlicher Liebe erfüllt, all sein Hab und Gut an Sbirren, Zöllner, Priester, Kuppler und andere derartige würdige Leute verschenkte. Und als sie gar nichts mehr hatte, da setzte sie sich demütig und fromm, mit Verlaub zu sagen, mitten auf die Sixtusbrücke. Und sie hatte nichts um und an sich, als 'n Stühlchen und 'n Fußmättchen und 'n Hündchen und ein Blatt Papier, das war an einem eingekerbten Stöckchen befestigt; damit fächerte sie sich und jagte die Fliegen weg.
Antonia: Warum saß sie denn da auf 'm Stühlchen?
Nanna: Sie stellte eben eins von den Guten Werken dar: die Kleidung der Nackenden. Und so saß denn das junge Ding da, wie ich's dir beschrieben habe, und das Gesicht hielt sie dem Himmel zugewandt, und den Mund hatte sie offen, wie wenn sie gerade das Liedchen sänge:
Wo bleibst du, mein Geliebter?
Was kommst du nicht zu mir?
Auf einem anderen Bilde sah man sie stehen und sich zu einem neigen, der aus übergroßer Bescheidenheit nicht gewagt hatte, sie um etwas von ihren Sachen zu bitten. Auf den ging sie ganz heiter in ihrer Nächstenliebe zu und führte ihn in die Höhle, wo sie die Betrübten tröstete. Da zog sie ihm zuerst den Rock aus und nestelte ihm dann die Hosen auf, und als sie das Hähnchen gefunden hatte, da streichelte sie's so zärtlich, bis es sich ganz stolz aufrichtete und wie ein Hengst, der sich von der Halfter losreißt, um zu der Stute zu gelangen, ihr plötzlich zwischen die Beine fuhr. Aber sie mochte sich wohl nicht für würdig halten, ihm ins Gesicht zu sehen, oder vielleicht, wie der Prediger sagte, der uns ihr Leben erläuterte, wurde ihr auch plötzlich bange, als sie ihn so rot, so glühend und so aufgeregt sah, und mit einer prachtvollen Bewegung drehte sie ihm den Rücken zu.
Antonia: Möge es ihrer Seele gelohnt werden!
Nanna: Ist es ihr denn nicht schon gelohnt? Sie ist doch 'ne Heilige geworden!
Antonia: Da hast du recht.
Nanna: Wer könnte dir alles erzählen? Da war auch das Volk Israel abgebildet, das sie ganz umsonst beherbergte und immer Amore dei befriedigte. Da sah man manchen gemalt, der gekostet hatte, was da war, und dann mit einer Handvoll Geld von ihr ging, das ihr ein freigebiger anderer notgedrungen hatte schenken müssen. Wer ihr Äckerlein bestellte, dem ging es manchmal wie einem, der im Hause eines Verschwenders Herberge findet: Dieser nimmt ihn nicht nur gastlich auf, gibt ihm Nahrung und Kleidung, sondern schenkt ihm noch obendrein das Reisegeld, um an seinen Bestimmungsort gelangen zu können.
Antonia: O gebenedeite und makellose heilige Nafissa, erleuchte du meinen Geist, daß ich deinen allerheiligsten Fußtapfen folge!
Nanna: Kurz, alles, was sie sonst noch machte, vor oder hinter Tür und Tor, das ist dort in voller Natürlichkeit abgebildet, und alles, was sie bis an ihr Lebensende tat, ist da gemalt. Und an ihrem Grabgewölbe sieht man die Abbildungen von all denen, die sie in dieser Welt zurückgelassen, um sie einst in jener Welt wiederzufinden: und das war ein buntes Gewimmel von Schlüsseln wie von Kräutern in einem Maisalat.
Antonia: Donnerwetter! Die Bilder will ich mir doch auf jeden Fall mal ansehen!
Nanna: Auf der zweiten Wand ist die Geschichte von Masetto aus Lamporecchio, und, meiner Seel!, man denkt, die beiden Nonnen, die ihn in die Scheune geführt haben, sind von Fleisch und Blut; der Kerl aber liegt da und tut, als ob er schlafe, während sein Hemd an dem hoch aufgerichteten Mast sich wie ein Segel bläht.
Antonia: Hahaha!
Nanna: Ja, da mußte wirklich jedermann lachen, der's sah, und besonders auch über die beiden anderen Nonnen, die von den losen Scherzen ihrer Mitschwestern Wind gekriegt hatten und sich dies sofort zunutze machten, aber nicht etwa, indem sie's der Äbtissin petzten, sondern indem sie mit an dem Vergnügen teilnahmen, und geradezu verblüffend war Masetto gemalt, der ihnen durch Zeichen zu verstehen gab, daß er nichts von ihnen wissen wollte. Und zuletzt sah man die Oberin der Nonnen; die fing es vernünftig an, indem sie den braven Mann einlud, mit ihr zu speisen und zu schlafen. Eines Nachts aber kriegte er Angst, die Sache möchte ihn zu sehr anstrengen, und sprach ein bißchen laut; da lief das ganze Dorf zusammen, um das Wunder zu sehen; das Kloster aber wurde als heilig kanonisiert.
Antonia: Hahaha!
Nanna: Auf der dritten Wand waren – wenn ich mich recht erinnere – die Porträts aller Schwestern, die überhaupt dem Orden angehört hatten, und neben jeder sah man das Bild ihres Liebsten und auch ihrer Kinder, und die Namen eines jeden und einer jeden waren daruntergeschrieben.
Antonia: 'ne schöne Ehrentafel!
Nanna: Auf der vierten Wand endlich waren alle die verschiedenen Arten, wie man stöpseln und sich stöpseln lassen kann, dargestellt. Die Nonnen sind nämlich verpflichtet, ehe sie mit ihren Freunden ans Werk gehen, erst alle Akte, die man da abgebildet sieht, in lebenden Bildern darzustellen. Und das müssen sie, damit sie sich im Bette nicht so tölpelig anstellen, wie gewisse Frauenzimmer, die alle viere von sich strecken und daliegen wie die Klötze. Solche Liebe hat natürlich weder Saft noch Kraft, und wer's mit so 'nem Mädel zu tun kriegt, der hat nicht mehr Vergnügen dran, als wenn er 'ne Bohnensuppe ohne Salz ißt.
Antonia: Da brauchen sie wohl gar 'ne Lehrerin, so 'ne Art Fechtmeisterin der Liebe?
Nanna: Nun freilich; und diese Lehrmeisterin zeigt den Ungeübten, wie sie's machen müssen, wenn der Mann den Stachel der Fleischeslust spürt und wenn er etwa auf einer Kiste oder auf 'ner Treppe oder auf einem Stuhl oder Tisch oder auf dem Fußboden seine Reiterei zu veranstalten wünscht. Und die Lehrerin, die den guten Nonnen die verschiedenen Stellungen beibringt, tut das mit einer Geduld, wie wenn sie einen Hund oder Papagei oder Starmatz oder 'ne Elster abrichtete. Und die Kunststückchen der Taschenspieler sind leichter zu lernen als die Behandlung des Hähnchens, so daß es steht, auch wenn es keine Lust hat.
Antonia: Wirklich?
Nanna: Verlaß dich drauf.