Kurtisanengespräche. Pietro Aretino. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Pietro Aretino
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750203426
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ein riesiger Köter, der aussah, als wäre er Statthalter über alle Metzgereien der ganzen Welt; der packte einen von den kleinen und schmiß ihn wütend auf die Erde; dann ließ er ihn los und griff sich 'nen andern, der ebenfalls nicht mit heiler Haut davonkam, worauf sie alle nach allen Seiten auseinanderstoben. Und der große Hund, dem der Schaum vorm Maul stand, machte einen krummen Buckel, sträubte die Haare wie ein Schwein seine Borsten, verdrehte die Augen, knirschte mit den Zähnen, knurrte und sah die unglückselige kleine Töle an. Dann, nachdem er eine Weile ihr Mäuschen beschnüffelt hatte, gab er ihr zwei Stöße, daß sie aufheulte wie die größte Hündin; dann aber glitt sie ihm zwischen den Beinen durch und machte schleunigst, daß sie fortkam. Die kleinen Wauwaus, die an allen Ecken auf der Lauer gestanden, ihr nach, und der Große in voller Wut hinterher. Die Kleine sieht eine Spalte unter einer verschlossenen Tür. Wupp! ist sie drin, und die anderen Hündchen schlupfen auch hinein. Der Hundelümmel aber bleibt draußen, denn er ist so groß, daß er sich in das Schlupfloch der anderen nicht hineinzwängen kann. Da stand er nun, schnappte nach der Tür, scharrte die Erde, heulte und benahm sich wie ein Löwe, der 's Fieber hat. So wartet er 'ne ganze Weile, da hüpft so ein armes Hündchen raus. Schwapp! hat ihn der böse Köter beim Wickel, und ritsch! reißt er ihm ein Ohr ab. Dem zweiten ging's noch schlimmer, und so kam, einer nach dem andern, ein jeder an die Reihe. Die Wauwaus räumten die Gegend mit einer Geschwindigkeit wie die Bauern, wenn Soldaten kommen. Zum Schluß kam das Bräutchen heraus; die packte er an der Kehle, schlug ihr die Fangzähne in die Gurgel und erwürgte sie. Dann jagte er die Gassenbuben und die anderen Leute, die sich dies Hundetheater ansehen wollten, auseinander und heulte den Himmel an.«

      Mein Bakkalaureus und ich mochten jetzt nichts mehr sehen noch hören; wir gingen in unsere Zelle, und nachdem wir im Bette noch 'ne Meile geritten waren, schliefen wir ein.

      Antonia: Der Mann, der den Dekamerone gemacht hat, soll mir's nicht übelnehmen, aber gegen dich ist er ein Waisenknabe!

      Nanna: Das will ich nicht sagen; aber soviel könnte er mir wohl zugeben, daß meine Geschichten lebendig, seine aber nur Gemälde sind. Aber habe ich dir denn nicht mehr zu erzählen?

      Antonia: Was denn noch?

      Nanna: Zur None stand ich auf. Mein Haushahn hatte mich, ohne daß ich's gemerkt hatte, schon bei guter Zeit verlassen. Ich ging zum Frühstück und mußte unwillkürlich kichern, sooft ich wieder eine sah, die bei der Nacht einen Ausflug nach Kapernaum gemacht hatte. In ein paar Tagen war ich mit allen vertraut, und da erfuhr ich denn, daß ich nicht nur sie belauscht hatte, sondern sie ebensogut mich, nämlich meine Scherze mit dem Bakkalaureus. Nach dem Essen bestieg ein lutheranischer Mönch die Kanzel, der hatte 'ne Stimme wie ein Nachtwächter, so durchdringend und schmetternd, daß man sie vom Kapitol bis zum Testaccio gehört hätte. Der hielt den Nonnen eine Predigt, womit er Dianas Stern hätte bekehren können.

      Antonia: Was sagte er denn?

      Nanna: Er sagte, nichts sei Mutter Natur verhaßter, als wenn sie sähe, wenn Leute ihre Zeit verlören, denn sie habe sie den Menschen gegeben, um an ihrem Treiben ihr Ergötzen zu haben, und sie habe nun mal ihre Freude dran, wenn ihre Geschöpfe fruchtbar wären und sich mehrten. Vor allem freue es sie, eine Frau zu sehen, die in ihrem Alter sagen könne: »Welt, lebe wohl!« Und vor allen anderen schätze Mutter Natur als köstliche Juwelen die Nönnchen, die dem Gott Cupido Zuckerchen machen. Daher seien die Freuden, die sie uns beschere, tausendmal süßer als die, die sie den Töchtern der Welt gewähre. Und mit dem Brustton der Überzeugung versicherte der Mönch, Kinderchen von Klosterbruder und Klosterschwester stammten vom Dixit und vom Verbum caro. Dann kam er auf die Liebe zu sprechen und begann mit den Fliegen und Ameisen und behauptete mit großer Hitze, alles, was er sagte, wäre so gut, wie wenn es aus dem Munde der Wahrheit selber stammte. Kein Maulaffenpublikum hört so andächtig einem Bänkelsänger zu wie die guten Weiblein dem Prahlhans. Nachdem er zum Schluß mit einem drei Spannen langen Glasding – du verstehst mich schon, he? – den Segen erteilt hatte, stieg er von der Kanzel herab. Zur Stärkung schüttet er sich dann Wein hinunter, wie ein Roß Wasser säuft, und stopfte sich dazu mit Kuchen voll, mit einer Gefräßigkeit wie ein Esel, der dürre Reiser kaut. Geschenke bekam er mehr als ein Priesterchen, das die erste Messe gelesen hat, von der Verwandtschaft erhält, oder eine Tochter von ihrer Mutter zur Hochzeit. Dann empfahl er sich, und die Gesellschaft amüsierte sich mit allen möglichen Possen. Ich selber ging in meine Zelle und war noch nicht lange da, da klopft es, und herein kommt der Chorknabe meines Bakkalaureus, macht mir 'ne höfische Verbeugung und überreicht mir was fein säuberlich Verpacktes, und dazu einen Brief, der war gefaltet wie ein dreikantiger Pfeil oder vielmehr wie das dreispitzige Eisen eines Pfeils. Die Aufschrift lautete – ich weiß nicht, ob ich mich noch darauf besinne ... wart mal –, ja, ja, sie lautete so:

      ›Was ich in wenigen Worten schlicht gesagt,

      Mit Seufzen rief, mit heißen Tränen schrieb –

      Nach Eden schick ich's und leg's in meiner Sonne Hand!‹

      Antonia: Famos!

      Nanna: Drin stand nun eine ellenlange Litanei! Er fing an mit meinen Haaren, die mir in der Kirche abgeschoren waren. Er sagte, er habe sie gesammelt und sich eine Halskette daraus machen lassen. Meine Stirn sei heiterer als der Himmel, meine Augenbrauen glichen jenem schwarzen Holz, woraus man Kämme schneidet, um die Farben meiner Wangen müßten Milch und Karmesin mich beneiden. Meine Zähne verglich er mit Perlenschnüren und meine Lippen mit Granatblüten. Einen großen Lobgesang stimmte er auf meine Hände an; an denen pries er alle Einzelheiten bis zu den Nägeln. Meine Stimme gliche dem Gesang des Gloria excelsis. Dann kam er zu meinem Busen; von dem wußte er Wunder zu melden; zwei Äpfel seien dran, fest wie Schneebälle. Zum Schluß stieg er hinab zum Gnadenquell, von dem er ohne sein Verdienst und Würdigkeit getrunken habe; Manuschristi tröffe daraus, und die Härchen drumherum seien von Seide. Von der Kehrseite der Medaille wolle er schweigen, denn ein Burchiello müßte auferstehen, um auch das geringste Teilchen ihrer Schönheiten würdig zu besingen. Schließlich dankte er mir per infinita saecula für die köstliche Gabe, die ich ihm mit meinem Schatz dargebracht, und schwor, er werde mich bald besuchen, und mit einem ›Leb wohl, mein Herzchen!‹ unterschrieb er sich ungefähr folgendermaßen:

      ›Der im Gefängnis Eures schönen Busens schmachtend

      Die Ketten Eurer Liebe trägt – er schreibt Euch dies!‹

      Antonia: Wer hätte da nicht sofort die Röcke hochgehoben, wenn eine ein so prachtvolles Gedicht bekommt?

      Nanna: Nachdem ich den Brief gelesen, faltete ich ihn wieder zusammen und barg ihn an meinem Busen, doch erst, nachdem ich ihn zuvor geküßt hatte. Dann öffnete ich die Hülle des Pakets und fand darin ein ganz reizendes Meßbuch, das mein Freund mir sandte, das heißt, ich glaubte, das Geschenk, das er mir schickte, sei ein Meßbuch! Der Einband war von grünem Samt – diese Farbe bedeutet Liebe –, und die Bänder daran waren von Seide: Lächelnd nahm ich's, sah es zärtlich an, küßte es immer wieder und lobte es als das schönste, das ich je gesehen hatte. Dann entließ ich den Boten, und sagte ihm, er möchte seinem Herrn in meinem Namen einen Kuß geben. Als ich allein war, schlug ich das Buch auf, um das Magnifikat zu lesen. Und als ich's geöffnet hatte, sah ich, daß darin lauter Bilder waren, auf denen man sehen konnte, wie die ausgelernten Nonnen sich die Zeit vertreiben. Eine war drin, die hatte ihr Geschirr in einen Korb ohne Boden getan, schaukelte sich an einem Seil und zielte mit dem Ding nach der Eichel einer riesengroßen Stange. Darüber mußte ich so fürchterlich lachen, daß eine Schwesternonne, mit der ich mich ganz besonders angefreundet hatte, herbeilief und mich fragte: »Worüber lachst du denn so sehr?« Ohne mich erst mit dem Strick prügeln zu lassen, sagte ich ihr alles und zeigte ihr das Buch, das wir zusammen besahen, bis wir solche Lust bekamen, die abgebildeten Stellungen mal auszuprobieren, daß wir notgedrungen zum Glasstengel greifen mußten. Meine kleine Freundin klemmte sich ihn so geschickt zwischen die Schenkel, daß er stand wie ein Mannsding, das sich vor der Versuchung bäumt. Dann legte ich mich wie eine von den Frauen auf der Marienbrücke auf den Rücken, schob meine Beine über ihre Schultern, und sie steckte ihn mir bald ins gute, bald ins schlimme Loch, so daß ich gar bald mein Geschäft besorgt hatte. Dann legte sie sich hin, wie ich zuvor lag, und ich vergalt ihr's tausendfach, was sie mir getan.

      Antonia: Weißt