Nanna: Hahaha!
Antonia: Jawohl, ich sehe deine Bilder so handgreiflich vor mir, daß ich naß geworden bin; und ich habe doch weder Trüffeln noch Artischocken gegessen.
Nanna: Siehst du? Vorhin mäkeltest du an den Vergleichen, die ich gebrauche, und jetzt sprichst du selbst in Gleichnissen, wie 'ne alte Muhme, die dem Kleinen Geschichten erzählt und sagt: »Ich hab ein Ding, das ist mein eigen; weiß ist's wie eine Gans und ist doch keine Gans; nun sagt mir, was ist das?«
Antonia: Ich spreche so bloß, um dir Vergnügen zu machen; nur deshalb gebrauche ich verhüllte Worte.
Nanna: Schönen Dank dafür. Aber weiter im Text! Nachdem wir diese Scherzchen miteinander getrieben, bekamen wir Lust, uns nach dem Eingang des Klosters und ans Gitter des Besuchszimmers zu begeben. Wir fanden aber keinen Platz, denn alle Nonnen waren dahin gelaufen wie die Eidechsen in den Sonnenschein. Die Klosterkirche war voll wie Sankt Peter und Paul am Ablaßtag, sogar Mönche und Soldaten drängten sich herzu, und du kannst mir's glauben, denn's ist wahr: Ich sah da den Hebräer Jakob, der in aller Gemütlichkeit mit der Frau Äbtissin plauderte.
Antonia: Ja, die Welt ist gar sehr verderbt!
Nanna: Na, darüber denk ich anders: Wem's nicht paßt, der kann ja gehen. Ich sah da auch einen von den armen gefangenen Türken, die in Ungarn ins Netz gegangen waren.
Antonia: Der hätte sich aber doch sollen taufen lassen!
Nanna: Ja, ob er als Christ getauft war, das konnte ich ihm nicht ansehen; aber gesehen hab ich ihn. Aber ich war ein dummes Luder, daß ich dir versprach, dir in einem einzigen Tage das Leben der Nonnen zu beschreiben, denn sie machen in einer Stunde so viele Sachen, daß ein Jahr nicht ausreicht, sie zu erzählen. Die Sonne will schon untergehen, deshalb will ich's kurz machen wie ein Reiter, der's eilig hat. Er hat zwar großen Appetit, aber kaum nimmt er sich die Zeit, vier Happen zu essen, einen Schluck zu trinken, dann heißt es: Hopp! trapp! ade!
Antonia: Halt mal! Ich möchte dir was sagen. Zu Anfang sagtest du mir, die Welt sei nicht mehr wie zu deiner Zeit; ich verstand das so, daß du mir von den damaligen Nonnengeschichten erzählen wolltest, wie man sie in den Büchern der Kirchenväter liest.
Nanna: Wenn ich dir so was sagte, so habe ich mich geirrt. Ich wollte vielleicht sagen, sie seien nicht mehr so wie in der guten alten Zeit.
Antonia: Dann hat also deine Zunge sich geirrt, nicht dein Herz.
Nanna: Es mag sein, wie du sagst; ich erinnere mich meiner Worte nicht mehr. Aber wir haben ja Wichtigeres vor! Höre nur weiter: Der Teufel versuchte mich, und ich ließ mich von einem jungen Mönch reiten, der ganz frisch von der Universität kam. Indessen nahm ich mich wohl in acht, daß mein Bakkalaureus nichts merkte. Sooft die Gelegenheit günstig war, nahm er mich aus dem Kloster mit zum Essen in die Stadt; übrigens hatte er keine Ahnung, daß ich mit dem Bakkalaureus verheiratet war. So kam er denn auch eines Abends nach dem Ave-Maria ganz unverhofft noch zu mir und sagte; »Mein liebes Puttchen, tu mir doch den Gefallen und komm gleich mit mir; ich bringe dich in ein Haus, wo du dich großartig amüsieren wirst, denn du kriegst nicht nur eine wahre Engelsmusik zu hören, sondern auch eine lustige Komödie zu sehen.«
Ich hatte den Kopf immer voller Flausen und besann mich nicht lange, sondern zog mich um; er half mir meine heiligen Röcke ablegen und kleidete mich in köstlich parfümierte Knabenkleider, die mein erster Liebhaber mir hatte machen lassen; ich setzte mir mein Barettchen aus grüner Seide mit roter Feder und goldener Agraffe auf den Kopf, warf mir den Mantel um die Schultern, und wir gingen miteinander fort. Etwa eines Steinwurfs Weite vom Kloster entfernt trat er in ein langes, aber nur einen halben Schritt breites Gäßchen ein, das keinen Ausgang hatte. Er pfeift ganz sachte, sachte, und sofort hören wir jemanden die Treppe herunterkommen; dann öffnet sich eine Tür, und kaum haben wir die Schwelle überschritten, so empfängt uns ein Page mit einer brennenden weißen Wachsfackel. Bei ihrem Schein stiegen wir die Treppe hinauf und kamen sodann in einen reichgeschmückten Saal; mein Student führte mich an der Hand, und der Page mit der Fackel hob den Türvorhang zu einem Nebenzimmer auf und sagte: »Belieben die Herrschaften einzutreten!« Wir traten ein. Und kaum war ich drinnen, da hättest du sehen sollen, wie alle aufstanden, das Barett in der Hand, wie die Gemeinde in der Kirche, wenn der Prediger den Segen spricht. Wir waren im Gesellschaftshaus aller Lebemänner, die da eine Art Spielklub hatten, und man traf da alle möglichen Mönche und Nonnen, wie man im ›Nußbaum‹ zu Benevent alle Arten von jungen und alten Hexen und Hexenmeistern trifft. Nachdem sich nun alle wieder hingesetzt hatten, hörte ich an allen Ecken und Enden nur von meinem Lärvchen wispern, und – ich sollte mich vielleicht nicht damit berühmen, Toni, aber ich muß es dir doch sagen – ein schönes Lärvchen war's!
Antonia: Das läßt sich denken! Du bist ja noch eine sehr hübsche Alte, und so wirst du gewiß eine sehr hübsche Junge gewesen sein!
Nanna: Wie wir so beim besten Kokettieren waren, ließ sich auf einmal eine Musik vernehmen, die war so köstlich, daß sie mir in Herz und Seele drang. Vier sangen aus einem Notenbuch, und einer spielte dazu eine Laute, deren Silberklang auf ihre Stimmen abgepaßt war, und sie sangen:
Ihr göttlich klaren Augen ...
Hierauf trat eine Ferraresin auf und tanzte so anmutig, daß ein jeder sich darob verwunderte. Sprünge machte sie – ein Böcklein hätte es nicht besser können, und mit einer Geschicklichkeit, o Gott! und mit einer Grazie, Toni!, daß du dich daran gar nicht hättest satt sehen können. Geradezu ein Wunder war's, wie sie das linke Bein heranbog – du weißt? wie's die Kraniche machen –, so daß sie bloß auf dem rechten Fuß stand, und nun fing sie an, sich zu drehen wie ein Kreisel, so daß ihre Röcke, vom Luftzug sich aufblähend, einen schönen Kreis bildeten wie die Flügel einer kleinen Windmühle auf dem Dach eines Gartenhäuschens oder, noch besser, wie jene Papiermühlchen, die die Kinder mit einer Nadel an der Spitze eines Stockes befestigen und womit sie durch die Straßen laufen, jauchzend, wenn sie sich so schnell drehen, daß man sie kaum noch sieht.
Antonia: Gott segne das gute Mädchen dafür!
Nanna: Hahaha! Ich muß lachen: Einer war dabei, den nannten sie – wenn ich mich recht erinnere – ›den lütjen Ciampolo‹, das war 'n Venezianer, der stellte sich hinter 'ne Tür und machte alle möglichen Stimmen nach. Einen Packträger mimte er, gegen den hätte kein Bergamaske was sagen können. Der Kerl redete eine Alte als Madonna an, und der Venezianer antwortete mit der Stimme der Alten: »Was willst du denn von der Madonna?« – »Ach!« sagte er zu ihr, »ich möchte mit ihr sprechen!« Und fing ganz kläglich an zu jammern: »Madonna, o Madonna! Ich sterbe! ich fühle, wie die Lunge mir im Leibe kocht, wie ein Topf voll Kutteln!« Und so ging es fort im Lastträgerstil, daß man sich auf der ganzen Welt nichts Lustigeres denken kann. Dann fing er an, sie zu kitzeln, und lachte dabei und brauchte Schnacke, daß es kein Wunder gewesen wäre, hätte sie darüber die Leidenszeit vergessen und 's Fasten gebrochen. Wie sie so lachen und schäkern, auf einmal kommt ihr Mann dazu, ein alter Jubelgreis, der schon wieder kindisch geworden war. Wie der den Packträger sieht, macht er einen fürchterlichen Spektakel, wie ein Bauer, der Diebe in seinem Kirschbaum sieht, und der andere Kerl schrie bloß immer: »Herr Meister, oh, Herr Meister! hahaha!« und lachte fortwährend und schnitt Gesichter und verrenkte die Glieder wie ein Hanswurst. »Geh mit Gott!« sagte der Alte. »Geh mit Gott, du besoffener Esel!« Dann kam die Magd herein und zog dem Alten die Hosen aus, wobei er seiner Frau alle möglichen Räubergeschichten vom Sophi und vom Türken erzählte. Und die ganze Zuhörerschaft hätte beinahe vor Lachen was in die Hosen gemacht, als er sich die Nesteln aufmachte und dabei einen großen Schwur tat, er wollte nie wieder was essen, was ihm so fürchterliche Blähungen machte. Schließlich ließ er sich zu Bett bringen und schlief ein; dann kam der Packträger wieder und winselte zur Madonna und lachte so viel mit ihr, daß sie sich zuletzt richtig von ihm die Motten aus dem Pelz klopfen ließ.
Antonia: Hahaha!
Nanna: Wie hättest du erst gelacht, wenn du all die Debatten gehört hättest, die sie dabei hielten, dazu die Schelmenspäße des Packträgers, denen übrigens die Zoten