Gleichzeitig hatte ich aber das Gefühl, dass alles fertig war und nichts mehr vorbereiten musste. Ich bin eigentlich sehr impulsiv und wenig strukturiert, aber mit der Zeit hatte ich mir angewöhnt, mir dafür Zeit zu nehmen, damit die Paare mich in unerwarteten Moment nicht unerwartet überraschen konnten.
„Mach dich nicht verrückt“, sagte meine innere Stimme zu mir, denn ich hatte das Gefühl, dass ich nervös war, ohne einen wirklichen Grund zu haben. Ich war durch das große Schlafzimmer für das Paar gegangen. Es hatte zudem ein eigenes großes Bad. Es war wunderbar zurechtgemacht. Sie werden sich wohlfühlen, dachte ich.
Nebenan hatte ich ein separates Schlafzimmer. Es war eher ein kleineres Zimmer, in dem nur ein schlichtes Bett stand und in der Ecke ein Schreibtisch, falls ich alleine arbeiten musste. Mein Badezimmer war eher klein und auf das Wesentliche reduziert, wo ich mich zurückziehen konnte. Meine Räume lagen neben dem anderen Schlafzimmer, sodass ich immer in Rufweite war, falls ich gebraucht werden würde.
Das große Schlafzimmer hatte eine große Tür in den Garten, der von einer hohen Hecke umgeben war und keiner konnte in den intimen Bereich einsehen, den ich mit meinen Paaren haben wollte. Auch wenn wir weit weg von jeder Zivilisation waren, wollte ich diesen Schutz von ungebetenen Gästen. Fremde, die in dieser schönen Umgebung spazieren gingen und einfach mal nur gucken wollten. Der große Garten hatte einen grünen Schutzwall, der uns die Freiheit gab, alles zu vergessen, was draußen ist.
Wenn man das Ferienhaus durch den Vordereingang betrat, stand man in einer riesigen Küche mit einer offenen Essecke, in der ein runder Tisch stand und um ihn herum standen viele bunte und unterschiedliche Stühle. Keiner sollte in der Ecke sitzen müssen oder jemanden direkt gegenüber. Ich wollte, dass man das Gefühl hatte, dass man eins war. Häufig saß man einfach so am Küchentisch, wenn man gerade eine Pause machte. Es war ein wichtiger Platz des Alltags. Mein zweiter Grundsatz war, dass keiner einen festen Platz hatte und jeder die Möglichkeit bekam, sich so zu platzieren, wie er sich fühlte. Jeder konnte sich seinen passenden Stuhl aussuchen, auf welchen er sich setzen wollte. Individualität und Freiheit wollte ich damit vermitteln und meine Gäste verstanden es, auch wenn sie sich häufig nur unbewusste für einen Stuhl entschieden. Geschmäcker sind bekanntlich verschieden.
Ich hatte einen Strauß weißen Flieder gepflückt und ihn in die Mitte des Tisches gestellt.. Das Haus war als ein großes erdgeschossiges L konzeptioniert worden. Das war ein Grund, warum ich mich in diesen Bungalow sofort verliebte, als ich ihn zum ersten Mal sah. Die Küche mit diesem großen runden Tisch war die Mitte. In die andere Richtung schaute man direkt in den Wohnbereich. Der Flieder verbreitete so seinen Duft im ganzen Haus. Es roch nicht nur in der Küchenecke, sondern auch im großen offenen Wohnbereich. Es gab keine Tür, die beide Bereiche abtrennte. Von der Küche kam jeder direkt in das sehr geräumige und offene Wohnzimmer. Nur der Boden deutete an, dass man die Küche mit den warmen Holzdielen verließ, denn ein flauschiger Teppich war die optische Grenze zum Wohnzimmer. So sollten meine Klienten sich im Wohnzimmer wohlfühlen.
Besonders am Entwurf des Hauses gefiel mir, dass das ganze Haus hell war. Der große Bereich von Küche und Wohnzimmer hatte eine große Fensterfront zum Garten hin. Der Blick nach draußen war jederzeit möglich und wunderschön, der durch ein riesiges Fenster vom Boden bis zur Decke ermöglicht wurde. Bei der Suche hatte ich der Maklerin erzählt, was mir wichtig war, dass man es hell war und die Sonne den Raum erleuchten sollte. Als ich dieses Haus dann sah, wusste ich sofort, dass dies meinem Konzept entsprach, wie ich arbeiten wollte.
„Ich möchte meinen Paaren Licht für ihre Beziehung geben“, sagte ich ihr, als ich zum ersten Mal die offenen Räume sah. „Ich will ihnen eine vertraute Atmosphäre anbieten, damit jeder zu sich und zu seinem Partner finden kann.“
„Räume sind da sehr wichtig“, stimmte sie mir zu. Ich erzählte ihr nicht alles, was ich vorhatte, denn ich hatte Sorge, dass ich das Haus nicht bekommen könnte. So verschwieg ich ihr, dass diese offene Atmosphäre dazu dienen sollte, damit meine Gäste offen über sexuelle Beziehung reden können. Sex sollte nicht nur im Dunkeln stattfinden.
Nun wartete ich auf Karsten und Beate, während der Fliedergeruch das Haus eroberte. Da ich aufgrund des Telefonats noch nicht genau wusste, wo die Reise hinging, entschloss ich mich, in den Garten zu gehen, um noch etwas zu entspannen. So legte ich mich auf eine der drei Liegen. Sie standen auf der großen Wiesenfläche in die Sonne. Ich atmete den Geruch des frisch gemähten Rasens ein, der mit jedem warmen Tag grüner wurde. Die Bäume trugen nicht mehr nur ihre ersten zarten Blätter, sondern hatten ihre vollen Baumkronen mit einem dunklen Grün gefüllt.
Ich atmete tief durch und genoss die Junisonne. Die Sonne schien auf mein Gesicht, während ich es mir unter einer Decke auf der Liege bequem machte. Meine Beine hatte ich hochgelegt und streckte sie aus. Wie ich da so lag, wusste ich, dass es gut werden würde.
Ich bin wohl eingeschlafen, denn ich hörte plötzlich die Türklingel. Ich öffnete langsam meine Augen. Du musst aufstehen, sagte mir meine innere Stimme und mein Körper folgte ihr nur widerwillig. Mir wurde klar, dass ich wohl den ganzen Nachmittag verschlafen hatte, denn die Sonne stand tiefer und hatte ihre Mittagswärme verloren.
Es müssen wohl Karsten und Beate sein –also schon 18 Uhr. Innerlich erschrak ich, denn ich fühlte mich nicht fit. Meine eigene Energie war gerade auf dem Nullpunkt. Ich dehnte mich beim Aufstehen, versuchte so, meinen Körper zu beleben, der sonst so voller Energie war. Ich musste mich gleich auf ein neues Paar einlassen und wollte vor allem keinen schlechten Eindruck machen. Halb verschlafen und halb anwesend ging ich zur Tür, um ihnen zu öffnen. Sie schienen es dagegen eiliger zu haben, denn ich hörte sie zum wiederholten Mal läuten. Ich wurde nun ganz unsicher.
Warten sie schon länger, ich muss ja nicht beim ersten Läuten wach geworden zu sein, schoss es mir durch den Kopf. Mit diesem Gedanken legte ich einen Schritt zu und rannte zur Tür. Ich warf nur einen kurzen Blick in den Spiegel, der im Eingangsbereich neben der Haustür hing. Mit der Hand fuhr ich mir schnell durch mein braunes und teilweise schon graues Haar. Schnell machte ich mir einen kleinen Zopf, damit ich nicht ganz so aussah, wie ich aussah.
In diesem Moment ärgerte ich mich, dass hier nirgends eine Uhr hing und ich selbst auch keine trug. Wir haben die Zeit, die wir brauchen, sagte ich häufig, auch so ein Grundsatz von mir, den ich jetzt verfluchte. Wie spät ist es wohl?
Ich wischte mir den Schlaf aus den Augen, zog am frisch gemachten Zopf. Zu mehr hatte ich keine Zeit. Ich wollte sie nicht warten lassen. Bevor ich die Tür öffnete, hörte ich:
„Du hast Recht. Ich hätte nicht klingelnd sollen, wir sind zu früh. Aber ich dachte, dass die fünfunddreißig Minuten ihr nichts ausmachen.“
So penibel hatte ich mir Karsten und Beate nicht vorgestellt.
17:25 Uhr
„Kommt rein!“, sagte ich, nachdem ich die Tür geöffnet hatte.
Beide schauten mich unsicher an. Ihre Anspannung löste sich, ihre Körper sackten fast in sich zusammen. Beide standen da, wirkten auf mich, als ob man sie hier abgestellt hätte und als ob sie nicht wussten, was sie hier wollten. Hatten sie mich nicht um den Termin gebeten, fast an gebettelt, vor einer Minute hatte sie noch mehrmals geklingelt – und jetzt?
Ich war überrascht, ich hatte mir von beiden kein bestimmtes Bild gemacht, aber so hatte