Hetzjagd im All. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847648277
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optische Markierung, die Unfälle durch ein versehentliches Hineintreten verhindern sollte. Sie zog mich mit sich. "Komm", sagte sie. "Ich muß für zwei Tage weg und werde furchtbar Sehnsucht nach dir haben."

      "Wohin geht's denn?"

      "Tywyn. Ich treffe mich da mit einem unserer Lizenznehmer, mit dem es Ärger gibt..."

      "Kann man so etwas nicht durch eine virtuelle Reise regeln?"

      "Ich möchte verhindern, daß meinem Cyber-Ich irgendwelcher Mist vorgegaukelt wird."

      "Verstehe..."

      Wir sanken auf das Antigravfeld, schwebten dann im nächsten Augenblick engumschlungen in dem farbigen Geflimmer. Vielleicht war das eine der stärksten Gemeinsamkeiten zwischen uns: Wir teilten die in den Augen mancher Leute schon altmodisch erscheinende Vorliebe für corporalen Sex.

      *

      Als ich am nächsten Tag erwachte, war Sorana schon nicht mehr da. Sie hatte mir eine Nachricht hinterlassen, die mir über den CyberSensor eingespielt wurde. Ich ließ sie mir auf der Netzhaut des linken Auges anzeigen, während ich zum Duschen ging.

      Sorana vermißte ich jetzt schon. Irgendwie herrschte in der Wohnung ein anderes Fluidum, wenn sie auch dort war. Selbst wenn wir uns gar nicht die ganze Zeit miteinander beschäftigten.

      Noch ein paar Wochen und du bist 100 Jahre alt, ging es mir durch den Kopf. Ein Mann in den besten Jahren, so sagt man. Kein besonderes Ereignis, aber Zahlen haben ihre eigene Magie. Ich kenne einige, für die das Erreichen eines dreistelligen Alters ein erster Anlaß war, zurückzublicken, in gewisser Weise Bilanz zu ziehen. Was habe ich erreicht, was soll die Zukunft bringen?

      Ich hatte die letzten Jahrzehnte dazu genutzt, einen bescheidenen Wohlstand zu erreichen. Die Wege, auf denen mir das gelungen war, waren nicht unbedingt immer gerade gewesen. Als Söldner, Geheimagent und Industriespion hatte ich oft genug meinen Kopf hingehalten. Jetzt wollte ich etwas kürzer treten. Privatagent, so nannte ich meinen Beruf. Ich führte hin und wieder noch Spezialaufträge aus. Mal waren es Ermittlungstätigkeiten, mal Industriespionage. Letzteres wurde nach wie vor am besten bezahlt, auch wenn es das höchste Risiko beinhaltete. Klar, daß sich jemand mit meinem Lebenslauf eine Menge Feinde gemacht hatte. Mächtige Feinde, die sich nicht scheuten, einem ihre Killermeute auf den Hals zu hetzen. Schon deswegen war ich immer wieder gezwungen gewesen, meine Identität zu wechseln. Auch jetzt war ich jederzeit darauf vorbereitet. Ein paar Handgriffe und ich war ein ganz anderer, hatte die dazugehörigen halborganischen Fingerkuppen und Bio-Kontaktlinsen, die jeden Iris-Scanner in die Irre führen konnten. In unserem gesegneten 35.Jahrhundert konnte man sich kaum einen Schritt bewegen, ohne sich auf irgendeine Art identifizieren zu müssen. Alles war codiert, Signale des CyberSensor wurden mit den gescannten Fingerprints oder Iris-Diagrammen abgeglichen und wehe etwas paßte da nicht zusammen.

      Ich ging in mein Büro und aktivierte die Fensterwand, bevor ich mich in einen der Ledersessel flezte. Mein Blick streifte über die fernen Ruinen von Alt-B. Ein Turm ragte hoch empor. Ich hatte mich immer schon gefragt, ob das vielleicht ein Überbleibsel von LA SAGRADA FAMILIA war, einer Kathedrale, die ein antiker Architekt mit dem Namen Antonio Gaudi einst geschaffen hatte.

      Möglich wäre es, überlegte ich. Aber man hätte an Ort und Stelle genauere Untersuchungen anstellen müssen. Dann wäre es eine Kleinigkeit gewesen, das genau festzustellen. Aber es gab niemanden, der sich zur Zeit nach Alt-B traute. Davon mal abgesehen war die frühterranische Archäologie und Geschichte ohnehin ein Stiefkind der Wissenschaft. Wer Karriere machen wollte, suchte sich andere Gebiete, um sich gegenüber der Konkurrenz hervortun zu können. Wen interessierten schon diese alten Steinhaufen, von denen die Erde nur so übersäet war? Das Leben auf dem Festland war in den letzten dreihundert Jahren immer unmoderner geworden. Und gegen diesen Trend war wohl kein Kraut gewachsen.

      In gewisser Weise sind sie zu beneiden, diese Leute aus dem OutlawSector, ging es mir durch den Kopf. Bei ihnen gab es jedenfalls all diese Identitätskontrollen nicht. Die wildesten Geschichten waren über die OS-Leute in Umlauf. Das meiste davon stimmte noch nicht einmal im Ansatz. Ich selbst war bereits in einer diese OutlawSectors gewesen. In Old L.A.. Ich hatte ein paar gute Bekannte dort, bei denen ich eine Weile verbracht hatte. Das war bereits ein paar Jahre her gewesen. Ich hatte von einem Augenblick zum anderen verschwinden müsen, weil ich dem Boss eines mächtigen Kartells bei meinen Ermittlungen zu sehr auf die Füße getreten war und zusätzlich noch dafür gesorgt hatte, daß ein milliardenschweres Patent an die Konkurrenz ging.

      Ich drehte mich in dem Ledersessel herum. Es handelte sich um ein Stück, daß antiken Vorbildern nachempfunden war. Auf Alpha Centauri 2 gab es einen Hersteller, der sich auf Mobiliar aus der irdischen Prä-Weltraum-Ära spezialisiert hatte. Ein paar Augenblicke lang überlegte ich, ob ich mir einen alten Kino-Film aus dem zwanzigsten oder 21. Jahrhundert ansehen sollte. Natürlich in der primitiven 2-D-Originalfassung, wie es sich für einen echten Antik-Freak gehörte. Ich hatte mir dafür eine Original-Leinwand in die Wohnung geholt. Aber dann stand mir der Sinn doch mehr nach einem Gleiter-Rundflug über die weitgehend unbesiedelte iberische Halbinsel.

      Zu meiner Wohnung gehörte neben einer eigenen Transmitter-Station auch ein separater Gleiter-Hangar mit mehreren Fahrzeugen für unterschiedliche Zwecke.

      Ich durchschritt den Schott, der den Hangar vom Rest meiner Residenz trennte.

      Die Schiebetür teilte sich, ich machte einen Schritt. Irgend etwas warnte mich. Eine Art unterbewußter Instinkt für Gefahr. Vielleicht war es auch die Bewegung, die ich aus den Augenwinkeln herum wahrnahm. Und das eigenartige Geräusch. Hier stimmte etwas nicht. Die beiden Hälften des Schiebeschotts rasten auf mich zu. Ich warf mich nach vorn, während die beiden Hälften mit einem krachenden Laut gegeneinanderstießen. Dies geschah mit einer geradezu mörderischen Heftigkeit.

      Ich hatte mich einigermaßen auf dem Boden abrollen können und rappelte mich wieder auf.

      "Systemkontrolle", forderte ich. Mein CyberSensor würde den Wohnungsrechner ansteuern und nach Fehlfunktionen im Programmbereich untersuchen.

      Es hatte nicht viel gefehlt und die Tür wäre zu einer Todesfalle für mich geworden. Fehlfunktionen kamen vor - aber andererseits...

      Sie waren extrem selten. Vor allem in einer ziemlich perfekt organisierten Stadt mit erhöhtem Komfortniveau wie Barcana.

      Ich atmete tief durch, registrierte dabei die Anzeige, die mir in dieser Sekunde im linken Auge angezeigt wurde und mich über den Fortschritt der Überprüfung informierte.

      >Es wurde eine Störung im Programsektor WACMXXX festgestellt.>

      "Bitte genauer identifizieren."

      >Genaure Identifizierung bislang nicht möglich>, erklärte mir die Pseudostimme in meinen Hörnerv hinein. >Fehler beheben und Untersuchung der Ursache fortsetzen?>

      "Ja."

      >Sie befinden sich im Gleiter-Hangar. Von einer Benutzung der Gleiter wird abgeraten, so lange der aufgetretene Fehler nicht behoben ist.>

      "In Ordnung. Aber vielleicht könntest du dafür sorgen, daß der Schott wieder passierbar ist. Ich bin hier ja gewissermaßen gefangen", erwiderte ich. Und dabei fiel mir ein, daß ich soeben ein Computerprogramm mit 'du' angeredet hatte. Wie eine Person, obwohl es sich eigentlich um nichts weiter als eine Folge codierter Befehle handelte. Es gab Leute, die ihren Systemen Namen gaben. Ich gehörte nicht dazu.

      Irgendwie ist deine Haltung nicht ganz konsequent, meldete sich eine sarkastische Stimme in mir. Wer der Meinung ist, daß es zwischen Maschinen und biologischen Lebewesen eine natürliche Grenze gibt, sollte nicht mit einem CyberSensor im Nacken herumlaufen...

      Das SYSTEM meldete sich einige Augenblicke lang nicht.

      Niemand kitzelte meine Hörnerven.

      Auch auf dem Anzeigenfeld in meinem linken Auge tat sich nichts.

      Mir war nicht klar, ob ich das für ein gutes oder ein schlechtes Zeichen halten sollte.

      Dann öffnete sich plötzlich der Schott.

      Er