Aber auch die Gangster, die vorn die Ausfahrt vom Pier abriegelten, wurden nicht vergessen. Mehrere Streifenfahrzeuge fegten herbei. Die Kollegen sprangen heraus und warfen sich in Deckung hinter ihre Fahrzeuge.
Einer der Gangster verlor die Nerven und gab einen ungezielten Schuss ab. Der Schuss wurde nicht erwidert. Stattdessen erscholl eine Megaphonstimme: "Hier spricht das FBI. Gebt auf!"
"Scheiße!", rief ein anderer Gangster. Sein Schuss kam gezielter. Aber er traf trotzdem niemanden. Es ging nur eine Frontscheibe von einem der FBI-Fahrzeuge in Scherben.
"Diesmal sind die dran", sagte Milo neben mir. "Eine Falle für zwei FBI-Beamte. Sie haben uns sogar unter Feuer genommen und wollten uns damit zur Aufgabe zwingen. Beabsichtigt war Kidnapping. Das reicht für eine saftige Anklage."
Gegenüber sonst ein Fortschritt. Darin hatte er recht. Denn sonst hatten wir zwar die Waren sicherstellen können, aber wir waren kaum an Personen herangekommen. Eine Beteiligung an dem Geschäft war so gut wie keinem nachzuweisen gewesen. Dafür waren die stets zu geschickt vorgegangen. Profis, mit allen Wassern gewaschen. Jeder hatte so getan, als sei er die Unschuld in Person. Als wäre die Ware sozusagen aus dem Nichts aufgetaucht...
Und dann waren wir an der Reihe, in das Geschehen wieder aktiv einzugreifen. Alle Kollegen waren in Position. Zwei weitere kugelsichere Scheinwerfer flammten auf. Diesmal von der Landseite her. Einer erleuchtete hell das Pier. Der Lichtfinger des anderen tastete über das Schiff.
Die Gegner machten allerdings keinerlei Anstalten zur Aufgabe. Auch wenn jetzt ihre Chance noch so klein erschien.
"Gebt uns Feuerschutz!", sagte ich in das Mikrophon des Walkie-Talkie. Von den Kollegen waren Gewehre mit Zielfernrohr in Anschlag gebracht worden, wie ich wusste. Damit war es kein Problem, das Schiff erfolgreich unter Feuer zu nehmen.
Eigentlich schade um das schöne Schiff, dachte ich. Es würde kaum ohne Beschädigungen abgehen.
Wir sprangen auf und sprinteten los, zuerst in Richtung Lieferwagen.
Keine Sekunde zu früh. Etwas wummerte heran. Es schlug haargenau dort ein, wo wir soeben noch in Deckung gelegen hatten. Der Abschussknall kam einen Sekundenbruchteil später, zeitgleich mit der Detonation der kleinen Granate.
Wir warfen uns zu Boden und pressten die Hände auf Ohren und Nacken.
Unsere ehemalige Deckung wurde zerfetzt. Im Pier entstand ein großes Loch. Die Druckwelle fuhr über uns hinweg, erfasste auch den Lieferwagen und schob ihn ein Yard weiter. Dabei schwankte er bedenklich.
Splitter wirkten wie Geschosse, ließen die Scheiben des Lieferwagens platzen und schlugen Dellen und kleine Löcher in das Blech der Karosserie auf dieser Seite.
Wir warteten das Ende des Infernos ab und sprangen wieder auf.
Der Lieferwagen sah aus wie nach einem schlimmen Verkehrsunfall. Er hatte nur noch Schrottwert.
Die Kollegen hatten den Schützen am tragbaren Granatwerfer entdeckt. Sie nahmen ihn unter Beschuss, als er sich für den nächsten Abschuss zu weit aus seiner Deckung wagte. Wir hörten einen gellenden Schrei. Im nächsten Moment löste sich von oben ein Schatten und segelte herab. Er schlug auf der Wasseroberfläche zwischen Pier und Schiffskörper auf.
Mit einer weiteren Granate war nicht mehr zu rechnen.
Von oben wurde jetzt überhaupt nicht mehr geschossen. Die Kollegen hatten Zielfernrohre mit Restlichtverstärker. Sie zwangen jeden Schützen auf dem Schiff in Deckung, auch wenn er sich nicht gerade im Lichtfinger eines Scheinwerfers befand.
Aber die Gangster wollten trotzdem noch nicht aufgeben. Sie machten immer noch keinerlei Anstalten dazu.
Wir erreichten den Lieferwagen.
Blondy trat in Aktion. Sie sprang hervor, behielt den Lieferwagen jedoch geschickt zwischen sich und den FBI-Schützen. Leicht geduckt stand sie vor uns, wie eine Tigerkatze kurz vor dem Sprung. Ihre Pistole hielt sie beidhändig gegen uns im Anschlag. Hass verzerrte ihr Gesicht.
Wir hatten ebenfalls die Waffen in den Händen, schussbereit. Wir hätten ihr nur zuvorzukommen brauchen, sie einfach über den Haufen knallen müssen. Es wäre nur Notwehr gewesen, denn sie wollte die Aktion gegen uns mit ihrer eigenen Waffe doch noch halbwegs erfolgreich beenden. Indem sie uns umlegte.
Aber keiner von uns beiden brauchte sie niederzuschießen:
Einer der Gangster auf dem Schiff gab jetzt doch noch ein paar ungezielte Schüsse in unsere Richtung ab. Zu mehr als ungezielten Schüssen reichte es nicht, weil er sich nicht weit genug hervorwagen konnte. Er musste immer noch genügend Deckung zwischen sich und den FBI-Schützen lassen, um nicht selber getroffen zu werden.
Auf Blondy nahm er dabei überhaupt keine Rücksicht. Es war ihm offensichtlich egal, ob sie getroffen wurde oder nicht.
Die Kugeln pfiffen uns um die Ohren, trafen aber niemanden. Auch Blondy nicht. Sie wurde nur davon kurz abgelenkt. Als wäre sie darüber überrascht, dass ihr Kumpan keinerlei Rücksicht auf sie nahm.
Wir gewannen durch die unüberlegten Schüsse nur Sekundenbruchteile. Aber Blondy rettete es letztlich das Leben. Denn wir brauchten nur noch einen einzigen Schritt, um ihr nahe genug zu kommen.
Bevor sich ihr Finger doch noch um den Abzug der Pistole krümmen konnte, zuckte mein Fuß hoch und traf ihr Handgelenk.
Die Waffe flog davon und klatschte ins Wasser.
Milo neben mir schoss. Der Kerl oben hatte weniger Glück als Blondy. Gerade hatte er sich wieder ein Stückchen vorgewagt, um erneut auf uns zu schießen. Zwar hatte er genügend Deckung zwischen sich und unseren FBI-Scharfschützen, aber zu wenig, um nicht von Milo tödlich getroffen zu werden.
Blondy schrie schmerzerfüllt und rieb ihr Handgelenk. Dass ihr Kumpan oben soeben sein Leben gelassen hatte, schien sie nicht im mindesten zu interessieren.
Der Hass auf uns verzerrte nach wie vor ihr Gesicht.
"Ihr sollt elend verrecken! Ihr habt sowieso keine Chance. Der Boss wird euch plattwalzen!"
Milo drehte ihr den Arm auf den Rücken. Wir machten nicht viel Worte. Blondy konnte sich auch noch so heftig sträuben und uns mit unflätigen Schimpfwörtern bedenken. Wir zwangen sie am Lieferwagen vorbei und ketteten sie hinten mit Handschellen an die Abschleppöse. Dabei passten wir auf, dass wir nicht ins Schussfeld der Gangster bei den drei Fahrzeugen kamen. Die hatten nämlich auch noch nicht aufgegeben und begannen jetzt, sich ein Feuergefecht mit den Kollegen zu liefern.
Blondy legte sich zwangsläufig flach auf den Boden, zerrte vergeblich an den Handschellen und schrie vor Zorn.
Wir ließen sie schreien und liefen zum Reep hinüber. Das war nicht ungefährlich, denn wir mussten die Deckung verlassen, die uns der Lieferwagen gegen die Gangster bot.
"Schwenkt den Scheinwerfer weg!", sagte ich in das Mikrophon meines Walkie-Talkie.
Die Kollegen gehorchten prompt. Es wurde dunkel auf dem Reep, wenn auch nicht dunkel genug: Vom Schiff her wurde nicht mehr geschossen. Aber kaum traten wir auf die Passagierrampe, als die Gangster bei den drei Fahrzeugen erwartungsgemäß das Feuer auf uns eröffneten. Wir mussten wieder zurück in Deckung springen.
Hinter dem Lieferwagen luden wir unsere Waffen nach. Die Entfernung zu den drei Fahrzeugen war eigentlich zu groß für Handfeuerwaffen. Wir würden kaum einen gezielten Schuss anbringen können. Jeder Treffer würde ein Zufallstreffer sein. Aber wir sahen im Moment keine andere Möglichkeit.
Plötzlich hörten wir eine kleine Detonation. Wir spähten an dem Lieferwagen vorbei. Das mittlere der drei Gangsterfahrzeuge hatte zu brennen begonnen. Die Gangster, die dort Deckung genommen hatten, stieben auseinander. Einer wurde von einer Kugel an der Schulter erwischt, bevor er an einem der Nachbarfahrzeuge Deckung nehmen konnte.
Die Fahrzeuge mussten teilweise gepanzert sein. Sonst hätten die Kollegen die Gangster längst zur Aufgabe gezwungen. Aber die