„Respekt“, sagt Romy mehr zu sich selbst. Dann wirft sie ihren Kopf herum, und eine Haarsträhne löst sich. „Den hatte für mich und meinen Entscheidungen auch niemand. Sogar neulich, als sie sich an meinen siebzigsten Geburtstag erinnerten, hat mir die Presse erneut angekreidet, wie undankbar ich doch immer gewesen sei, weil ich nicht für alle Zeit ihre geliebte ‚Sissi’ sein wollte.“
„Romy, bitte!“ Die Knef lässt die Schultern hängen. „Das haben wir doch alles schon bis zum Erbrechen durchgekaut.“
„Da muss ich Hildchen recht geben“, sagt die Dietrich. „Jammere nich auf so hohem Niveau. Du bist doch diejenige von uns, von der es alle paar Monate ’n neuen Bildband gibt.“
„Darauf kannst du stolz sein“, sagt hinter ihnen plötzlich eine heisere, raue Stimme.
Alle drehen sich um und halten den Atem an.
Paul Newman!
Ohne viel Aufhebens setzt er sich zu ihnen und berührt Romy am Arm. „Und damit hast du längst Marilyn übertrumpft.“
„Lästert ihr etwa schon wieder hinter meinem Rücken über mich?“ Hüftschwingend stöckelt Marilyn in einem schwarzen Kostüm mit Pelzkragen und der Ukulele unterm Arm herbei. Sie zieht einen Schmollmund und setzt sich.
„Solltste dir eben angewöhnen, pünktlich zu unserer Runde zu erscheinen“, zischt die Dietrich und lässt Newman nicht aus den Augen. Sie hatte vergessen, wie verdammt gut er aussieht: das weiße Hemd in der engen Jeans mit der Silberschnalle, einen Cowboyhut auf dem kurzen blonden Haar, die Augen hinter einer Sonnenbrille verborgen.
„Ihr solltet euch nicht so wichtig nehmen, denn es wird noch schlimmer kommen.“
Newman deutet mit dem Kinn in Richtung Erde. „Dort lebt längst eine Generation, die uns alle hier kaum noch kennt. Und in dreißig, vierzig Jahren wird sich gar keiner mehr an uns erinnern.“
Entsetzen breitet sich auf den Gesichtern der Diven aus.
Newman setzt noch einen drauf. „Unsere Filme verstecken sie im Nachtprogramm, wo kaum noch jemand guckt, und sie verhackstücken sie mit Werbeunterbrechungen.“
„Also doch!“, sagt die Dietrich.
„Die können doch nicht so mit uns und unserer Kunst umgehen.“ Die Augen der Garbo füllen sich mit Tränen.
Newman sieht sie mitleidig an und bringt es nicht übers Herz, ihr zu sagen, dass nach ihr heute schon kein Hahn mehr kräht. „Ihr müsst euch damit abfinden, dass unser Ruhm verblasst.“
„Der macht alles zunichte, woran wir in den letzten Jahren gearbeitet haben“, meint die Knef bestürzt und wirft Newman einen strafenden Blick zu.
„Ich habe immer alles gegeben“, sagt Romy, bleich geworden. „Ich wollte verstanden werden und habe dafür meine Seele entblößt. Meine Verzweiflung, die Tränen, alles war immer echt. Das darf doch nicht umsonst gewesen sein und in Vergessenheit geraten!“
„Wir hatten alle eine gute Zeit“, beschwichtigt Newman. „Der eine länger, der andere kürzer.“
Das Getöse eines Sportwagens unterbricht ihn. Ein Sunbeam Tiger hält quietschend. Den Arm abgewinkelt auf der Fahrertür, den Kragen des Lederblousons hochgestellt und mit einer Zigarette im Mundwinkel grinst James Dean unverschämt in die Divenrunde.
Dann nickt er Paul Newman zu. Endlich ist jemand angekommen, der ihn verstehen wird, und der die Leidenschaft für schnelle Autos mit ihm teilt.
Newman steht auf und schwingt sich auf das alte Fahrrad, mit dem er gekommen sein muss, und auf dem er auch als Butch Cassidy im Film eine gute Figur gemacht hat. Er legt grüßend zwei Finger an die Hutkrempe und verschwindet im Universum.
Traurig sieht James Dean ihm nach.
„Nu komm, Kleener“, tröstet die Dietrich. „Setz dich zu uns. Ick seh dir doch an, dass de reden musst.“
Veilchen im Januar 2010, Ausgabe 28
Fred Reber
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