Schlehenbusch. Helmut Freiherr von Scheurl-Defersdorf. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Helmut Freiherr von Scheurl-Defersdorf
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844250268
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Konstanz gesehen worden. Wollte wohl länger bei ihrer Schwester in Winterthur bleiben. Der Schiffsführer hat damals wenigstens bezeugt, sie gesehen zu haben. Dem hatte sie schon ein paar Tage vorher erzählt, als sie in die Schweiz gefahren war, dass sie traurig wäre, weil ihr Hund entlaufen sei. Beim Grenzübertritt in Kreuzlingen hat man den auffälligen Koffer sogar durchsucht. Das wissen wir von den Grenzern. Typische Frauenkleidung sei im Koffer gewesen. Ganz normal. - Und dann verlor sich die Spur. – Das mit dem Hundehalsband klären wir vielleicht noch. – Oder machen Sie sich dran, Kalle, wenn Sie den Franz besuchen. Fragen Sie ihn, warum er im Frühjahr nach einem Hundehalsband gesucht hat?“

      „Werd’s mir überlegen“, brummt Kalle, „nur im Augenblick nervt mich der Chuck mehr. Der will mit mir seine früheren Wirkungs-Stätten abklappern. Ich hasse weite Fahrten. Und ob es in der ehemaligen DDR, wo der hin will, überhaupt Hotels gibt …“

      Aber Bernd und Schneider springen auf diese Bemerkung gar nicht an. Sie haben keine Lust auf Chuck und seine STASI-Märchen. Außerdem hat Bernd noch mit seinen Vorspeisen und der Vorbereitung der Hauptgerichte für die Abschiedsparty zu schaffen. Er muss für die Lasagne Pilzsauce, Tomatensauce und Bechamel-Sauce vorbereiten, den Käse raspeln und Spinat mit Knoblauch dünsten.

      Als Breunecke und Schneider nicht reagieren, verzieht Kalle sich etwas ungehalten mit einem „Dann bis morgen um zehn, Jungs! – Nen schönen Abend auch!“

      Palaver

      Samstagabend, 11. September 2010

      Etwas später hat Bernd die zwölf kalten Vorspeisen fertig und kann für den Hauptgang die vier Sorten Lasagne vorbereiten, eine vegetarische mit Pilzen, eine mit Auberginen und Tomaten, eine mit Spinat und Pinienkernen, schließlich noch zwei mit Hackfleisch für die so genannten Normalesser. Derweil räumen die Frauen schon die Küche auf.

      „Wer soll all das vertilgen?“, meint Schneider, der mit einem Glas Rotwein in der Hand die gesamte Ess-Straße betrachtet, ehe Bernd die abgekühlten Platten, Schüsseln und Bratformen in die verschiedenen Kühlschränke räumt. Währenddessen haben die Frauen sich schon längst in die Gemächer verzogen.

      „Abnehmer finden sich immer, Chef“, antwortet Bernd, ohne sich umzudrehen. „Da sind zum Beispiel unsere Familien und Freunde, der Seemanns-Chor, unsere Kollegen, dazu die neun Managerschüler und schließlich auch unser Vorgesetzter Dr. Lange mit Familie. Der müsste beim Büffet eigentlich Dr. Zu-Lange heißen, und seine Frau Doppel-Zulange. – Und wenn der Dr. Lange außer unseren Verabschiedungsurkunden und seiner Frau noch die beiden Doppel-Zulange-Töchter mitbringt, spindeldürr, aber immer wolfshungrig und abgrunddurstig….“

      Schneider prustet los, verschluckt sich und Rotwein tropft ihm aus der Nase aufs Hemd. Bernd hat ihn im falschen Moment erwischt.

      „Wenn Hilde das sieht, bin ich geliefert“, erschrickt Schneider.

      „Wird schon nicht so wild werden, Chef“, grinst Bernd, „sagen Sie einfach, es wäre Blut. Man hätte ein Attentat auf Sie versucht. Müssen ja nicht gleich verraten, dass es nur ein kleines Attentat auf Ihre Lachmuskeln war. Und jetzt ziehen Sie das Hemd ganz fix aus, damit wir Salz auf die Flecken streuen können. Später versuchen wir noch mit Weißwein, die Reste aufzulösen.“

      „Ich werde es Hilde erzählen, Breunecke“, lacht Schneider etwas später, als das Hemd mit ein paar Salzhäufchen darauf auf einem Tisch liegt und er im Unterhemd da sitzt, „aber glauben wird sie es mir wohl kaum, wenn sie das Salz sieht. Das ist wohl eindeutig kein Blut gewesen. Blut wäscht man mit kaltem Wasser aus. Das erzählt sie mir immer, wenn ich mich beim Rasieren schneide. Ein zweites Hemd für morgen hat sie hoffentlich eingepackt.“

      „Aber sie wird zuerst erschrecken“, bemerkt Bernd, „und das hilft für den Beginn einer milden Vergebung.“

      Auf den Schrecken hin trinken die beiden noch ein Glas Rotwein extra. Als Edwin Eberle erschöpft und doch recht aufgekratzt mit seinen neun Managern aus dem Dorfgemeinschaftshaus ankommt, genehmigen sich alle noch zwei Absacker aus Edwins Beständen. Eine Flasche gut gelagerter Chardonnay Jahrgangs-Grappa wird so in Gemeinschaftsarbeit der Glorreichen Zwölf, wie sich die angesäuselten Männer inzwischen nennen, in kürzester Zeit vernichtet.

      „Eigentlich nicht ganz standesgemäß“, witzelt Edwin Eberle, „wenn der Herr Schneider hier zwischen uns im fleckigen Unterhemd wie ein Kanalarbeiter auf Urlaub sitzt.“

      „Und wie war’s mit den Seebären“, fragt Bernd.

      „Die Seebären sind schon eine lustige Truppe“, antwortet einer der Seminarteilnehmer, „die haben einige Liedchen mit uns gesungen. Hoffentlich sind die morgen nicht heiser. Und die Musiker sind Klasse! – Aber Sorgen haben die in ihrem Chor auch. Einer von ihnen, ein Mundharmonikaspieler – der war natürlich heute nicht dabei – will wohl unbedingt Vorsitzender werden. Und da es im Chor keine Sperre gegen die Aufnahme von Fördermitgliedern gibt, weil bei denen die Gesangsprüfung entfällt, führt er dem Chor lauter gut betuchte Freunde aus der Schweiz als Fördermitglieder zu, angeblich um den Chor finanzkräftiger zu machen. Jetzt zittern die anderen schon vor der nächsten Hauptversammlung, denn auch Fördermitglieder sind voll stimmberechtigt. Um das zu ändern, müsste man die Satzung anders fassen. Und dafür bekommt man bei der Hauptversammlung nun natürlich keine Mehrheit mehr gegen die Truppe des Mundharmonikaspielers, und einen Antrag auf Satzungsänderung hätte man in die Tagesordnung aufnehmen müssen, was aber nicht erfolgt sei. Ich habe ihnen den Tipp gegeben, doch noch vor der Hauptversammlung eine Sonderversammlung einzuberufen und den Mundharmonikaspieler wegen dieser Machenschaften auszuschließen. Aber das wollen sie auch wieder nicht. Lieber treten sie nach der Hauptversammlung alle aus und lassen ihn allein singen und Mundharmonika spielen. Das könnte doch auch ganz witzig sein, meinen sie. Vielleicht ist das morgen also einer der letzten Auftritte. – Und wir sind dabei!“

      Feiermorgen

      Sonntagmorgen, 12. September 2010

      Die Seekameraden warten schon, als Bernd Breunecke und Egon Schneider mit ihrer Essenskarawane und dem Gefolge der Manager beim Dorfgemeinschaftshaus eintreffen. Sie helfen fleißig, all die Vorspeisen aus den Autos reinzutragen und nach Bernds Anweisungen auf dem langen Tisch an der einen Saalseite zu platzieren.

      Geduldig erklärt Bernd die für manche seltsamen kalten Speisen, die es da noch außer den üblichen gebratenen Auberginen, den marinierten Champignons und den marinierten Zucchini gibt.

      „Riecht aber arg nach Knobi“, bemerkt einer und rümpft die Nase.

      Ein anderer meint: „Da gehört doch Knobi dran, sonst schmeckt’s nicht wie beim Italiener.“

      Ein Kenner schnuppert an den Balsamicozwiebeln: „Hm, interessant. Da sind ja Rosmarin und Honig dran!“

      Andere fragen, ob sie später auch von den Sachen probieren dürfen.

      „Es geht für Euch zwar mit Weißwurst los“, lacht Bernd bei dem großen Interesse an den Produkten seiner Kochkunst, „aber wenn jemand vorher, danach oder anstatt Weißwurst Lust auf die Vorspeisen hat, kann er natürlich zulangen. Und diverse Lasagne-Sorten gibt es später auch noch.“

      Und wieder hat Bernd fleißige Helfer gewonnen, welche die Wurstkessel anschließen und zum Anheizen einstellen, die Baguette, Brezen und Butterbrezen rein tragen. Dabei begrüßen sie Hermann Schultheiß mit großem Hallo. Einige genießen mit ihm gleich ihre erste Butterbreze zum Bier auf der Bühne. Andere helfen Judith Breunecke, Sarah Schwan und Helene Hancke beim Dekorieren der Tische mit langen Efeuranken, die Edwin Eberle noch am Morgen zusammen mit einem Managerlehrling von den Bäumen bei der Managervilla lösen musste. Und wieder andere sammeln sich beim Kinderwagen mit dem kleinen Simon, den Claudia Breunecke eifersüchtig bewacht, um einen Blick auf den kleinen Schreihals zu werfen.

      „Wird mal ein guter Sänger“, ist ihr Kommentar, als er laut zu schreien beginnt.

      „Mehr Deko hat auf den schmalen Biertischen keinen Platz“, meint Ute Eberle, als Hilde Schneider fragt, warum es keine Blumen gibt. Und sie hat wohl Recht.

      Der