Der Fluch des Todes. Christian Bass. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Bass
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750205673
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jetzt, wo er dem alten Mann beim Reden zu sah, wusste er, dass dieser mit dem Tod seiner Frau nichts zu tun hatte. Die Liebe und Trauer in seinen Augen konnte nicht gespielt sein; die war echt – da war er sich absolut sicher. Nein, irgendetwas anderes ging hier vor. Irgendetwas unheimliches, das sein Vorstellungsvermögen überschritt.

      „Angeblich sei alles nur ein Unfall gewesen, haben die Behörden behauptet, ohne jemals eine andere Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Er wollten sie mich zum Mörder meiner Ehegattin Amalia – seelig sei ihre Seele – machen und dann wurde es eben als Unfall dargestellt.“

      Sir Henry machte eine kurze Pause, räusperte sich und kramte ein besticktes Taschentuch aus seiner Hemdtasche. Er tupfte sich damit vorsichtig die Augen ab und ließ es dann wieder verschwinden.

      „Dabei haben die Mörder mein Anwesen nie verlassen, müssen Sie wissen. Und bis zum heutigen Tag treiben sie ihr Unwesen auf meinem Gelände. Selbst der Umzug von Yorkshire hierher hatte keinen Erfolg, auch wenn es am Anfang so aussah, als wäre ich sie losgeworden. Doch dann standen sie eines nachts plötzlich wieder auf ihrem angestammten Platz in der Vitrine hinter Ihnen, wo sie auch jetzt immer noch stehen, nur darauf warten, auch mein Lebenslicht auszulöschen.“

      Das konnte er doch nicht ernst meinen, schoss es Sam durch den Kopf, als er sich umdrehte und zur kleinen Vitrine hinüber sah, das konnte er doch unmöglich selber glauben.

      Bis auf zwei kleine, gar nicht einmal so häßlich aussehende Teddybären, die hinter dem milchig, verdreckten Glas darauf warteten, dass jemand sie zärtlich herausnahm, war diese Vitrine leer. Bereits auf dem ersten Blick nahm er wahr, dass sie schon lange nicht mehr geputzt worden war, was die Aussage seines Gegenübers auf eine unheimliche Weise unterstrich: Er schien es tatsächlich zu glauben. Oder irrte er sich da? Und was hatten diese beiden Teddys mit seiner Anwesenheit auf Pelican Manor zu tun?

      „Unheimlich, nicht wahr?“

      Sam nickte zustimmend. Auch wenn er die beiden Bären weniger unheimlich fand, als seine Anwesenheit hier.

      „Kaum dass sie zurück waren, begann alles von Vorne. Als sie anfingen meine Bediensteten zu ermorden, versuchte ich sie loszuwerden. Doch egal was ich tat, es war zwecklos. Sie kamen immer wieder. Ich glaube, um sie loszuwerden, müssen sie zurück zur Hölle geschickt werden. Ganz bestimmt sogar. Auch dies habe ich versucht, wieder erfolglos. Beim Versuch, sie im Garten zu verbrennen, kam mein letzter mir verbliebener Angestellter zu schaden. Diese ... diese Wesen haben ihn zwar am Leben gelassen, dafür mussten ihm beide Beine und Arme amputiert werden. Für ihn und seine Familie wäre es also besser gewesen, sie hätten ihn umgebracht.“

      Ebenso für deinen Geldbeutel, alter Mann, dachte Sam ein wenig erleichtert, dass sich nun doch wohl noch alles ganz normal weiterentwickelte.

      Von dem Unfall des Butlers hatte er in der Zeitung gelesen. Der Mann muss beim verbrennen des Gartenmülls so unglücklich gestürtzt sein, dass er sich dabei beide Arme und Beine so stark verbrannte, dass die Ärtzte keinen anderen Ausweg sahen, um ihm am Leben zu erhalten, als ihm diese kurzerhand zu amputieren. Ein hartes Schicksal und Sam verstand nur zu gut, wieso Sir Henry ihn nun zu sich bestellt hatte. Er hätte vermutlich nicht anders gehandelt.

      „Und nun zu Ihnen, Sam.“ stieß Sir Henry endlich zum Kern der Sache vor. „Durch puren Zufall habe ich erfahren, wer sie wirklich sind. Ich hatte mich immer schon gewundert, wieso sie bei meinen Presseterminen zwar anwesend sind, jedoch nie etwas mitschrieben und auch keine Redaktion sie kannte.“

      „Woher ...“

      „Nein, lassen Sie mich bitte aussprechen. Woher ich weiß, welcher Berufung sie nachgehen, tut hier nichts zur Sache. Ebensowenig, wie ich sie habe ausfinding machen können. Ich hab da halt so meine Quellen.“

      „Okay, lassen wir das.“

      „Sie sind meine letzte Chance. Bitte. Bitte übernehmen Sie den Fall. Ich bitte Sie aus tiefstem Herzen, machen sie diesem Spuk ein Ende.“

      „Wie hoch sind meine Gewinnchancen?“ wollte Sam Hohlbein wissen, mehr aus Gewohnheit, als das es ihn aufrichtig interessierte. Er hatte seinen Auftraggeber die ganze Zeit über studiert, ganz wie es seiner Routine entsprach. Dabei hatte er festgestellt, dass dieser unter einer panischen Angst litt, dass ihm der Tot seiner Ehegattin Amalia – sellig sei ihre Seele (Sam verdrehte innerlich die Augen bei dem Gedanken) – noch immer sehr nahe ging. Schon immer waren Sam die Gefühle anderer egal gewesen, ebenso wie er noch nie einen Mord aus Mitleid erledigt hatte, doch irgendetwas war hier anders. Auch wenn er nicht sofort zuzusagen gedachte, so war ihm bereits klar, dass er diesen Auftrag annehmen würde. Wieso konnte er selbst nicht wirklich sagen.

      „Ich wünschte, ich könnte Ihnen etwas anderes sagen, aber ihre Chancen stehen ... wenn sie so gut sind, wie alle behaupten ... vielleicht bei etwa Fünfzig zu Fünfzig.“ antworte Sir Henry. Er ahnte bereits, dass der Killer den Auftrag abzulehnen gedachte. „Ich weiß, dass Ihre Chancen nicht besonders gut stehen, aber ich bitte Sie trotzdem inständig, Sam, bitte machen Sie dem Spuk ein Ende, ein schön grausames Ende!“ Den letzten Satz spieh er förmlich hinaus.

      Sam Hohlbein zögerte einen kurzen Moment, durch den letzten Satz seines Gegenübers leicht verunsichert, doch dann antwortete er schließlich: „Ich werde Ihnen helfen, Sir Pelican.“

      Er stand langsam auf und schlenderte gedankenverloren auf die Glasvitrine am Ende des Raumes zu, um sich die beiden ‚Monster‘ einmal aus der Nähe anzuschauen. Sir Henry folgte ihm schweigend in seinem Rollstuhl.

      Noch immer verstand er nicht, wieso der Graf ihm eine solche unglaubwürdige Geschichte aufgetischt hatte, wo die einfache Wahrheit auch genügt hätte, damit er den Auftrag annahm. Und irgendwie ehrte es Sir Henry auch, dass er das Leid eines Angestellten beenden wollte.

      Sam hatte bereits weniger ehrhafte Mordaufträge übernommen, als diesen. Meistens spielte sogar Eifersucht oder Jobangst eine Rolle, wieso ein Mensch sterben musste. Dahingegen war dies doch schon fast wieder human. Nein, definitiv kein Grund, ihm eine solche mysteriöse Geschichte aufzutischen. Aber wenn es den alten Mann so angenehmer ist, seine Tat zu rechtfertigen, dann war es eben so.

      Aus der Nähe betrachtet konnte er erst so richtig erkennen, wie verdreckt die Glasvitrine tatsächlich war. Sofort beschlich ihn erneut ein sehr ungutes Gefühl, welches er sich immer weniger erklären konnte, ebensowenig wie er eine Ahnung hatte, wieso der Graf glaubte, dass ein körperlich behindertes Opfer seine Chancen auf Erfüllung des Auftrags irgendwie mindern würde. Aber das war ihm am Ende auch egal.

      Eine dicke Staubschicht hatte sich auf dem Boden der Vitrine abgesetzt und mittendrin saßen die beiden Teddys. Sofort fiel es ihm auf, ohne dass er es bewusst wahrnahm. Doch es ließ seine Eingeweide schmerzhaft zusammenkrampfen, was in einem kurzen Aufstöhnen endete.

      Die beiden Teddys sahen mehr als nur normal aus, wie Teddybären heutzutage eben aussahen. Sie waren weder besonders alt, noch besonders aussergewöhnlich. Ebenso sah er ihnen ihre Herkunft nicht an. Die beiden Bären ähnelten sich, unterschieden sich nur in der Kleidung die sie trugen. Sie waren beide hellbraun, der Eine etwas heller als der Andere, zumindest wirkte es so, aber er konnte es nicht mit Gewissheit sagen.

      Der Teddy zu seiner Linken trug einen dunkelblauen Overall, sowie eine französisch-anmutende Mütze. Beides aus Baumwolle gestrickt. Wohingegen der andere Bär ein weißes Leinenhemd trug, auf dem etwas in so kleinen Buchstaben stand, dass Sam sie nicht entziffern konnte. Dazu trug er eine schwarze, offene Lederjacke und eine Fliegermütze, ebenfalls aus schwarzem Leder.

      Als Kind hätte er sich bestimmt über sie gefreut, zumindest hätte er im Kindergarten bestimmt mit ihnen angeben können. Jedenfalls machte beide nicht den Eindruck auf ihn, sie seien brandgefährlich und hätten schon Morde hinter sich. Natürlich nicht, schließlich handelte es sich ja auch um zwei Stoffbären und nicht irgendwelche Horrorfilm-Monster. Von denen drohte weder ihm sonst noch irgendwem eine tödliche Gefahr, ganz gewiss nicht.

      „Das Aussehen täuscht“, flüsterte Sir Henry neben ihm.

      Einen kurzen Moment dachte Sam darüber nach, etwas zu erwiedern,