Der Fluch des Todes. Christian Bass. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Bass
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750205673
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und Weise ums Leben kamen. Sam hatte der Pressekonferenz damals beigewohnt, weniger, weil er es wollte, als viel eher, weil er sich gerade auf der Flucht befand und in der Menge der Journalisten ein sicheres Versteck fand. Nie hätte er sich erträumen lassen, dem Grafen einmal von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen, und doch sollte es nun dazu kommen. Auch wenn es ihm ein leichtes Unbehagen verschaffte, dass er nicht wusste, weswegen dieser alte Mann nun einen Auftragskiller brauchte.

      Noch immer fraß Sams BMW die Landstraße mit viel zu hoher Geschwindigkeit in sich hinein; ebenso wenig wie die Scheinwerfer noch immer nicht die Dunkelheit mit ihren hellen Strahlen durchschnitten. Ihm war durchaus bewusst, dass er so dem einen oder anderen entgegenkommendem Autofahrer auffiel und diese bestimmt irgendwann dies der Polizei meldeten. Aber er blieb nie lange auf einer Straße, um sich darüber sorgen zu machen. Bisher hatten sie ihn noch nie erwischt, obwohl er in beinahe jedem Land wegen Mordes gesucht wurde. Egal, in welchem Land er sich auch gerade aufhielt, sie bemerkten ihn immer erst, wenn er eine Leiche hinterließ.

      Sam Hohlbein schaute in den Rückspiegel seines Wagens und was er dort sah, beunruhigte ihn zutiefst. Von hinten – noch kaum erkennbar – näherte sich ein Streifenwagen mit Blaulicht. Der Schock hielt nicht lange an. Wozu hatte er ein Gaspedal und den neusten BMW, wenn nicht, um Peterwagen davonzufahren.

      Er beschleunigte auf über 200 Stundenkilometer.

      Ein weiterer Blick in den Rückspiegel genügte ihm, um seine Vermutung zu bestätigen: Sie hatten ihn noch nicht entdeckt, zumindest wurde das Blaulicht immer kleiner, bis es ganz aus seinem Blickfeld verschwand. Sofort drosselte er sein Tempo wieder, bis er nur noch knappe hundert fuhr. Es reichte aus, um der Polizei davonzufahren.

      Nach einer halben Stunde hatte er sein Ziel, die Villa Pelican Manor in der Holsteinischen Schweiz, erreicht.

      Es war ein riesiges Grundstück, in dessen Mitte die prunkvolle Villa stand. Einst hatte sie Adolf Kaufmann gehört, bis er sie vollkommen heruntergekommen zu einem Spottpreis an Sir Henry abtrat. Dieser hatte das alte Gebäude von grundauf saniert und umgebaut, sodass da nun ein märchenhaftes, herrliches Schloss stand, welches eher in eine englische Grafschaft passte, als in diese typisch Norddeutsche Kulisse.

      Sam Hohlbein vor bis zum schmiedeeisernen Tor vor, ließ sein Fenster herunterfahren und betätigte die Gegensprechanlage, woraufhin eine metallisch, verzerrte Stimme ihn aufforderte, seinen Namen und sein Anliegen zu nennen. Er nannte beides.

      Langsam öffnete das Tor sich. Sein Herz begann zu heftig zu pochen, was ein klarer Indiz dafür war, dass er in ein Gebiet eindrang, in dem ihm Gefahr drohte. Eine innere Stimme forderte ihn auf, dass er sofort umkehren sollte, doch wieder einmal verlor seine Vernunft gegen seine Neugierde. Auch wenn er sich noch nicht sicher war, dass er diesen Auftrag tatsächlich annehmen würde, so wollte er ihn sich auf jeden Fall einmal anhören. Dieser Mann interessierte ihn einfach, weniger aus beruflichen Gründen, als viel eher aus einer privaten Neugier heraus.

      Sam trat das Gaspedal durch, beschleunigte seinen BMW die kurze, gewundene Auffahrt hinauf, die durch einen kleinen Nadelwald führte, der die Villa von den Blicken vorbeispazierender Gaffer bewahrte, und bremste direkt vor dem breiten Eingang mit quietschenden Reifen ab.

      In einem Actionfilm wäre der Held nun aus dem Wagen gesprungen ... Nur dies war kein Actionfilm und Sam Hohlbein war auch alles andere als ein Held. Er blieb noch einen kurzen Moment hinterm Steuer sitzen, damit sein Herz sich beruhigen konnte. Das tat es aber nicht.

      Er atmete ein paar Mal tief durch, aber selbst das half nicht.

      Mit seiner rechten Hand tastete er nach seinem Herzen; es schlug wild gegen seine Brust. So etwas war ihm in seiner jahrzehntelanger Laufbahn als Killer noch nicht untergekommen. Noch nie zuvor war er derart nervös geworden vor einem Auftrag. Von irgendwoher drohte ihm Gefahr, erhebliche Gefahr, todbringende Gefahr. Die Stimme seiner Vernunft riet ihm eindringlich, mahnend, sofort das Weite zu suchen, schaffte es aber nicht, sich gegen seine Neugier zu behaupten.

      Sam Hohlbein fasste sich, öffnete die Wagentür und stieg hastig aus. Hinter sich schlug er sie zu, wollte den BMW mit dem Funkschlüssel verriegeln, entschied sich aber im letzten Moment dann doch dagegen. Kopfschüttelnd – die kühle Nachtluft tat ihm gut – ging er auf das riesige Eingangsportal zu. Direkt daneben wurde eine kleine, halbwegs versteckte Tür geöffnet und ein alter Mann mit schmalen, eingefallenem Gesicht, weißgrauen Haar und im Rollstuhl sitzend tauchte in seinem Blickfeld auf, winkte ihn zu sich heran. Sam erkannte ihn sofort, auch wenn Sir Henry nur noch ein Schatten seiner ehemals imposanten Figur war.

      „Kommen Sie herein, Herr Hohlbein!“ forderte dieser ihn auf.

      „Nennen Sie mich doch einfach Sam. Für Förmlichkeiten ist in meinem Business keine Zeit.“ Er ging an seinem Auftragsgeber vorbei, betrat die riesige Eingangshalle und blieb erst einmal stehen. Sellten hatte er einen solchen Prunk zu Gesicht bekommen und er musste zugeben, auch wenn ihm das einfache Leben in Plattenbausiedlungen mehr zusagte, dass es schon etwas hatte. Zumindest für eine gewisse Zeit konnte er sich bestimmt ebenfalls an ein solches Leben gewöhnen. Bestimmt sogar, nur halt nicht für immer.

      Sir Henry führte den Killer in den kleinen, versteckten Wohnraum, der vom riesigen Speisesaal der Villa abging. Dort verwies er ihn an einen großen, leicht verschlissenen Ledersessel und wartete darauf, dass Sam platznahm, was dieser mit einem höflich dankendem Kopfnicken auch tat.

      Sobald er platzgenommen hatte, rollte der Graf seinen Rollstuhl so in Position, dass sich beide gegenüber saßen. Er räusperte sich nach einer Weile, schluckte einmal heftig, dann begann er zu erzählen und ein richtiger Wortschwall platzte aus dem sonst so wortkargen, alten Mann hervor:

      „Sie müssen umbedingt einen Mord für mich ausführen. Es ist sehr wichtig für mich, wissen Sie, es geht um mein Leben. Ganz bestimmt sogar. Da will mich jemand aus dem Weg haben. Also ... ich glaube, es ist das Beste, wenn ich Ihnen die ganze Geschichte erzähle, Mister Hohl... ehm Sam. Einverstanden?“

      Der Killer nickte nur. Er mochte zwar keine langen Reden, aber wenn ein Auftraggeber ihm eine Geschichte mitzuteilen gedachte, dann musste er sie sich eben anhören. Dafür wurde er schließlich nicht schlecht bezahlt.

      „Okay“, fuhr Sir Henry fort, „es begann damals, ein Jahr bevor meine liebe Ehegattin Amalia – selig sei ihre Seele – verstarb. Sie hatte einen Teddybären Tick müssen Sie wissen. Aus mir unbegreiflichen Gründen liebte sie diese Stoffmonster einfach und konnte von ihnen auch nie genug bekommen.

      Wir waren gerade in Indien auf Erholungsreise, als sie diese beiden Bären entdeckte. Es muss auf einem Basar in Delhi gewesen sein, ist aber ja eigentlich egal. Auf jedenfall kaufte sie diese beiden Teddys für ihre damals schon riesige Sammlung. Und diese Bären hatten es in sich. Ich konnte es fühlen. Mein Herz raste jedesmal wie wild, wenn ich sie sah. Ich muss Ihnen wohl nicht sagen, dass ich sie vom ersten Tag an gehaßt habe. Und ich habe sie gehasst, wie sonst keinen anderen ihrer Stoffmonster, obwohl einige sehr angsteinflößende darunter waren. Ich habe sie gehasst, weil ich Angst vor ihnen hatte. Richtige Angst. Aber das kennen Sie ja bestimmt.“

      Sam Hohlbein nickte erneut. Er verstand dieses Gefühl sehr gut. Aus Angst hassen tut fast jeder einmal in seinem Leben, egal ob es die Angst vor den Fremden oder der eigenen Zukunft ist. Ja, er verstand es nur zu gut.

      „Ein Jahr später geschah es dann: Meine liebe Ehegattin Amalia – seelig sei ihre Seele – wurde auf heimtückische Art und Weise ermordet. Und die Mörder wurden nie gefasst, wie Sie ja sicherlich wissen. ... Sie brauchen gar nicht mit dem Kopf zu schütteln, ich weiss, dass Sie mich bereits seit längerem beobachten und verfolgen. Ein Mann in meiner Position bekommt so etwas natürlich mit.“

      Nur mit Mühe gelang es Sam den Impuls aufzustehen und sofort das Weite zu suchen, zu unterdrücken. Hier stimmte etwas ganz und gar nicht und das machte ihm Angst.

      Natürlich hatte Sir Henry recht und er kannte den Fall und wusste auch, dass damals als Todesursache ein Treppensturz ohne Fremdverschulden genannt wurde. Es kam ihm damals schon merkwürdig vor, wieso eine gesunde Frau in ihren besten Lebensjahren die Treppe herunterfiel. Wie viele andere, hatte auch er darauf spekuliert, dass der Ehemann