Große Füße. Lara Johnson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lara Johnson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844261233
Скачать книгу
ungespitzt in den Boden rammen. Dessen war ich mir sicher. Aus diesem Grund behielt ich meine Gedanken soweit es ging für mich. Lediglich Bettina und Maria wussten davon.

      So gut, wie seit meiner Trennung von Mirko, hatten wir uns allerdings vorher nie verstanden. Wir unterhielten uns auf einmal auch ganz normal, neckten uns nicht nur gegenseitig, sondern verstanden uns auch so ziemlich gut. Sicherlich war er nicht jedermanns Sache. Er nahm kein Blatt vor den Mund, war frech und ein Ferkel. Aber genau das waren einige der Dinge, die ich auch an ihm mochte. Mit der Zeit merkte ich, dass er auch noch eine andere, ganz tolle Seite hatte. Er war sehr hilfsbereit und das ganz ohne Gegenleistung. Mein Autoradio machte andauernd Faxen und er kümmerte, tat und machte, als wäre es selbstverständlich. Innerhalb von ein paar Monaten wurde er zu einem der wichtigsten Menschen die es für mich je gegeben hatte. Betrat er die Tankstelle, war für mich der Tag gerettet. Ganz egal, was ich für einen Ärger hatte, ganz egal wie traurig ich war, mit seinem Lächeln, seinen Blicken und seinem bekloppten Zeug, was er von sich gab, ließ er mich für diese Zeit alles Schlechte vergessen.

      Hätte mich jemand gefragt, wie ich mir meinen Traummann vorstelle, wäre Kai die richtige Antwort gewesen. Doch dazu konnte ich nicht stehen, denn alle um mich herum kannten ihn und auch seine Medusa. Er verkörperte genau das, was ich wollte und mir vorstellte. Eine Rarität von Mann.

      Seitdem mir dies bewusst wurde, begann ein Kampf gegen mich selbst. Ich versuchte mich täglich gegen meine Gefühle zu wehren. Jedes Mal wenn ich ihn sah und mir einbildete, auch bei ihm diese funkelnden Sternchen in den Augen zu sehen, sprach die Stimme in meinem Kopf zu mir: “Reiß dich zusammen, dass ist zwecklos, er ist vergeben, Mensch raffst du es nicht?” Ha, ha, verdammt, dieser Kampf war verloren, noch bevor er wirklich begann. Doch ich wollte es nicht wahr haben und gab echt alles um mich selbst zu besiegen.

      Sollte es nicht reichen, dass mein Herz schon Amok lief – nö, wieso auch - meine Hormone spielten ebenfalls verrückt, wenn ich ihn sah. Pah, was heißt, nur wenn ich ihn sah, auch wenn er mal nicht da war, dachte ich von da an jeden verfluchten Tag an ihn und seinen Matumbo (es hieß, er hätte ein wahres Prachtexemplar). In meiner Phantasie hatten wir schon an die hundertmal Sex, in sämtlichen Varianten, an sämtlichen Orten, zu jeder nur erdenklichen Tages- und Nachtzeit.

      In der Mittagspause in der Arbeit fing ich aus heiterem Himmel an zu grinsen, ohne es zu merken. Mein Kollege, der mit an meinem Tisch saß, hielt mich schon für völlig irre. Scheiß verdammtes Kopfkino. “Okay, okay, ruhig bleiben, sortiere deine Gedanken. Dagegen wehren macht es nur noch schlimmer”, dachte ich. “Akzeptiere es einfach und es geht von allein wieder weg, so war es doch immer, mit jedem anderen, weißt du nicht mehr? Ein paar Wochen und es ist alles vorbei”, versuchte ich mir einzureden. Selbst für sich Psychiater spielen hilft ab und an ein wenig. Na ja gut, ich versuchte auf dem Teppich zu bleiben, doch dies war leichter gesagt, als getan. Irgendwie brauchte ich ihn schon fast wie eine Droge, weil ich wusste er macht mir wieder gute Laune, denn es gab reichlich Menschen, die mir diese anscheinend zu der Zeit verderben wollten.

      Egal wie lange ich man­che Männer kannte, egal wie intensiv ich sie kannte, anscheinend ging der Trend einiger gerade dazu über, sich von mir abzuwenden und sich um 180 Grad zu drehen. Hätten sie Kontakt untereinander, würde ich fast sagen sie haben sich abgesprochen.

      Erst war es Mirko, mit dem ich sechs Jahre zusam­men war. Dicht gefolgt von Boris dem ich neun Jah­re lang alles nur Erdenkliche anvertrauen konnte. Und nun sollte den beiden wohl bald noch ein ande­rer folgen, welcher bis dato auch ein sehr wichtiger Mann in meinem Leben war. Ihn kannte ich seit Beginn meiner Ausbildung: Mein Vorar­beiter Frank.

      Kapitel 3

      Graboberflächen Design Feat. Blödsinn pur

      Die Arbeit war für mich ein wesentlicher Halt in dieser schweren Zeit. Wir waren wie eine Familie, zumindest ein Teil von uns. Mein Chef war ein Freund, kein Chef. Man schaffte es, harte Arbeit mit Fleiß und Kreativität zu leisten und diese auch an so manch regnerischen, kalten Tagen, mit Spaß und Schabernack zu verbinden.

      “Die hat nur Blödsinn im Kopf”, war ein Satz, den ich in der ganzen Zeit bestimmt 128.938 mal gehört hatte. An einem Ort, wo die meisten Besucher wohl eher Traurigkeit empfanden.

      Wenn mir vor zehn Jahren jemand ge­sagt hätte, dass ich mal auf einem Friedhof arbeiten würde, dem hätte ich sicher einen dicken Vogel ge­zeigt.

      Bettina fing die Ausbildung damals dort als Friedhofsgärtnerin an. Beim Ausreiten unterhielten wir uns über meine Weiterbildung. Eine Lehre als Mediengestalterin hatte ich gerade nach zwei Mona­ten wieder abgebrochen.

      Tja nun, wenn man acht Stunden täglich im Keller mit Oberlicht genau zwischen dem Büro des Chefs und dem sei­ner Gattin sitzt, die ebenfalls Chefin ist und die bei­den sich jeden Tag anschreien und sich über Pipifax streiten, dann ergreift man irgendwann die Flucht, zumindest tue ich das.

      Davor versuchte ich mich auch einmal als Erzieherin, doch schon als Kind fühlte ich mich nicht wohl im Kindergarten, wieso sollte es als Erwachsener anders sein.

      “Mach doch einfach mal ein Praktikum bei uns, vielleicht gefällt es dir ja”, meinte Bettina zu mir. “Ich? Totengräber? Ja, nee, ist klar”, antwortete ich schmunzelnd. Doch irgendwie weckte sie meine Neugierde. Schließlich ließ ich mich überreden und war absolut positiv überrascht. Es war unglaublich, wie nahe Tod und Trauer mit Lebendigkeit und Spaß an diesem Ort dicht beieinander lagen.

      Bis dato hatte ich für mein Alter schon recht viele Jobs gemacht und war dabei immer auf der Suche nach dem für mich perfekten Beruf. Erst verdiente ich meine Brötchen als Verkäuferin im Zoofachhandel, dann im Kaufhaus, im Lebensmittelladen und in einem Kiosk. Anschließend als Kassiererin bei einer Versicherung. Ich war Küchenhilfe in einer Kantine, Interviewerin für ein Marktforschungsinstitut, angehende Erzieherin in einem Kindergarten und zuletzt in verschiedenen Werbeagenturen tätig. Doch nirgendwo hatte ich soviel Spaß wie auf diesem Friedhof.

      Sicherlich hätte ich als Mediengestalterin mehr Geld verdient, doch das war und ist mir immer noch völlig gleich. Wichtiger war mir, mich wohlzufühlen.

      Es gibt nichts besseres, als an der frischen Luft zu arbeiten und den Tag wirklich auch als Tag zu erleben und nicht nur als acht Stunden im Büro oder in einer Kantine oder was auch immer es für ein geschlossener Raum sein mochte. Ja klar, gab es auch die extremen scheißnassen Tage, doch trotzdem war ich besser drauf, als irgendwo drinnen.

      Nach kürzester Zeit kam mir der Friedhof eher wie ein großer Park vor. Jeden morgen fuhr ich mit dem Minikipper raus und genoss die Vielfalt der Tiere, die Natur an sich und die Ruhe an diesem Ort. Es war so unglaublich schön den Arbeitstag im Freien zu verbringen, wenn die Sonne schien, der Wind durch die Bäume wehte und die Vögel zwitscherten oder man nur das Schreien des Bussards hörte. Der Friedhof war so groß und oft so Menschen leer, dass man manchmal stundenlang alleine war und sich ein wenig vorkam wie in der Wildnis. Ebenso cool war es allerdings auch mit dem Mp3 Player im Ohr über den Friedhof zu düsen und parallel zu seinen Aufgaben in Träumereien zu verfallen.

      Sicherlich war die Arbeit teilweise hart, vor allen Dingen zu Anfang. Doch gut angewandte Technik und ein paar Tricks, machten einiges schon viel leichter. Schnell hatte ich den Dreh perfekt raus. Ich arbeitete gut, sauber und schnell und hatte dadurch noch genug Zeit, um Spaß mit meinen Kollegen zu haben.

      Ich war sicher, dass ist der Beruf den ich für immer machen wollte. Jahrelang gab es keine großen Zweifel an meiner Entscheidung, obwohl die Dinge auch bei uns so langsam anfingen schlechter zu laufen. Immer mehr von meinen Kollegen wurden entlas­sen, immer wieder hieß es, wir haben kein Geld mehr. Obwohl die dadurch hinzukommende Mehrarbeit auf die restlichen Mitarbeiter verteilt wurde und der Druck immer mehr stieg, fühlte ich mich dennoch wohl.

      Wasserspiele im Sommer, Schneeballschlach­ten im Winter, mit Schuhcreme beschmierte Ma­schinensitze, Verarschereien an der Tagesordnung, halbe Essensschlachten in den Pausen und für dum­me Sprüche allzeit bereit. Das machte einem das Leben leichter.

      Mit Bettina konnte ich nur die ersten zwei Jahre zusammen arbeiten, bis sie