Große Füße. Lara Johnson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lara Johnson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844261233
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als er diesen Satz begann, dachte ich nur: “Mirko, was tust du da?” Ich war ge­rade dabei eine Freundschaft mit ihm zu versuchen und er dachte wohl offensichtlich wieder an eine Beziehung. “Ich mein, ich muss an meine Zukunft denken. Ich werde schließlich nicht jünger und will ja auch noch Kinder und so. Du könntest auch wie­der bei mir einziehen”, fügte er der ganzen Misere noch hinzu.

      Ich dachte ich höre nicht richtig, als er das sagte. Hätte ich mein Essen nicht schon aufge­habt, wäre ich vermutlich am Fleisch erstickt vor lauter Schreck. Irgendwie tat er mir zwar leid, irgendwie aber auch nicht. Wie konnte er nur so dumm sein und denken, ich würde nach dem ganzen Theater zwei Monate später wieder zu ihm zurückkommen wollen?

      “Ähm, Mirko, also ich bin doch gerade erst ausgezogen und habe 3000 Euro locker ausge­geben. Das mache ich doch nicht aus Spaß und Dol­lerei. Wo denkst du hin? Ich dachte wir versuchen hier uns eine Freundschaft aufzubauen. Sicherlich weiß ich auch nicht was kommt und wie sich die Dinge alle entwickeln, aber im Moment und das weißt du auch, empfinde ich keine Liebe oder ähnliches für dich”, antwortete ich freundlich jedoch bestimmend. “Ja dann ist es eben so”, sagte er sichtlich beleidigt. Dieser Satz war einer seiner liebsten. Nach dem Motto: Irgen­detwas versuchen zu ändern? Nö, viel zu anstrengend, dann ist es halt so. Gut dass der Abend sowieso zu Ende ging, dachte ich mir, denn seit diesem tollen Gespräch merkte man nämlich deutlich, wie sich der werte Herr wie­der anfing zu drehen. Er hatte für satte zwei Monate eine Maske aufgehabt und sein offensichtlich wah­res Gesicht konnte ich jetzt wieder ziemlich gut er­kennen.

      Einige Tage später waren wir noch einmal abends verabredet. Ein ganz normaler Besuch auf ein Tässchen Kaffee, mehr sollte es nicht werden. Die Stimmung war schon äußerst merkwürdig. Ich war wie immer gut drauf, er war zickig und hatte wie so oft schlechte Laune. Der nicht gerade passendste Zeit­punkt, um bei mir ein paar Annäherungsversuche zu starten. Sowieso törnte mich sein Gemütszustand eher ab als an. Er tat es trotzdem. “Mirko das geht bei mir nicht mehr. Wenn ich beim Sex anfange zu denken ist das schon schlecht. Freundschaft ja, aber mehr auch nicht”, teilte ich ihm in einem bis jetzt noch recht freundlichen Ton mit. “Ich weiß, du kannst nicht lang allein sein. Du wirst bestimmt je­manden finden, allerdings solltest du an dir ein we­nig arbeiten”, legte ich ihm nahe. Tick, tack, tick, tack, Booooooooooom, machte die Zeit­bombe in ihm. “Ich werd mich nicht mehr ändern, pfff”, schimpfte er laut mit diesem garstigen, angewi­derten Gesichtsausdruck. Und da war er dann wie­der, der alte Motzpuckel den ich vor Monaten verlassen hatte. Jetzt begriff er wohl erst richtig, dass ich keine Gefühle mehr für ihn hegte. “Du müsstest dich auch nur zu­rück entwickeln. Geändert hast du dich ja schon, zum Negativen allerdings. Oder du warst schon im­mer so und hast mir Jahre einen vorgespielt”, kack­te ich zurück. “Wenn dann will ich einen klaren Ab­schluss, dann lassen wir uns scheiden. Jetzt!!”, schrie er.

      Dieser aufgeblasene, gemeine, ungerechte Oberaffe. Er wusste genau, dass ich pleite war und eine Scheidung würde locker 2000 Euro kosten.

      “Das ist doch nur ein dummes Blatt Pa­pier, mehr nicht. Ich habe kein Geld”, erwiderte ich. Wenn ich es gehabt hätte, wäre es mir das größ­te Vergnügen gewesen und am nächsten Tag säße ich beim Anwalt. “Ja da kann ich ja nichts für, ich hab auch kein Geld”, antwortete der Oberaffe ziemlich arrogant. Ja, nee, ist klar. Ich wusste wie viel er hatte. Beim Aussortieren unserer Sachen habe ich noch einige Scheinchen von ihm im Schrank gefunden. Ich musste heulen, diesmal aber vor Wut und wegen meiner eigenen Blödheit, über die ich mich ärgerte. “Jetzt ist Schluss, ich hab kein Bock mehr. Scheiß auf Freundschaft”, waren meine letzten Worte, bevor ich schließlich mit einem Blutdruck von 240 und “Saw” Spielchen im Kopf seine Wohnung verließ. Ich fuhr zur Tanke, welche auf meinem Heimweg lag, um einen Kaffee dort zu trinken und mich abzuregen.

      Mit Tränen in den Augen betrat ich den Raum. Um diese späte Uhrzeit war Kundschaft eher rar. Es dau­erte keine zwei Minuten, da kam allerdings noch je­mand so spät an die Tankstelle um offensichtlich auch einen Kaffee zu trinken. Es war Kai. Kaaaaaaaaaaaaiiiiiiii, hmmmmmmmm ach Kai. Dieser Mann war etwas ganz besonderes für mich. Mein Blutdruck sank, meine gute Laune stieg rapide an und meine Hormone tanzten Salsa.

      Ich schwärmte schon länger von ihm und kannte ihn seit etwa zehn Jahren. Er gehörte zu der Gruppe “junger, gut aussehender Leute” vom Berg. Leider hatte er schon seit längerem eine feste Freundin und zwar eine ziemliche Madame Medusa.

      Seit meiner Trennung von Mirko ließ er sich wieder häufiger an der Tanke blicken. Zumindest bildete ich mir das ein. Doch ich könnte schwören, vorher war er nur selten dort anzutreffen.

      Kai schaffte es, wie so oft, mir in nur weni­gen Sekunden wieder ein Lächeln auf mein Gesicht zu zaubern. “Der Mirko ist doch bekloppt. Der war schon früher nicht ganz normal”, meinte Kai, als ich ihm erzählte, was gerade passiert war. Die beiden waren damals zu­sammen in einer Schule. “Schon allein was er im­mer für einen Scheiß in den bescheuerten Buschfunk schreibt, als wenn das jemanden interessieren wür­de”, sagte er kopfschüttelnd.

      Kurze Erläuterung: Der Buschfunk ist eine Art der Kommunikation bei meinVZ, wo jeder hineinschreiben kann, was er zum Beispiel gerade macht oder vor hat zu tun oder ein­fach nur, um ein Kommentar loszuwerden. Kurz und knapp meistens das mitteilt, was kein Schwein wissen will. Was mindestens genauso interessant ist, als wenn in China ein Sack Reis umfällt. Es gibt dort einige Experten, welche da ganz groß drin sind, den Freunden mitzuteilen, was sie gerade essen oder ob sie Kopfschmerzen haben. Mirko war einer dieser Experten, allerdings konnte es Medusa auch sehr gut. Kai und ich machten uns regelmäßig über diese Aktionen lustig. Irgendwie hatte ich so leicht das Gefühl, er wolle Mirko ein wenig eifersüchtig machen. Mir gefiel der Gedanke, ob ich nun richtig lag oder nicht. Ab sofort war mir mein Ex sowieso völlig egal geworden. Von nun an war für mich eines der wichtigsten Dinge am Tag, pünktlich um halb fünf nach der Arbeit an der Tanke meinen Kaffee zu trinken und Kai zu sehen.

      Ganz früher hielt ich ihn für einen Riesenspinner. Damals war eine Freundin von mir hinter ihm her, was ich nie nachvollziehen konnte. Es hieß immer: Da kommt der Bekloppte, der Durchgeknallte, der Asi. Furzen, rülpsen und sich daneben benehmen, ja das konnte er gut, mehr aber auch nicht.

      Als ich dann vor circa neun Jahren mit dieser besagten Freundin auf einem Osterfeuer eines Freundes war, wendete sich das Blatt komischerweise auf einmal. Um das Feuer herum waren keine Sitzgelegenheiten mehr vorhanden und neben uns saßen Kai und sein bester Freund Bernd. Sie baten uns an, auf ihrem Schoß Platz zu nehmen. Ich weiß gar nicht mehr wieso, aber anstatt zu Bernd, ging ich zu Kai und setzte mich. “Wollen wir nicht lieber tauschen?”, fragte Bernd Kai mit frechem Grinsen. “Nö, lass mal, mir gefällt das so besser!”, antwortete er und ich spürte seine Hände an meiner Hüfte. Seit diesem Moment dachte ich: “Irgendwie hat er was an sich, was mir unglaublich gefällt. Irgendwie ist er verdammt süß. Nein, du bist bescheuert, dass ist ein Vollasi hoch zehn.” Engelchen und Teufelchen kloppten sich in meinem Kopf. Engelchen gewann. Er wirkte auf einmal anders auf mich, irgendwie nett. Weiter gingen meine Gedanken allerdings damals nicht, schließlich war er vergeben.

      Im Laufe der Jahre lernte man sich zwar langsam, aber immer intensiver kennen. Er war ein Sprücheklopper wie er im Buche steht, genau wie ich. Selten traf ich Menschen mit denen es so schön möglich war, sich zu duellieren und gegenseitig zu ärgern, wie mit ihm.

      Vor zwei oder drei Jahren dann auf einer Party, tippte er mir am späten Abend auf die Schulter und ging drei Schritte zurück. Ich kam ihm nach und fragte: “Wie du willst schon gehen, warum?” “Ich muss zum Tierarzt mit meinem Hund morgen früh”, antwortete er. “Ich wollt dir noch sagen, dass das immer nur Spaß ist an der Tanke, nur damit du das weißt. Ich kann dich echt gut leiden”, sagte er mit einem solch ehrlichen Lächeln und seinen strahlenden Augen, so dass ich fast dahin schmolz. Dann gab er mir einen Kuss ziemlich nah an meinem Ohr, lächelte und ging. Ich war baff, grinste vermutlich wie ein Honigkuchenpferd und schwor mir diese Stelle in meinem Gesicht niemals mehr zu waschen. Scheiße noch mal war der süß. Und irgendwie hatte er etwas Verführerisches an sich, was mich damals schon reizte. “Verdammt, warum sind die besten Männer immer besetzt.”, ging mir durch den Kopf. Von da an schwärmte ich von ihm, aber dabei blieb es. Schließlich war es Tabu