Große Füße. Lara Johnson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lara Johnson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844261233
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dann wird mir schon was ein­fallen”, dachte ich und versuchte auf andere Gedan­ken zu kommen.

      Boris hatte zur selben Zeit Urlaub genommen, wie ich. Wir überlegten schon für ein paar Tage zusam­men weg zu fahren. Dagegen sprach aller­dings leider das liebe, nicht vorhandene Geld, mein TÜV-fälliges Auto, eine zu planende Hochzeit und ein komisches, mulmiges Gefühl in meiner Magen­gegend, wo sich die Ursache später noch für finden sollte.

      Wir beschlossen unseren Urlaub mit anderen schönen Dingen zu gestalten und da das Wetter auch hier spitzenmäßig war, ging das auch vollkommen in Ordnung. Boris besaß ein Motorrad und Beifahrer sein war meine große Leidenschaft. Fast jeden zweiten Tag fuhren wir damit zum See um uns zu erholen und um 'ne Runde Fisch zu spielen. Wasser war absolut mein Element. Egal ob Meer, See oder Fluss. Hauptsache es war nass. Und wenn ich Lust hatte sprang ich hinein, ob mit Bikini oder wie Gott mich schuf, war mir egal. Nicht immer ist man schließlich vorbereitet.

      Mit Boris war das kein Problem, Mirko fehlte dazu jede Form der Spontaneität. Auch mit ihm unternahm ich trotz Trennung solche Touren. Den Kontakt hatten wir bedingt wieder aufgenommen. Ich verbrachte also tagsüber die erste Zeit meines Urlaubs mit Mirko oder Boris oder beiden zusammen und abends beschäftigte ich mich mit dem Junggesellinnengedönse.

      Gott sei Dank bekam ich in puncto Trauzeuginnenverpflichtung Hilfe von Marias Cousine. Sie war, im Gegensatz zu mir, ein Organisati­onstalent für solche Dinge und hatte schon x-mal etwaige Feiern geplant und gestaltet. Mit ihrer Unterstützung konnte nichts schief gehen. Was mir al­lerdings schon die ganze Zeit viel mehr Sorgen machte, war die Frage wer mich zur Hochzeit be­gleiten sollte. Alleine wollte ich nicht dahin. Das alles war für mich eh schon schwer genug. Boris als Partie lag nahe, doch da war dieses komische Bauchgefühl. Also blieb nur einer übrig: Mirko! “Vielleicht wäre diese Variante auch die vernünftigste”, überlegte ich seufzend. Die Frage war nur, ob er sich darauf überhaupt einlassen würde. Einige Tage später traf ich ihn.

      “Mirkoooooooo, duuuuuuuuu, sag mal, hättest du vielleicht, eventuell, möglicherweise, ich meine, nur wenn du Lust hast, du musst ja auch nicht... ist jetzt nur 'ne Frage. Würdest du mit mir auf die Hochzeit von Maria und Michael gehen? Ich kann verstehen, wenn du nicht willst, aber ich dachte, wäre… vielleicht… ganz nett?”, druckste ich rum und blickte ihn an mit meinen kullerbraunen Augen, dabei ein unschuldiges Lächeln im Gesicht. “Ich weiß nicht, wäre schon komisch, keine Ahnung, überlege ich mir noch”, antwortete er. “Na toll, warum habe ich überhaupt gefragt, ich doofe Nuss. Nur weil Madame nicht genügend Arsch in der Hose hat, allein dort zu erscheinen”, ärgerte ich mich innerlich.

      Wie ich es hasste auf andere ange­wiesen zu sein. Man hat immer das Gefühl, es ir­gendwie wieder gut machen zu müssen. Oder wie jetzt in diesem Fall, hatte Mirko sicherlich geglaubt, ich würde ihn brauchen. Und das wollte ich ganz si­cher nicht damit ausdrücken. Na ist halt so, fertig. Was blieb mir übrig.

      “Sag mir aber bitte schnell Be­scheid, ansonsten frag ich jemanden anderes. Was ich ja eigentlich gar nicht will, aber das liegt bei dir”, war dann schließlich mein perfektes Schlussplädoy­er. Ganz ohne Hintergedanken natürlich. “Ja mach ich”, gab er als Antwort, “aber ich denke schon, dass ich mitkomme”. “Ha ätsch, gewonnen”, sprach die Stimme in meinem Kopf, doch sah er nur ein freundliches Lächeln und ein Nicken von mir. Gut, dass er meine Gedanken nicht lesen konnte.

      Ich genoss erst mal weiter meinen Urlaub und versuchte meine Gedanken zu sortieren. Einfacher gesagt als getan, wären da nicht diese kleinen Steinchen, die mir irgendwer auf einmal immer schön brav in den Weg schmiss. Manchmal waren es nur ein paar Kiesel und manchmal ganze Felsen. Nur wer hätte gedacht, dass diese Felsen aus dem Freundeskreis kamen, welche vor meine Füße fielen.

      Erst einmal gab es ein paar Steinchen des lieben Technischen Überwachungsvereins, welcher mein Auto als Schrottmöhre stempeln wollte. Ja gut bitte, es war ein altes Auto, mit einer extrem hässlichen Farbe in den Augen vieler Leute. Jedoch nicht für mich. Irgendwie hing ich an diesem Gefährt und von noch mehr Dingen wollte ich mich innerhalb von zwei Monaten eigentlich nicht unbedingt trennen. Außerdem war es mir immer treu und schließlich mein erstes Auto gewesen. Wenn mein Mann alt und grau und undicht ist, gebe ich ihn ja auch nicht einfach in die Presse und hol mir etwas Jüngeres, Schöneres.

      Die Liste der zu reparierenden Dinge war nicht lang, aber da klaffte dieses Loch in meiner Geldbörse. “Das lohnt sich nicht mehr, tu die Karre weg”, waren die Worte des Mechanikers, den ich schon Jahre kannte. “Wie viel?”, fragte ich. “500-600 Euro”, erwiderte er. Bing, mir schossen die Tränen in die Augen. Ich musste raus aus der Halle, vor anderen weinen war mir immer schon unangenehm. Zum Glück hatte ich noch meinen Roller. Keine Schönheit, aber wenigstens ein vorübergehender, fahrbarer Unter­satz.

      Auf diesen Schock brauchte ich dann erst mal einen Kaffee, den ich mir vor Ort in meiner Lieblingstankstelle genehmigte. Diese befand sich mit der dazugehörigen Werkstatt direkt neben dem Stall, wo mein Pferdchen untergebracht war.

      Seit circa 14 Jahren ging ich dort fast täglich ein und aus, kannte jeden, den einen mehr, den anderen weniger. Unter anderem wurde diese besagte Tankstelle auch als Treffpunkt genutzt für die etwas jüngere, 70er/80er Jahre geborene Generation des Dorfes. Es hatte sich irgendwann so eingebürgert, dass ich es mir zum Ritual machte dort jeden Tag nach der Arbeit meinen Kaffee zu trinken. Ich glaube dieser Kaffeeautomat war die reinste Goldgrube, so viele Leute wie es gab die dort Geld einwarfen.

      Als dann das heiß geliebte Koffein meine Blutbahn durchschoss, fing ich langsam an mich zu beruhigen. Sämtliches Grübeln und Heulen brachte sowieso nichts. “Also wozu aufregen, bezahle ich halt die Reparaturen”, dachte ich mir. “Klappt schon, hat immer irgendwie geklappt”, und relativ schnell war ich wieder gelöst und entspannt.

      Noch vor ein paar Monaten hätte ich mich tagelang darüber aufgeregt und rumgejammert, doch jetzt half mir der Gedanke ab und an, dass alles noch viel schlimmer kommen könnte und es auch irgendwann wieder besser laufen wird. Was solche Dinge betraf, war ich nun schon viel ruhiger geworden. Meistens zumindest. Gott sei Dank. Es funktionierte ja, irgendwie. Und eigentlich konnte ich trotzdem noch zufrieden sein. Zwar war das Geld knapp, doch ins Minus kam ich so gut wie nie. Meine Beziehung war gescheitert, aber besser jetzt, als erst in zehn Jahren. “Ich bin gesund, habe tolle Freunde, eine bomben Familie, 'nen coolen Job und mein eigenes Pferd. Also was will man mehr?”, dachte ich so vor mich her, in der Hoffnung mich dadurch ein wenig selbst beruhigen zu können.

      “Hhm, ja, da wäre schon noch eine Kleinigkeit zusätzlich zu der Misere mit dem Geld”, fuhr mir durch den Kopf, als ich mittlerweile schon auf dem Heimweg war. Ich vermisste Sex noch mehr als Zuneigung und zwar ganz enorm. “Ich bin doch echt total balla im Kopf. Anderen ging es viel schlechter, wissen heute nicht, ob sie morgen noch was zu essen haben und eine meiner größten Sorgen war, woher ich einen Matumbo bekomme”, schoss mir kopfschüttelnd durch die Birne.

      Soviel wie Homer Simpson an Donuts, dachte ich an Sex. Vermutlich konnte ich noch nicht einmal etwas dafür, vielleicht lag es an meinen Genen oder an einem zu hohen Hormonhaushalt, keine Ahnung. Zu der Zeit dachte ich mindestens an die dreißigmal pro Tag an Ferkeleien.

      Morgens beim Aufstehen, mein erster Gedanke: “Oh ja, Sex wäre jetzt nett.” Mein Zweiter: “Och nööö, aufstehen… gähn… erst mal Kaffee.” Und so weiter ging es: “Hhm, Sex. Guten Morgen Katzen. Waschen. Anziehen. Und jetzt ein lecker Kerlchen, das wäre schön”. So zog sich das im ständigen Wechsel mit alltäglichen Dingen über eine Dauer von 24 Stunden hinweg.

      Es gab zwar reichliche Gelegenheiten, wenn ich gewollt hätte, nur auf irgendeinen dahergelaufenen Typen hatte ich keine Lust. Sowieso war das alles nicht mehr so einfach für mich wie früher. Irgendwie fiel es mir immer schwerer mit jemandem zu schlafen ohne Gefühle für denjenigen zu haben. So ein Mist.

      Vor kurzem ergab sich noch ein, zweimal solch eine Testgelegenheit mit Mirko, wo ich merkte, dass so etwas bei mir nicht mehr ganz funktionierte. Nicht der Sex, sondern in meinem Kopf klappte es nicht mehr wirklich. Normalerweise konnte ich dabei sonst immer wunderbar abschalten und mich gehen lassen. Jetzt fiel mir immer mehr auf, dass ich währenddessen anfing zu denken und das war absolut