ATTENTI AL CANE! - e al padrone. T. F. Wilfried. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: T. F. Wilfried
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741827426
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Zustand anzustellen vermag.

      Kurts Schwester hatte ebenfalls nicht aus Norddeutschland zur Beerdigung kommen können. Sie war gerade hochschwanger mit dem zweiten Kind und hatte aufgrund ihrer Problemschwangerschaft absolutes Reiseverbot.

      Der Sozialpädagoge kümmerte sich darum, dass Kurt eine Amtsbetreuung erhielt, die sich um den Nachlass und den ganzen Schriftkram kümmern sollte. Denn Kurt war zur Überraschung aller Alleinerbe. Seine Mutter hatte die Tochter vor einigen Jahren ausbezahlt, weil sie wohl gedacht hatte, nur so könne sie sich vor den ständigen Bitten um Geld schützen.

      Im Gegenzug musste Kurts Schwester auf alle weiteren Ansprüche verzichten. Von dem Geld hatte die Schwester das heruntergekommene Gehöft in der Grafschaft Rantzau notdürftig renovieren lassen, in dem sie mit Kind, Roadie und einer Schar von Esoterikern eine Landkommune betrieb. Präzise ausgedrückt: herunterwirtschaftete.

      Das Gehöft gehörte zum Nachlass der Tante und war ihr durch die Mutter überschrieben worden. Es war dennoch nur eine Frage der Zeit, bis die letzten Reserven aus der Auszahlung aufgebraucht sein würden, von denen die gesamte Kommune lebte. Sieht man von staatlichen Transferleistungen und sehr bescheidenen Gewerbeeinnahmen einmal ab.

      Damit war auch klar: Ab jetzt würde Kurt von seiner Schwester um Geld angegangen werden.

      »Und wie ist Kurt jetzt nach Hamburg gekommen?«, unterbrach Tom-Tom entgegen guter Vorsätze dann doch den Sozialpädagogen. »Erzähl ich gleich. Jetzt muss ich erst mal pinkeln.« Und flugs entschwand der Sozialpädagoge auf die Toilette.

       7 – Mutti

      Mutti war ihr Planungsmonster. Mit anderen Worten: Was immer Mutti organisatorisch anging, hatte leichte, aber entscheidende Defizite im Detail. Kostprobe gefällig?

      Unvergessen sein Anruf über Handy kurz hinter Wildeshausen auf der A 1 bei Tom-Tom und dem Avvocato: »Fahrt ihr auch zum Pokalspiel, wir haben euch nämlich gerade überholt?« Was willst du darauf antworten? Als Tom-Tom dann auch noch ablehnen musste, auf dem Rastplatz Wildeshausen zwecks Kartenverteilung zu warten - sie waren ja gerade erst daran vorbeigerauscht! -, war Mutti vollends konfus.

      Getroffen haben sie sich natürlich trotzdem. Ganz regulär Abfahrt Hemelingen raus und in das Gewerbegebiet zu den Parkstreifen entlang der Shuttle-Bus-Linie in der verbotenen Stadt. Mutti kam mit dem geliehenen Neunsitzer kurz nach Tom-Tom und dem Avvocato an und hielt nur wenige Meter entfernt.

      Ganz ohne Show-Einlage blieb es dennoch nicht. Zwar konnte Mutti verhindern, dass seine Mitfahrer sich in die geöffnete Seitentür stellten, um aus dem fahrenden Bus zu pinkeln und so ihre Abneigung gegen alles, was grüne Trikots trug, der Welt kundzutun.

      Trotzdem konnten sie es sich nicht verkneifen, aus der offenen Tür immerhin kollektiv Schei... W... B... zu skandieren. DJ, der sich dabei im wahrsten Wortsinne zu sehr ins Zeug gelegt hatte - will heißen, er war quasi schon mehr aus dem Bus als noch darinnen - wurde von Muttis Bremsmanöver überrascht und landete als Erster an. Was bedeutete, er fiel schlichtweg wie ein nasser Sack aus dem einparkenden Bus.

      Ganz großer Stunt und peinlich allemal. Entgegen aller Vernunft und Gerechtigkeit ging die Nummer für DJ ohne größere Blessuren aus. Ob es daran lag, dass die Fußball-Götter auch Idioten beschützten. Ob es der bereits jetzt schon beachtliche Alkohol-Pegel war. Wie auch immer. Außer einer eingerissenen Hose und ein paar Schrammen hatte DJ keine weiteren Spätfolgen davongetragen. Rechnet man die höhnischen Beifallskundgebungen des Teils der Fans in Grün nicht unter verletzte Ehre. Für zumindest einen kurzen Zeitraum war DJ durch den Sturz sogar wieder halbwegs nüchtern.

      Blöd war nur, dass DJ erst im Shuttle merkte, dass er Brieftasche und damit Eintrittskarte im Neunsitzer hatte liegen lassen. Irgendwie konnte er dem Shuttle-Bus-Fahrer die Geschichte glaubhaft machen und durfte mit dem Shuttle wieder zurück zu den Parkplätzen fahren. Er schaffte es auch noch pünktlich zum Anpfiff in den Block.

      Komplett war die Fahrgemeinschaft aber dennoch nicht. Der Presbyter hatte einem der Polizisten unbedingt ein Gespräch aufzwingen wollen und ihn mit unverständlichem Anliegen zugetextet. Vielleicht hatte er ihm erklären wollen, wie traumatisierend die Farbe Grün auf ihn wirkte. Vielleicht wollte er auch nur die Handy-Nummer der hübschen Kollegin des Sheriffs haben. Beim Presbyter konnte man sich nie sicher sein.

      Der Vertreter des Rechtsstaates hatte sich jedenfalls kurzer Hand seines Machtmonopols besonnen und den Presbyter festgesetzt. Fing der Presbyter einmal an - ...komm Digger, lass mah auswärts fah'n... -, war er anders allerdings auch kaum zu stoppen. Es gab noch einige Touren, bei denen nicht wenige in der Truppe sich gewünscht hatten, den Presbyter ähnlich unkompliziert - wenigstens für eine Weile - außer Gefecht setzen zu können, wie es der Sheriff getan hatte.

      Für Mutti war der Tag spätestens ab da gelaufen. Er konnte es nicht haben, wenn nicht alle seine Schäfchen unter seiner direkten Obhut waren.

      Völlig hektisch ging es nach dem Spiel zur Polizeiwache, Presbyter auslösen. Dann auf die Bahn und möglichst schnell zurück, damit der Leihwagen noch vor zweiundzwanzig Uhr wieder abgegeben werden konnte. Ansonsten wäre das gesamte Wochenende zu bezahlen und der Kurzzeittarif hinfällig.

      Haben die Jungs natürlich nicht geschafft, wurde ein richtig teurer Boxen-, sorry: Burger-Stopp. Wegen Zeitverzug mussten die Burger unterwegs verdrückt werden. Irgendjemand wollte dann unbedingt seinen Burger tauschen: »Ey. Lass mah beißen!«

      Natürlich landete bei der Aktion eine ordentliche Portion Ketchup auf den Polstern. Bei dem Versuch, den Schaden zu begrenzen, zerplatzte obendrein noch eine Bierflasche. Der Inhalt ergoss sich gleich über zwei Sitzreihen. Womit klar war: Endreinigungspauschale von vierhundertfünfzig Euronen fällig. Keiner wollte es gewesen sein. Mutti sollte mal wieder auf dem Schaden sitzen bleiben.

      »Hab’s doch gleich gesagt: Asi-Ticket wäre besser gewesen!« »DJ, halt die Klappe. Asi-Ticket geht im Moment nicht! Schon vergessen? Zwei von euch haben Hausverbot bei der Deutschen Bahn seit der letzten Tour!« Immerhin hatte Mutti keine Beule in den Leihwagen gefahren. Machte er wohl immer nur bei seinem eigenen Auto.

      Besonders eindrucksvoll: Straßenlaterne rammen, Aufsatzleuchte kommt aus guten sieben Metern herab geschossen und landet fett auf der Motorhaube.

      Auch nicht schlecht: Weder Gang einlegen noch Handbremse anziehen. Hatte auf dem leicht abschüssigen Seitenstreifen in Mainz am alten Stadion am Bruchweg dazu geführt, dass Muttis Golf es eigenständig bis in die Grünanlagen des SWR-Funkhauses und da in einen kleinen Zierteich schaffte.

      Eigenständig heraus ging natürlich nicht. War schon gröberes Gerät im Einsatz. Die Stadiondurchsage »…der Fahrer des Wagens mit dem Kennzeichen…wird dringend gebeten, sein Fahrzeug umgehend aus dem Zierteich des Funkhauses zu entfernen...« musste dreimal wiederholt werden. Solange hatten sie gebraucht, Mutti wiederzubeleben.

      Eine letzte Episode? Mutti ruft Donnerstagabend Tom-Tom an und fragt, ob der den Holländer mitnehmen könne. Er selber würde wegen starker Erkältung nicht fahren. Sollten noch zwei weitere Oranje aus der Stammkneipe des Holländers mitkommen. Treffpunkt: Parkplatz Ausfahrt Oberhausen Lirich, A 3. Da würde Mutti die Holländer hinbringen und dann ganz schnell wieder Richtung Bett und Wadenwickel donnern.

      Schon mal früh morgens auf dem Parkplatz in Lirich gewesen? Jedermann weiß, dass dieser Parkplatz ein beliebter Schwulentreff ist. Mutti wusste das nicht.

      Als die Holländer hörten, dass Autotour anstelle Asi-Ticket angesagt sei, wollten sie nicht mehr mitkommen. Im Auto ist langweilig. Asi-Ticket heißt Party vor großem Publikum. Und das war für die Holländer der eigentliche Grund, zu Spielen des HSV zu fahren.

      Denn Party in Eindhoven, Amsterdam oder Enschede ist nicht. In der Eredivisie darf noch nicht einmal Bier ausgeschenkt werden. Ganz abgesehen vom rigorosen Eingreifen der Ordnungskräfte. Dem der Heimfans-Hooligans sowieso.