ATTENTI AL CANE! - e al padrone. T. F. Wilfried. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: T. F. Wilfried
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741827426
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Thema, wie es nun einmal seine Art war, leibhaftig hineingefressen. Er arbeitete Schaltpläne für Stroboskop-Kanonen heraus, dass es nur so krachte.

      Entwarf Nebelmaschinen, die mit flüssigem Kohlenstoffdioxid betrieben wurden, und kam über alledem kaum noch zur Ruhe.

      Nachdem seine ersten Prototypen beeindruckend funktionierten und er tatsächlich sein erstes Engagement in einer Vorortdisco erhalten hatte, machte es bei Kurt natürlich wieder klick. Zu schade für den Vorort war wohl eher vom Vater vererbt. Zu teuer, Kohlenstoffdioxyd nur für einen Disco-Auftritt zu bestellen, dann mehr die Schottennummer der Mutter.

      Also setzte sich Kurt in seinen Fiat Cinquecento und fuhr nach Düsseldorf zu Messer Griesheim, heute Air Liquide.

      Beim Pförtner bestellte er um Punkt zwei Uhr dreißig in der Früh zwei Tankwagen Kohlenstoffdioxid an die Lieferadresse seines Elternhauses. Der Pförtner gab die Bestellung brav weiter. Der Vertrieb verbuchte die Bestellung ebenfalls ordnungsgemäß, ohne Kurt als Erstbesteller, die Lieferanschrift, seine Bonität oder auch nur einen Handelsregistereintrag nachzuprüfen. Eilbestellung hatte der Pförtner dick unterstrichen vermerkt.

      Kurt musste wohl Eindruck gemacht haben. Schätzungsweise hatte er den sündhaft teuren Anzug getragen, welchen er für die Nummer auf Schloss Hugenpoet erstanden hatte. Und den Fiat wird er um die Ecke geparkt haben.

      Die Bestellung ging dann tatsächlich auf Tour. Am späten Donnerstagabend. Denn freitags sollte die Disco von Kurts Show elektrisiert werden. Doch die beiden Tanklastzüge hatten sich in den kleinen Anliegerstraßen der Siedlung, in der Kurt wohnte, hoffnungslos festgefahren. Alles dies war noch lange vor Handy und auch lange vor Navigationsgerät.

      Daher auch für die armen Schweine von Fahrer ohne Hilfe von oben kaum lösbar. Aber eines war den Fahrern auch zu dieser Zeit sofort klar: Hier gehörte die Lieferung keinesfalls hin und der Besteller mitsamt den Sachbearbeitern im eigenen Hause in die Klappsmühle.

      Gut, die Sachbearbeiter hat es nicht erwischt. Kurt dann schon. Auch wenn die Gesellschaft die Bezeichnung für Einrichtungen, welche für Menschen mit prägnant andersartiger Lebensauffassung vorgehalten werden, inzwischen deutlich weniger markant zu benennen pflegt.

       5 - Der Avvocato

      Kennengelernt hatte Tom-Tom den Avvocato über Mutti. Mutti war, wie der Name schon sagt, zuständig für Planung, Versorgung, Kartenbestellungen und häufig genug auch Kreditausschüttungen an den Haufen HSV-Fans, die sich im Großraum Niederrhein / Ruhrgebiet bis angrenzend Niederlande zu einer lockeren Fahr- und Feiergemeinschaft zu HSV-Spielen zusammengefunden hatte. Na ja, die Sache mit dem Feiern mussten sie in den letzten Jahren regelmäßig anderen überlassen.

      Tom-Tom war einige Jahre lang solo zu den Heim- und Auswärtsspielen des HSV gefahren. In den ersten Jahren noch mit seiner großen Reise-Enduro, danach mit einem 125er Roller, den er speziell für diverse Toskana-Urlaube gekauft hatte.

      Insbesondere der Roller hatte ihm, ohne dass er das zu diesem Zeitpunkt wissen konnte, in besagter Fahrgemeinschaft einen veritablen Respekt eingebracht. Denn die Jungs hatten ihn irgendwo bei Karlsruhe in nicht strömendem, sondern schon sintflutartigem Regen bei gefühlten Minustemperaturen von locker zehn Grad unter dem Nullpunkt auf dem Rückweg von Freiburg überholt.

      Erkannt hatten sie ihn als HSV-Fan aus dem Rheinland natürlich am Nummernschild und an der am Topcase befestigten Vereinsfahne. Alle Achtung, hatte damals der Avvocato, der am Steuer gesessen hatte, zu den anderen gesagt: »Datt ist aber mal echt 'en Harten.«

      Gut, mit Roller oder Motorrad zum Spiel war ja jetzt nicht so schlecht. Weder Stau unterwegs noch Parkplatzsuche waren jemals ein Thema. Doch erstens war alleine fahren echt öde. Und zweitens auch nicht gerade die günstigste Variante, so eurotechnisch gesehen.

      Also hatte Tom-Tom zu Beginn der neuen Saison im Forum unter Mitfahrgelegenheit gepostet:

      »Suche Mitfahrgelegenheit aus Großraum Düsseldorf zu allen Spielen des HSV. Bin bislang mit Roller solo unterwegs. Allein ist aber wenig kommunikativ, außer für den Geldautomaten.«

      Insbesondere die Sache mit dem Roller brachte einige Nachfragen von Fans aus dem Forum, die nicht glauben wollten, dass man bekloppt genug sein konnte, aus dem Rheinland nach Hamburg regelmäßig mit einem Roller anzureisen.

      Für Mutti war das alles gar kein Thema und auch keine Besonderheit. Er wollte nur ein weiteres Schäfchen unter seine Fittiche bringen. Und so wurde bereits das zweite Spiel der neuen Saison zu einer gemeinsamen Fahrt mit den Jungs und mit dem Avvocato.

      Mit dem Avvocato verstand Tom-Tom sich gleich vom ersten Moment an richtig gut. Er hatte diesen trockenen norddeutschen Humor. Gepaart mit inzwischen gut dreißig Jahren Überleben im Ruhrgebiet. Also echt en Töften, den so leicht nichts aus der Ruhe bringen konnte.

      Außer vielleicht, wir hatten gegen die blau-weiße Arroganz des Ruhrgebiets verloren und der Avvocato musste sich dutzende aufmunternde Short Messages seiner Kollegen gefallen lassen, die nahezu durchgängig Schalke-Fans und damit quasi von Geburt an bekloppt waren.

      Spätestens seit der Avvocato sich als kleiner Junge auf dem Weg zur Schule von mehreren - natürlich deutlich älteren - Schalke-Fans, die man auch ohne Trikot sofort am unsere-Eltern-gehen-zum-BVB-Syndrom erkennen konnte, einige Ohr-Watschen eingefangen hatte, weil er so dreist gewesen war, in der blau-weißen Sperrzone mit seinem nagelneuen HSV-Trikot zu Schule zu gehen, gab es für den Avvocato nur ein oberstes Saisonziel: Nicht gegen den blau-weißen Mob verlieren!

      Um das zu erreichen, wurden alle verfügbaren Fußball-Geister beschworen: Hatten sie den letzten Sieg unrasiert eingefahren, ging es natürlich unrasiert zum Spiel. Auch Nuancen konnten entscheidend sein: Drei-Tage-Bart oder nur die üblichen Wochenend-Stoppeln. Die Fußball-Götter nahmen die Abläufe sehr genau. Die kleinste Abweichung konnte dazu führen, dass auch die sorgfältigste Vorbereitung nicht von Erfolg gekrönt war.

      So hatten sie zuletzt das Derby in der Nähe von Delmenhorst sicher nur deswegen verloren, weil der Holländer dieses Mal auf dem Rücksitz gesessen hatte. Bei jedem erfolgreichen Derby zuvor - erfolgreich war natürlich schon jede knappe Niederlage! - hatte der Holländer immer auf dem Beifahrersitz gesessen.

      Da half dann auch die grüne Unterhose von Mutti nichts mehr, die er wie immer vor einem Derby ordentlich gelüftet hatte.

      Denn waschen hätte das Karma des letzten Unentschieden zerstört. Hätten sie im Vorhinein gewusst, wie wichtig der Holländer auf dem Beifahrersitz war, sie hätten ihn im Leben nicht auf die Rückbank verbannt.

      Da musste er sitzen, weil bei der Fahrt zum Derby in der Saison zuvor ein echt gravierendes Missgeschick geschehen war. Der Holländer hatte gerade die fünf Tickets für den Auswärts-Steher auf der Armaturenablage drapiert und wollte von Mutti, der am Steuer saß, wissen, wer noch an wen wie viel zu bezahlen hatte, bevor er sie verteilte.

      Vielleicht war es ein kleiner Schelmenstreich der Fußball-Götter, dass just in dem Moment der Presbyter auf dem Rücksitz, eingekeilt zwischen DJ und Mongo, einen derart hammerartigen Darm-Bengalo in die Welt entließ, dass »Presbyter, du Wildsau!« schreien und Fenster herunterfahren im Grunde beim Holländer eine einzige fließend natürliche Körperreaktion auslöste, die auch nicht mehr durch Muttis »bloß nicht das Fenster!« aufgehalten werden konnte.

      Jedenfalls lagen die fünf Tickets jetzt irgendwo zwischen Holdorf und Vechta verteilt auf der Autobahn. An ein Einsammeln war nicht zu denken und das Spiel damit abgesagt.

      Zurückfahren? Undenkbar. Das Spiel irgendwo in Delmenhorst in der Kneipe anschauen? Hallo? Geht’s noch? Was blieb? Gas geben, nach Hamburg durchfahren und das Spiel da in vertrauter Umgebung in einer Supporters-Kneipe anschauen.

      Ausreichend Platz müsste sein. Schließlich waren die meisten von denen einhundert Kilometer südlich