Geheimnisse. Heidi Oehlmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heidi Oehlmann
Издательство: Bookwire
Серия: Blind Dates & andere Katastrophen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750215924
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ertragen können.

      »Das glaube ich nicht«, flüstere ich, als Paul schon auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz ist.

      Da er nicht reagiert, denke ich, er hat meine letzten Worte nicht mehr gehört. Vielleicht ist es besser so, sonst würde er womöglich stundenlang mit mir über das Warum diskutieren. Darauf habe ich im Moment keine Lust. Ich will einfach nur noch meine Arbeit fertigmachen und dann ins Wochenende starten. Heute ist Freitag.

      Nach Feierabend treffe ich mich mit den Mädels in unserem Café. Das heißt, wenn sie nicht wieder kurz vorher absagen. Seitdem jede meiner Freundinnen einen festen Freund hat, veränderte sich alles. Wir sehen uns immer seltener. Unsere Treffen werden oft kurzfristig abgesagt, und wenn sie doch zufällig alle Zeit haben, geht es nur um ihre Männer. Ich fühle mich ständig verloren und überflüssig, wenn sie von ihren Beziehungen schwärmen. Zu dem Thema habe ich einfach nichts beizutragen. Es ist eben nicht so einfach als Einzige keinen Mann an seiner Seite zu haben, über den man etwas erzählen kann.

      Ganz schlimm wird es aber erst, wenn mir meine Freundinnen Tipps geben wollen, wie ich mir einen Mann angeln kann. Sie machen mir die unmöglichsten Vorschläge, wie ich mein Glück finden kann. Letztens hat Carmen mir tatsächlich vorgeschlagen, ich soll eine Zeitungsannonce aufgeben. Als ob ich es nötig hätte, mich so anzubieten. Ich könnte wetten, auf solche Bekanntschaftsanzeigen melden sich nur die Männer, die sonst keine Chancen in der Frauenwelt haben. Das muss ich mir nicht antun. Bevor ich so eine Anzeige aufgebe, bleibe ich lieber bis zu meinem Lebensende alleine. Ich verstehe nicht, warum die Mädels mich unbedingt an den Mann bringen wollen. Vor ihnen habe ich nie behauptet, ich würde einen Partner suchen. Da müssen sie mir keine schlauen Ratschläge erteilen. Unseren Pakt, dass jede von uns bis zu ihrem dreißigsten Geburtstag in festen Händen ist, habe ich von Anfang an nicht so ernst genommen. Schließlich ist Liebe nicht planbar. Entweder verliebt man sich oder eben nicht. Da hilft auch kein Pakt, um sich schneller zu verlieben.

      In diesen Momenten - wenn meine Freundinnen meinen, mir helfen zu müssen, nur weil sie zufällig gerade alle einen Freund haben - möchte ich am liebsten weglaufen und mich vor der ganzen Welt verstecken. Wie ich die Mädels kenne, würden sie mich aber finden und versuchen, mich zu bekehren.

      Ich bin jetzt schon gespannt, welche Vorschläge sie mir heute unterbreiten werden. Am liebsten würde ich das Treffen absagen, aber vielleicht kommt mir der Zufall zur Hilfe und es wird wieder kurzfristig abgesagt. Wundern würde es mich jedenfalls nicht.

      Plötzlich habe ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Ich spüre förmlich die Blicke, wie sie mich durchbohren. Es fühlt sich komisch an. In mir steigt ein Unbehagen auf.

      Ich schaue mich im Büro nach der Person um, die mich beobachtet. Es dauert nicht lange, bis ich fündig werde. Es ist Paul, der mich regelrecht anstarrt. Obwohl ich ihm direkt ins Gesicht sehe, wendet er seinen Blick nicht von mir ab. Ich an seiner Stelle hätte aus Anstand längst weggeschaut, wenn mich jemand dabei ertappt, wie ich ihn beobachte. Paul scheint es nicht zu stören. Mir ist schleierhaft, was er damit bezwecken will. Um mich nicht wieder seinen Fragen stellen zu müssen, drehe ich meinen Kopf schnell in Richtung Monitor, sonst kommt er noch auf die Idee, mich erneut bequatschen zu wollen. Vielleicht hätte ich ihm längst klipp und klar sagen sollen, dass ich nichts von ihm will. Dann würde er endlich aufhören, mich ständig anzubaggern und ich hätte meine Ruhe vor ihm, aber ich habe Angst, wie er auf einen Korb reagieren könnte. So wie ich ihn einschätze, wird er sich keine Abfuhr gefallen lassen. Er wird es nicht gewöhnt sein, dass ihn Frauen einfach so abblitzen lassen. Ich möchte nicht wissen, wie viele von den Kolleginnen schon mit ihm aus waren, seit er am Montag bei uns angefangen hat. Einige von den Frauen, die hier arbeiten, scheinen in der Tat nicht von ihm abgeneigt zu sein. Das kann ich in ihren Augen sehen. Ich glaube sogar, eine bestimmte Kollegin geht absichtlich öfter an seinem Schreibtisch vorbei, als sie müsste, nur damit Paul sie wahrnimmt. Zugeben würde sie das natürlich nie. Sie ist ohnehin merkwürdig. Manchmal sagt sie Sachen, die für mich einfach keinen Sinn ergeben. Deshalb versuche ich, ihr aus dem Weg zu gehen und nur mit ihr zu kommunizieren, wenn es sich nicht vermeiden lässt.

       Soll er doch mit ihr ausgehen und mich ein für alle Mal in Ruhe lassen! Lieber mit ihr als mit mir.

      Ich schiele erneut zu ihm rüber und sehe, wie er mich immer noch anstarrt. Anscheinend hat er nichts zu tun. Dabei müsste sein Schreibtisch überquellen vor Arbeit.

      Wenn er mich jetzt schon wieder so anschaut, wird es nicht lange dauern, bis er mich erneut fragt, ob ich mit ihm weggehen will.

      Marta, konzentriere dich endlich auf deine Arbeit!, ermahne ich mich selbst.

      Ich schaue erneut auf meinen Monitor und versuche mich auf die Werbekampagne, an der ich gerade arbeite, zu konzentrieren. Um so eher ich sie fertiggestellt habe, desto früher komme ich heute hier raus.

      Nach einer Weile gelingt es mir tatsächlich, mich in meine Arbeit zu vertiefen.

      2. Kapitel - Marta

       So ein Mist, ausgerechnet heute findet das Treffen statt!

      Ich hatte bis zuletzt gehofft, eine meiner Freundinnen würde mich anrufen und absagen, bevor ich mich auf den Weg ins Café mache. Aber das passierte nicht. Nun werde ich mir gleich wieder anhören können, was ich alles machen könnte, um den Richtigen zu finden. Ich höre ihre Stimmen schon in meinem Kopf, wie sie mir die abstrusesten Vorschläge unterbreiten.

      Seitdem die Mädels vergeben sind, tun sie so, als wären sie alle Profis in Sachen Liebe und hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen. Dabei war es bei ihnen einzig und allein das Schicksal, was sie zu ihren Freunden führte. Und ob es bei jeder von ihnen der Mann fürs Leben ist, muss sich erst noch herausstellen. Außer Carmen, die mit ihrem Karl eine ganze Weile zusammen ist, sind die Beziehungen der anderen noch relativ frisch.

      Ich kann das Café auf der anderen Straßenseite schon sehen und haste über die Straße. Dann verringere ich meine Geschwindigkeit und gehe langsam an der Glasfront des Cafés vorbei zum Eingang. Durch die Glasscheibe schaue ich zu unserem Stammtisch. Ich kann Sybille, Carmen und Lisa sehen, die schon am Tisch sitzen. Mia scheint nicht da zu sein. Sie wird sicherlich noch kommen. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie jemals vor uns anderen da war. Seitdem sie mit Konstantin zusammen ist und ihren eigenen Laden hat, kommt sie noch später als früher.

      Ich öffne die Tür des Cafés und gehe zielgerichtet auf meine Freundinnen zu. Von Weitem kann ich ihre gute Laune hören. Sie kichern regelrecht um die Wette.

      Erst, als ich unmittelbar vor dem Tisch stehe, nehmen sie mich wahr.

      »Hallo zusammen!«, sage ich und setze mich.

      »Hallo Marta«, kreischt Carmen.

      »Hi!«, antwortet Lisa.

      »Hi Marta! Na, ist alles klar bei dir?«, fragt Sybille und grinst mich an.

      »Ja, klar. Es ist alles wie immer und bei euch?«

      »Bei uns ist auch alles im grünen Bereich, wie man sieht«, antwortet Sybille lachend.

      »Das ist schön! Ist Mia noch nicht da?«

      »Nein, du kennst sie ja. Sie wird bestimmt jeden Moment kommen«, antwortet dieses Mal Carmen.

      »Ja, sicher«, sage ich, setze mich und winke der Kellnerin zu, um mir etwas zu trinken zu bestellen. Meine Kehle ist so trocken von der Hetzerei hierher, dass ich unbedingt ein Glas Wasser brauche.

      Die anderen Mädels haben sich ihre Getränke bereits bestellt. Wer weiß, seit wann sie schon da sind. Na ja, von ihnen muss keine so lange arbeiten, wie ich und Mia. Sie haben alle spätestens um sechzehn Uhr Feierabend und können sich, bevor sie ins Café kommen noch akklimatisieren.

      Ich saß bis vor einigen Minuten noch an meinem Schreibtisch, um den Auftrag abzuarbeiten. Es dauerte wesentlich länger als erwartet. Vielleicht waren auch Pauls Blicke schuld daran, dass ich eine Weile brauchte, bis ich mich so richtig konzentrieren konnte. Er nervte mich tatsächlich noch bis zum Feierabend, indem er