Doppel-Infarkt. Arnulf Meyer-Piening. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Arnulf Meyer-Piening
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750261297
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Nur eine halbe Stunde, dann kannst du dich hinlegen, ausruhen, abschalten.

      Vielleicht hätten wir doch unser Haus in Homberg bei Ratingen behalten sollen, dann könnte ich jetzt nach Hause gehen. Aber so war es nicht gekommen. Wir waren nach Stuttgart gezogen, weil ich dort die Niederlassung von Kanders für drei Jahre leiten sollte. Unser Haus hatten wir während der ersten Jahre vermietet, weil wir anschließend zurückkehren wollten. Aber das erwies sich als nicht besonders sinnvoll, denn der erste Mieter zahlte die Miete nicht und der andere ließ das schöne Haus verkommen. Schließlich entschlossen wir uns schweren Herzens, unser Haus in Homberg zu verkaufen. In Stuttgart aber kauften wir keines, weil es dort so teuer war und mieteten stattdessen ein Haus am Stadtrand. Das war ein schwerer Fehler gewesen, denn aus den geplanten drei Jahren wurden vierzehn. Die Miete hätten wir lieber gespart und dafür ein eigenes Haus gehabt. Aber jetzt will ich nicht über verschüttete Milch nachdenken. Was vorbei ist, ist vorbei!

      Als ich mich erhoben hatte, wurde mir schwindelig, es kreiste alles um mich. Ich musste mich wieder setzen, meine Brust zog sich zusammen, ich rang nach Atem, dann verlor ich das Bewusstsein.

      Umwandlung der Rechtsform

       Die Umwandlung der Pauli GmbH in eine Aktiengesellschaft erfolgte zum Ende des Jahres. Es waren Wochen und Monate harter Arbeit für die Geschäftsführer, insbesondere aber Für Dr. Pauli und Dr. Kramen, gewesen. Sie hatten sich zwangsläufig aus dem operativen Geschäft der einzelnen Gesellschaften zurückgezogen und konzentrierten ihre ganze Energie auf die Gespräche mit den Banken und den Anteilseignern. Sie machten die ganze Arbeit fast allein jedenfalls hatten sie keinen Berater zu ihrer Unterstützung eingeschaltet. Letztlich verlief alles positiv, die Arbeit hatte sich gelohnt.

       „Wir haben es geschafft“, sagte Dr. Pauli zufrieden zu seinem Kollegen, und sie feierten das Ereignis mit einem gemeinsamen Essen in der ‘Traube‘.

       Pauli und Kramer waren nun Vorstände in einer publizitätspflichtigen Aktiengesellschaft, deren Aktien an der Börse gehandelt wurden. Sie gewannen dadurch einen bedeutenderen gesellschaftlichen Rang, ihr Ansehen wuchs erheblich. Im Innenverhältnis änderte sich nicht viel, im Außenverhältnis dagegen manches: Es gab neue einflussreiche Kapitalgeber, die Miteigentümer ‘seiner‘ Firma waren, deren Informationsbedürfnis befriedigt werden musste. Vor allem musste man an die Vorbereitung der ersten Hauptversammlung denken, man brauchte auch einen Aufsichtsrat.

       Im Zusammenwirken mit den Banken, vor allem die German Bank hatte ein namhaftes Aktienpaket erworben, welches sie nach und nach über die Börse veräußern würde, gelang es relativ schnell, einen Kreis hervorragender Geschäftsleute in den Aufsichtsrat zu entsenden. Da auch die Versicherungsgesellschaft, ‘Württemberger Leben‘, die seit Jahren einen bedeutenden Anteil am Grundkapital der Pauli GmbH gehalten hatte, ihren Gesellschaftsanteil in ein Aktienpaket umgewandelt hatte, schickte auch sie, ein Vorstandsmitglied in den Aufsichtsrat. Auch Wirtschaftsprüfer Dr. Schubert war mit dabei, ebenso das ehemalige Beiratsmitglied Prof. Bertram.

       Dr. Pauli selbst besaß knapp die Hälfte der Kapitalanteile an ‘seiner‘ Firma. Gemeinsam mit seinem Geschäftsfreund Erbracht, ein langjähriger stiller Teilhaber, der nie aktiv in die Geschäftspolitik eingegriffen hatte, hatte er allerdings die Kapitalmehrheit. Erbracht und Pauli hatten sich gegenseitig Stimmbindung zugesichert, mit der Maßgabe, dass keiner der beiden irgendwelche Entscheidungen fällte oder Maßnahmen ergriff, welche die Interessen des anderen nachteilig berührte. Erbracht aber hatte deutlich gemacht, dass er sich nach und nach von seinem Aktienpaket trennen werde, wenn die Kursentwicklung es erlaubte.

       Die ‘Württemberger Leben‘ verfolgte nur das Ziel, einer sicheren, hochverzinslichen Geldanlage und, griff nicht in die Geschäftspolitik ein. Mit Herrn Erbracht verband Pauli eine enge Partnerschaft, auch von dieser Seite waren keine direkten Eingriffe in das unternehmerische Handeln zu erwarten, jedenfalls nicht, solange die Dividende höher war, als die langfristige Kapitalverzinsung der Bundesanleihen. Insofern hatten die Vorstände vollkommen freie Hand in der Gestaltung der Geschäftspolitik. Das sollte, insbesondere nach Willen von Dr. Pauli, unter allen Umständen auch so bleiben. Darauf war ihr ganzes Handeln ausgerichtet.

       Die beiden Vorstände der neu gegründeten Pauli AG kümmerten sich um die Außenbeziehungen, sie verhandelten mit Steueranwälten und Wirtschaftsprüfern, mit Vertretern der Landesregierung, des Verteidigungsministeriums und der Banken. Das Tagesgeschäft war für sie weitgehend in den Hintergrund gerückt. Sie hatten nur noch Zeit, sich um die wichtigsten Geschäfte zu kümmern.

       Die Vorsitzenden der Geschäftsführungen der wichtigsten Tochtergesellschaften, Fritz Pauli und Dr. Oderbruch, und Dr. Winter waren gemeinsam mit ihren Kollegen für das laufende Geschäft ihrer Gesellschaften verantwortlich und berichteten dem Vorstand über den Geschäftsverlauf in größeren Zeitabständen, meist aber unter Zeitdruck und ziemlich global: Die Geschäfte laufen schwierig, aber man sei im Plan, lautete gleichbleibend die Antwort auf entsprechende Fragen des Vorstands. Auch sie arbeiteten nach dem bewährten Strickmuster: Frag mich nicht, lass mich in Ruhe arbeiten, ich sage dir schon, was du wissen musst. Und wenn ich etwas brauche, dann komme ich zu dir!

       Das monatliche Berichtswesen zeigte einen normalen Geschäftsgang mit planmäßigen Auftragseingängen und stetigen Umsätzen. Die Ergebnisse waren allerdings schlechter, als geplant. Darauf angesprochen kam eine beschwichtigende Antwort: Man werde die festgelegten Ziele wie gewohnt zum Jahresende erreichen, das Hauptgeschäft werde wie gewöhnlich erst in den letzten drei Monaten des Jahres gemacht. Dies sei zum Teil die Folge der erst zum Jahresende abgerechneten Entwicklungsprojekte mit dem BWB, aber auch die großen Maschinenbaufirmen bestellten oft in den letzten Monaten fast ein Drittel des Jahresbedarfs. Insofern gab es für den Vorstand keinen Grund zur Beunruhigung.

       Dr. Pauli hatte den geplanten Beratungsauftrag an Kanders in der Hektik der vergangenen Wochen aus den Augen verloren und stellte das Thema auf einer Besprechung mit seinen Geschäftsführern noch einmal zur Diskussion. Das Ergebnis war eindeutig: Man könne in der augenblicklichen Situation, in der alle bis an den Rand der Erschöpfung arbeiteten, nicht auch noch Zeit für einen Berater verwenden. Außerdem koste er viel Geld, das man anderweitig besser investieren könne. Der Nutzen der Untersuchung sei sowieso ungewiss, man kenne selbst die Schwachstellen und sei dabei, sie zu beseitigen.

       Dr. Pauli rief im Anschluss an die Besprechung Herrn Beyer an und teilte ihm mit, dass er seine Firma in eine AG umgewandelt und er deshalb keine Zeit gefunden habe, mit ihm über den Beratungsauftrag zu sprechen. Beyer beglückwünschte ihm zu seinem Entschluss, er habe die positive Kursentwicklung ‘im geregelten Markt‘ bereits mit Freude zur Kenntnis genommen. Pauli bedankte sich für die guten Wünschen.

       Für die Pauli AG ergaben sich durch die vergrößerte Kapitalbasis einige interessante Diversifikationsmöglichkeiten in verwandten Geschäftsgebieten. An der Firma ‘Electronic Components Ltd. Dublin‘ konnte für 3 Millionen Mark die Kapitalmehrheit erworben werden. Sie wurde als bereichsübergreifende Produktionsgesellschaft in den Konzern eingegliedert. Das Unternehmen ‘passte‘ aus steuerlichen Gründen gut in die Firmenstruktur und man wurde sich nach Rücksprache mit dem Aufsichtsrat schnell einig. Der Kaufpreis wurde mit Hilfe von günstigen Krediten aus dem Strukturfond der Europäischen Gemeinschaft finanziert.

       Nachteilig an der divisionalen Organisationsstruktur war, dass vorhandene Synergien zwischen den einzelnen Gesellschaften nicht genutzt wurden. Die neue Gesellschaft war lediglich eine Beteiligungsgesellschaft, bei der die Konzerngesellschaften kauften, wenn es aus ihrer Sicht vorteilhaft erschien, oder nicht kauften, wenn andere Lieferanten günstiger waren. Daher war die neu erworbene Firma nur unzureichend in das operative Geschäft eingebunden. Dadurch wurden die erwarteten Synergie-Vorteile einer bereichsübergreifenden Fertigung durch größere Serien von Gleichteilen und einheitlichen Baugruppen verspielt.

       In den angestammten Geschäftsgebieten ergaben sich durch das leichter verfügbare Kapital vielfältige Chancen,