Pfad des Feuers. Alexander Mosca Spatz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexander Mosca Spatz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844260304
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schlimmer kommen können …

      Wäre er in der Unterstadt herausgekommen, hätte das im Prinzip keinen Unterschied zur Hafenstadt gemacht. Hier in der Oberstadt jedoch, gab es Wachen und Gardisten, die durch die Straßen und Gassen patrouillierten, damit die Adeligen und Reichen der Hauptstadt ruhig schlafen konnten.

      Sirian verließ die Gasse, von der aus man in die Kanalisation gelangte, trat auf eine der großen Straßen der Oberstadt und machte sich daran, zwischen den Ausgang der Kanalisation und sich so viel Entfernung zu legen, wie ihm nur irgend möglich war.

      Er kannte nur einen einzigen Mann in der Oberstadt, der unter Umständen bereit wäre, ihn kurz aufzunehmen, damit er sich wenigstens waschen konnte.

      Das Haus, das er suchte, stand am Ende der Straße und der Mann, zu dem er wollte, war ein gewisser Liyold. Er hatte Sirian damals aus dem Ghetto der Hafenstadt herausgeholt und in ein Ausbildungslager des Ordens geschmuggelt, wo man ihn für einen jungen Adepten hielt und ausbildete. Liyold war ein guter Freund seines Vaters gewesen und als dieser in Sirians dreizehntem Lebensjahr gestorben war, hatte Liyold das für ihn getan.

      Kurz darauf hatte man den Betrug aufgedeckt, Sirian verhaftet und Liyold aus dem Orden ausgeschlossen. Seitdem hatte er ihn nur zwei weitere Male gesehen, das letzte Mal beim Begräbnis von Liyolds Frau.

      Wäre Liyold nicht ein guter Freund Aarons gewesen, dann hätte es niemanden gegeben, der ihn aufgenommen hätte, eher im Gegenteil – er säße bis heute im Kerker.

      Ekel überkam Sirian, als er an die Beerdigung von Liyolds Ehefrau dachte; man hatte sie in weiße Tücher gewickelt und einfach ins Meer geworfen, als wäre sie nicht mehr als Dreck, den es zu beseitigen galt. Zu jener Zeit hatte man Liyold wieder freigelassen in Rücksicht auf die lange Karriere im Ordens, die Liyold hinter sich hatte.

      Liyolds Haus lag etwas abseits der anderen und fiel vor allem durch seine einfache Bauweise auf. Im Grunde war es ein Haus, wie man es in der Unterstadt fand, nur sah es nicht aus, als würde es bald zusammenfallen. Kalter Wind fegte durch die Straßen und Sirians Kleidung knirschte bei jeder Bewegung, da das Wasser in ihr langsam zu gefrieren begann. Zitternd schlang er die Arme um seinen Oberkörper, trat durch den kleinen Vorgarten und klopfte laut an die Tür.

      Bitte sei da!, flehte Sirian in Gedanken.

      Nervös sah sich Sirian über die Schulter, die Straße entlang. Niemand. Nicht einmal ein einziges Geräusch ertönte, nichts. Es war eine vollkommen ruhige Nacht. Von der anderen Seite der Tür her drangen die Geräusche schlurfender Schritte an Sirians Ohr, jemand fluchte leise, dann öffnete sich die Tür einen Spalt breit und jemand lugte vorsichtig heraus; Sirian atmete erleichtert aus.

      „Wer da?“, knurrte eine kratzige Männerstimme leise und Sirian erkannte sie sofort wieder.

      „Ich bin's! Sirian! Bitte, mach die Tür auf, Liyold!“, antwortete Sirian ebenso leise.

      Die Tür wurde aufgerissen und an ihrer Stelle erschien ein etwas kleinerer Mann mit langem grauen Haar, das er im Nacken zusammengebunden hatte. Obwohl er zweifellos alt war, strahlte er noch immer dieses gewisse Etwas aus. Man hatte sofort das Gefühl vor einer Respektsperson zu stehen, wenn man Liyold sah.

      Wahrscheinlich ein Grund dafür, dass er es im Orden einmal so weit gebracht hat …

      „Sirian? Was im Namen des Letzten Herrschers machst du hier?“

      Liyold verzog sein Gesicht, rümpfte die Nase und wandte kurz den Blick ab.

      „Und wo hast du dich verdammt nochmal herum getrieben? Du stinkst widerlicher, als das Bordell in den Slums!“

      Sirians Augenbrauen wanderten in die Höhe und unwillkürlich brachte er ein schwaches Lächeln zustande, wenngleich sein Körper gleich den Dienst zu versagen schien.

      „Woher weißt du, wie es in dem Slumbordell riecht?“

      Liyold schnaubte verächtlich, stützte sich auf den Gehstock, den Sirian erst jetzt bemerkte und musterte Sirian abschätzend.

      „Vom Hörensagen – und jetzt sag mir sofort, was du hier willst, oder ich setze dich an die frische Luft!“

      „Ich bin am Erfrieren, Liyold. Viel schlimmer könnte es nicht werden …“, Sirian trat einen Schritt näher, schloss kurz die Augen, bevor er weitersprach.

      „Bitte, lass mich rein! Ich habe mächtigen Ärger am Hals, wenn du mich nicht rein lässt …“

      „Das ist nur ein weiterer Grund, dich nicht rein zu lassen! Mach dich vom Acker, sonst weckst du meine Frau!“, unterbrach Liyold Sirian mürrisch und schickte sich an, die Tür zu schließen.

      Sirian streckte eine zitternde Hand nach der Tür aus, drückte dagegen und starrte Liyold eindringlich in die Augen.

      „Ich war auf dem Begräbnis deiner Frau Liyold. Bitte lass mich rein. Melanie wurde ermordet …“

      Liyold hielt inne, starrte Sirian verblüfft an, dann seufzte er leise und winkte Sirian herein.

      „Ach verdammt, dann geh schon rein, aber fass' nichts an! In meiner Wohnung steht noch von heute Nachmittag ein Zuber, spring da rein! Der Gestank ist unerträglich!“

      Dankbar nickte Sirian, betrat das Haus und schloss hinter sich die Tür.

      Das ganze Haus war voller Skulpturen, Gemälde und antiker Waffen und es fiel Sirian wirklich schwer, nichts anzufassen. Er wusste, dass Liyold im Kontinent weit herumgekommen war, weiter als jeder andere, den er kannte. Laut seinen Erzählungen und den Artefakten hier war er schon in allen Königreichen gewesen, bis auf Iridania, das große Kaiserreich, die ewige Wüste. Leute aus dem Norden waren dort nicht gerne gesehen und galten allgemein als vogelfrei.

      „Ich sagte 'fasse nichts an' und geh in den verfluchten Zuber! Ich habe keine Lust heute noch einmal zu putzen! Vor allem, da ich, wie du ja schon so schlau bemerkt hast, keine Ehefrau habe, die das für mich machen könnte, so wie dieser Aaron!“, drang eine Stimme aus einem anderen Raum und gehorsam tappte Sirian zu dem Zuber und ließ sich samt der Kleidung hineinsinken. Das Wasser war eiskalt und Sirian biss die Zähne zusammen, damit sie nicht klapperten, aber alleine der Luxus von frischem, nicht stinkenden Wasser, war für ihn Grund genug, über die Temperatur hinweg zu sehen – dieses eine Mal.

      Nach einem Augenblick kam auch Liyold zu der Wanne geeilt, in seinen Händen jeweils zwei schwarze Flaschen haltend. Ohne ein Wort zu sagen, entfernte er die Korken und kippte jeweils drei Tropfen von beiden Substanzen in das Wasser. Schlagartig wurde das Wasser warm und der Gestank der Kanalisation wurde durch einen ausgeprägten Lavendel-Geruch ersetzt. Der Dreck schien aus Sirians Kleidung gezogen zu werden, die Kälte verschwand endgültig aus Sirians Gliedern und er stöhnte zufrieden auf, ließ sich tiefer in das Wasser sinken.

      „Das Zeug kostet so viel wie mein Haus, hab's von einem Schamanen aus Sarraka. Die Kerle dort wissen wirklich, wie es sich leben lässt. Wenn du aus dem Wasser heraus kommst, wirst du sofort trocknen, so dass du mir nicht alles dreckig machst.“

      Liyold setzte sich an den Zuber, stellte die beiden schwarzen Flaschen weg und verschränkte wartend die Arme.

      „Und jetzt sag mir, was mit deiner Schwester geschehen ist … ich habe vorhin wirklich geglaubt, du hättest gesagt, sie sei ermordet worden.“

      Sirian hörte auf mit den Händen durch das warme Wasser zu streichen und starrte auf die wogende Wasseroberfläche. Er wollte noch nicht darüber reden.

      Ich hatte nie vor, es ihm zu erzählen. Er hat sich nie um Melanie gesorgt und mir die Arbeit überlassen, als ich ihn gefragt hatte, ob er mir helfen wolle. Aber nun, da es ausgesprochen ist, komme ich wohl nicht mehr darum herum …

      Die aufkeimenden Bilder in seinen Gedanken erstickend, legte er den Kopf in den Nacken und mied Liyolds forschenden Blick.

      „Melanie wurde …“´, er stockte, schloss die Augen und seine Hände umklammerten fest den Rand des Zubers, „ich war kurz nicht da und jemand hat Männer dafür angeheuert, sie zu töten. Der Auftraggeber