Steintränen. Manja Gautschi. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Manja Gautschi
Издательство: Bookwire
Серия: Steintränen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742797964
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Moment verliess der Gleiter den Planetenschatten und die Morgensonne schien direkt von vorne in den Gleiter hinein. Der gesamte Innenraum wurde vom warmen Sonnenlicht hell ausgeleuchtet. Alle schwiegen andächtig, als ob der Gleiterflug vom Reden in genau diesem Moment gestört werden könnte. Mara spürte die Sonnenstrahlen auf ihrem Rücken „Hmm. Diese Wärme.“ sie schloss die Augen „Schade eigentlich, ich wollte die Erde schon lange einmal besuchen, nur nicht so. Die Sonnenwärme ist hier anderes als unsere, viel wärmeres Licht.“ stellte sie fest und öffnete wieder die Augen, sah Boris schweigend an. Der Gleiter verliess die Umlaufbahn der Erde und es wurde wieder dunkel im Gleiterinneren. Kaum hörbar beschleunigte Ilrimi auf Reisegeschwindigkeit und der Gleiter flog ruhig im weiten Sternenhimmel voran in Richtung ihres Heimatplaneten Steinwelten, einer der 5 bewohnten Planeten, die sich noch nicht den 8 Planeten des Terra Sonnensystems angeschlossen hatten.

      Die Stimmung im Gleiter war immer noch angespannt. „Ich hatte ja gesagt, du sollst nicht alleine zu diesem Apothekertreffen auf Aquawald gehen.“ richtete sich Aron vorwurfsvoll an Boris. Betroffen nahm Boris Arons Worte zur Kenntnis. Er schüttelte den Kopf „Ich glaube nicht, dass meine Entführung etwas mit meiner Vergangenheit auf Aquawald zu tun hat. Sie sagten mir jedenfalls überhaupt nichts bei meiner Festnahme. Aber die Erinnerungen an den Krieg kommen mir hoch. Es ist mir wie damals, als wir von diesem wunderschönen Planeten vor den Soldaten des Terra Sonnensystems fliehen mussten, weil wir uns gegen deren feindliche Übernahme gewehrt hatten. Und das war uns auch nur dank der Hilfe dieses Commanders möglich, der dem Terra Sonnensystem den Rücken gekehrt hatte und dafür mit seinem Leben bezahlen musste. Aber diese Geschichte kennt ihr ja.“ nachdenklich senkte Boris seinen Blick.

      Dafür nickte nun Aron bestätigend und winkte mit seinem rechten Zeigefinger „Eben!“ sagte er lautstark „Das meine ich. Und du gehst alleine dahin zurück, du spinnst doch! Das ist einfach verantwortungslos und naiv.“ Arons Puls lief immer noch auf Hochtouren, denn auch wenn er es nicht zugeben wollte, die Anspannung und Angst ob ihr waghalsiges Vorhaben gelingen würde oder nicht, steckte immer noch in seinen Knochen, sodass er sich zwischen Aufregung und Wut hin und her bewegte.

      Mara sah Aron fragend an und wollte gerade etwas entgegen als Boris das Wort wieder ergriff „Wie nennst du denn eure Aktion hier?“ er deutete mit seinen Händen auf den gesamten Gleiter „Euch hätte ich weiss nicht was passieren können!“ er wendete seinen Blick Mara zu „Und du...“ er zeigte aufgebracht mit dem Zeigefinger auf sie „...und du...“ er ballte die Faust „...dafür habe ich dir nicht beigebracht mit Steintränen und Heilkräutern umzugehen. Du sollst keine solchen Ein-Frau-Aktionen durchziehen. Hättest du auch nur einen dieser Männer getötet, wären sie jetzt erst recht hinter dir her. Und du würdest für den Rest deines Lebens mit dieser Schuld leben müssen!“ Boris schüttelte verärgert seinen Kopf, nachdem der erste Schock langsam verschwand steigerte sich sein Ärger mit jedem seiner Worte „Das hier reicht schon um sie nach euch suchen zu lassen. Es hat euch gerade noch gefehlt, dass das Terra Sonnensystem hinter euch her ist. Und alles nur wegen eines alten Mannes.“ Boris setzte sich, atmete tief durch. „Mara, such dir endlich einen Mann und gründe eine Familie. Verflucht.“ Auch Boris Nerven fuhren offensichtlich Achterbahn mit ihm. Nach anfänglicher Überraschung, ärgerte ihn jetzt der Leichtsinn dieser jungen Leute wirklich immer mehr. Schon immer war es seine grösste Angst gewesen, dass sich Mara eines Tages übernimmt. Sie war zwar allen anderen an Kraft, Schnelligkeit und Geschick weit überlegen, aber eines Tages würde auch sie unweigerlich an ihre Grenzen stossen. Wenn nicht heute, dann vielleicht beim nächsten Mal. ‚Warum junge Leute immer so leichtsinnig sein müssen, zum Teufel!’ dachte Boris.

      Als erster beschloss Aron sich vorerst aus dieser aufgeheizten Diskussion zurück zu ziehen. „Ich merke, dass führt so zu nichts. Dann gehe ich lieber mal, ich sollte ohnehin noch etwas schlafen bevor ich Ilrimi nachher ablöse und schlage vor, wir besprechen das hier später.“ dabei hob er seine Augenbrauen und deutete ein knappes Winken an. Ohne weitere Worte drehte er sich um, setzte sich auf den Copilotenplatz neben Ilrimi, richtete sich so bequem es ging auf dem unbequemen Sitz ein und versuchte sich selbst zu sammeln und zu beruhigen um einschlafen zu können. Er mochte Abenteuer und Nervenkitzel, aber das hier hätte auch richtig schief gehen können.

      Nachdem Aron gegangen war setzte sich Mara kommentarlos neben Boris. Auch ihr Herzschlag hatte sich in den letzten Stunden erhöht und beruhigte sich nur langsam wieder. Auch sie hatte Angst gehabt und war nun mehr als erleichtert, dass alles geklappt hatte. Und trotz der weggefallenen Anspannung und Erleichterung fühlte sie immer noch so eine Art nervliches ‚Nachzittern’. Sie hatte gewusst, dass es riskant war, auf der Erde, dem Zentrum des Terra Sonnensystems, so eine Befreiungsaktion durchzuführen und konnte Boris Ärger, der aus nichts Geringerem als aus Sorge um sie heraus entstand, verstehen. Sie lehnte sich an ihrem grossen, sonst eigentlich sehr gemütlichen Adoptivvater an. Beide schwiegen. Die gereizte Stimmung beruhigte sich allmählich.

      Etwas später hatte sich Boris beruhigt, er fragte leise „Du sagtest ‚Erde’?“ und jetzt ebenso ruhig antwortete Mara „Ja, Erde. Ehemalige Schweizer Alpen, hat Ilrimi gesagt.“ sie richtete sich auf. Boris sah sie an „Das liegt doch Mitten in Europa, im Zentrum der vereinigten Kontinente. Wie habt ihr mich denn gefunden? Und wie konntet ihr landen und starten, ohne dass uns die gesamte Terra Sonnensystem-Flotte verfolgt?“ Mara deutete mit dem Kopf in Richtung des unterdessen eingeschlafenen Arons „Er kennt jemanden, der im Verwaltungszentrum des Terra Sonnensystems auf dem Mond der Erde arbeitet.“ Mara zog die Schultern hoch „Frag nicht, aber diese Person hat dich irgendwie aufgespürt und Ilrimi sowohl die Koordinaten als auch die Kennwörter für den Ein- und Ausflug aus der Erdensicherheitszone zukommen lassen.“ sie sah ihn an, neigte fragend den Kopf zur Seite „Was meinst du, wenn deine Entführung nichts mit deiner Vergangenheit während des Krieges auf Aquawald zu tun hat, womit dann? Aquawald und seine Wasserreserven gehören schon dem Terra Sonnensystem. Was könnten die sonst von dir wollen?“

      Nachdenklichkeit und Besorgnis machten sich in Boris breit. „Mara, ich weiss es nicht. Aber wenn ich etwas weiss, dann, dass das Terra Sonnensystem niemanden grundlos entführt.“ er nickte um seine Worte zu unterstreichen „Etwas haben sie vor.“ wiederholte er „Und ich ahne nichts Gutes.“ „Das verstehe ich nicht.“ fuhr Mara fort „Ich meine“ sie schluckte „mit dem Krieg um Aquawald vertrieben sie bereits die Wakaner, die einzige bekannte menschenähnliche Lebensform, die mit den Menschen gemeinsam leben wollten. Und jetzt haben sie, wie du meinst, schon wieder etwas vor. Warum? Können die nicht einfach in Frieden leben und uns anderen in Ruhe lassen?“ fragte Mara frustriert und Boris antwortete traurig „Ich fürchte, es gibt einfach zu viele Menschen, die nie genug kriegen.“

      Boris legte seinen linken Arm um Mara und drückte sie an sich „Vielleicht“ fing sie an „Vielleicht aber sehen wir nur zu schwarz und Aron hat Recht, dass sie dich doch einfach nur wegen deiner Vergangenheit auf Aquawald festnahmen.“ „Ja, vielleicht. Wollen wir’s hoffen.“ brummelte Boris zurück „Und wegen vorhin“ Boris rieb wohlwollend Maras Oberarm „das mit dem ‚Familiengründen’ tut mir leid, entschuldige, das hab ich nicht so gemeint. Das war daneben.“ Mara lächelte nur „Danke, Entschuldigung angenommen.“

      2 - Zylin - Besuch

      Es war noch früh am Morgen als ein Armeetransporter auf dem Landefeld des Hochsicherheitsgefängnisses ‚Sarg’ landete. ‚Sarg’ auf ‚Schwarzer Mond’, ein kleiner, unscheinbarer Trabant eines unbewohnten Planeten irgendwo im Terra Sonnensystem.

      Ausser dem Gefängnis gab es nur noch zwei weitere kleinere Gebäude: das Haus für die Mitarbeiter und eines für die Koordination und Überwachung der Ankünfte und Abflüge. Ansonsten bestand ‚Schwarzer Mond’ nur aus schwarzem Stein und Geröll. Gäbe es kein Grundwasser,