An die Rollatoren Mädels. Heidi Hollmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heidi Hollmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847625490
Скачать книгу
allerletzten Augenblick war unsere Oma zum Glück noch mitgekommen,“ beendete ich eine meiner vielen Geschichten, die meine gesamten Enkelkinder, bis auf die beiden Kleinsten, seit langem bereits, bequem und ohne nur ein einziges Mal hängen zu bleiben, synchron mitsprechen können.

      Bei meinen Enkelkindern fand ich stets das Gehör, was ich bei meinen eigenen Kindern schon seit Urzeiten vermisste. Diese kleinen Engel konnten nie genug davon bekommen.

      Auch fühlte ich mich verpflichtet, ihnen den übertriebenen Wert des Geldes

      klar zu machen.

      So erzählte ich ihnen, dass es gar nicht so wichtig wäre, bei jedem Schritt und Tritt immerzu Geld in der Tasche zu haben, wie ihre ebenfalls in die Jahre gekommene Großtante Hetti zum Beispiel.

      „Man gibt es meist sowieso nur für Kinkerlitzchen aus“ brachte ich ihnen bei.

      Meine Schwester Hetti legt noch heute allergrößten Wert darauf, einen gewissen Betrag bei sich zu haben. Ich habe die Summe vergessen.

      „Nun denn,“ habe ich ihr gesagt „du musst ja wissen, was du tust!“ Haste jedenfalls als alte Tante größere Chancen von unseren Drogenheinis überfallen zu werden!“

      Sie tat so, als wenn sie das gar nicht tangieren könnte.

      Sie war immer schon Spitzenreiterin im Verdrängen, scheint vergessen zu haben, dass auch sie bereits eine alte Tante ist. Sie wunderte sich neulich über einen kleinen Jungen, der sie mit Oma ansprach und sie sinnierte augenscheinlich darüber, wieso das Kind sie als das entlarvt hatte, was sie meiner Meinung nach ja nun mal war.

      „Verstehst du das?“ fragte sie mich am Schluss.

      Sie klimperte nervös mit ihren immer noch schönen dunklen Augen, klemmte sich eine widerspenstige graue Haarsträhne hinter ihr rechtes Ohr, dem größeren von beiden und verstand offensichtlich die Welt nicht mehr, als ich feststellte:

      „Klar doch. Bestimmt benannte dich der Kleine so, weil du nicht mehr so ganz taufrisch aussiehst!“ „Huch!“ Was hatte ich da angerichtet. Zur Sühne erzählte ich gleich, was auch mir kürzlich untergekommen war.

      „Mir ist neulich ähnliches passiert“, sagte ich ihr zum Trost und weil sie mir leid tat.

      „Ich stand neulich bei Aldi an der Kasse, hörte eine Mutter zu ihrem kleinen quengelnden Sohn sagen: „Wenn die Frau dran kommt, sind wir auch gleich dran!“ „Welches Deutsch!“

      „Das ist keine Frau, das ist eine Oma! wetterte der kleine Knirps und nur ich konnte damit gemeint sein“, schloss ich meinen Bericht, wobei Hetti zu strahlen begann wie ein Reaktor.

      „Wie hast du reagiert,!“ fragte sie mich und man konnte ihr förmlich ihre Wonne ansehen!“

      „Die Mutter, kann ich dir sagen, fiel aus allen Wolken!“ „So etwas sagte man nicht!“ meinte sie.

      „Nun lassen sie mal die Kirche im Dorf, gute Frau, ihr Junge hat ja Recht, natürlich bin ich eine Oma! Sogar eine siebenfache!“ habe ich sie beruhigt. Danach wandte ich mich an den Kleinen, obwohl der sicher keine Ahnung hatte, was das Siebenfache bedeutet.

      „Weißt du, ich habe meine Enkelkinder alle lieb. Einer ist so alt wie du und ich will dir noch vor allem dazu sagen, dass eine Oma durchaus auch eine Frau ist, jedenfalls kein Opa!“

      Mutter und Kind machten sich aus dem Staub.

      Um auf Hettis Marotte zurückzukommen, nur ja einen fetten Geldbetrag mitzuschleppen, fürchte ich nicht unbedingt einen Überfall. Ich hasse es aber, grundsätzlich mehr Geld in der Tasche zu haben, als ich für meine Vorhaben brauche. Es kann durchaus passieren, dass ich an der Kasse stehe und meine Cents zusammenklaube, zum Verdruss der Wartenden in der Schlange. Kein seltenes Bild. Anderen meiner Generation geht es ebenso. Ich habe dann mal wieder haarscharf kalkuliert und komme gerade mit dem Betrag so eben hin. Zudem muss ich im Kopf addieren, was ein gutes Training für mich ist.

      Wie am letzten Freitag. Da vernahmen meine leider noch intakten Ohren den ungeduldigen Ausspruch: „Hoffentlich ist die Alte bald so weit!“

      „Die Alte“, da war es wieder, dieses Reizwort! Das hätte sich der Glatzköpfige mit seinen vermutlich „Ganzkörper Tattoos“ und um seiner Selbstwillen, verkneifen sollen. Ich versuchte auf Mimikry-Art, Eindruck zu schinden. Viel größer konnte ich durch Recken und Strecken nicht werden, aber imposanter. Ich atmete tief durch, positionierte meine ich muss gestehen, ohnehin schon voluminösen Brüste so weit wie möglich in seine Richtung und sandte ihm Blitze zu, die selbst Zeus vor Neid hätten erblassen lassen. Dann begann ich zu dozieren, fällt mir nicht schwer als Kursleiterin in der Alten- (wieder dieses böse Wort) Pardon, in der Seniorenbildung !!

      „Junger Mann,“ begann ich, „zu meiner Zeit war es üblich, dass von Äpfeln angefangen, bis zum Zucker, noch alles abgewogen wurde. Dass dabei natürlich viel Zeit draufging, ist logo, wie Sie heute sagen würden. Sie werden doch wohl hier und jetzt die Geduld und den Anstand aufbringen, eine Minute an der Kasse zu verharren, wobei sie auch noch ihre Kriegsbemalung nebenbei und kostenlos zur Schau stellen könnten!“

      So forsch vorgetragen, war der „Tätto“ platt, wie ein Mäuschen vor dem Kater. Angriff ist die beste Verteidigung, hört man ja immer wieder. Ich, von Natur aus gut, praktiziere so etwas nur im Notfall. Dieser hier war absolut einer.

      Wo kommen wir hin, wenn wir Alten uns die Butter vom Brot nehmen lassen?

      Solange ich noch einigermaßen weiß, wer ich bin, werde ich mich nicht klein kriegen lassen, wie die Menschen, die in Altenheimen ihr tristes Dasein fristen.

      Ich weiß, wovon ich rede. Unsere Eltern sind fünfundneunzig und sechsundneunzig Jahre alt und befinden sich seit kurzem in einem Altenheim und das kam so:

      Mutter seit längerem dement, hatte wieder mal am Herd die Flammen angemacht, während Vater mit seinem Auto die nötigen Einkäufe verrichtete. Dass sich die Form seines Wagens zusehendes veränderte, fanden wir nicht sonderlich verwunderlich. Das lag an den kleinen Crashs, die Vater immer wieder mal passierten. Der Wagen bestand zum Schluss eigentlich nur noch aus Beulen, aber was soll` s. Er tat noch immer gute Dienste.

      Es gibt aber weitaus Schlimmeres, nämlich, als Vater nach Hause kam, nahm er Brandgeruch wahr und eilte ins Haus. Das heißt, er versuchte aufzuschließen, was nicht möglich war.

      Mutter hatte sich von innen eingeschlossen und weigerte sich permanent, jemanden reinzulassen. Ihr Mann hätte es ihr verboten. Vater blieb nichts anderes übrig, als einen jungen Mann im Nachbarhaus zu bitten, die Tür einzutreten.

      Es war für Hetti und mich nicht einfach, einen Heimplatz für die alten Leute zu „ergattern.“

      Warten Sie mal bis November, das tut sich einiges“, wurde mir versprochen. Endlich war für Mutter gesorgt und Vater folgte ihr, weil er uns versprochen hatte, seine Frau nicht allein in die „Diaspora“ zu schicken. Ein weiterer Heimbewohner war verstorben und Vater nachgerückt.

      Wir ihre einzigen Töchter bitten seit dem inständig und demütig den lieben Gott, oder wer auch immer dafür zuständig sein mag, uns durch einen Blitzschlag, oder sonstige Vergünstigungen den Heimaufenthalt zu ersparen. Wir wären auch mit herabfallenden Dachziegeln zufrieden. Alles Gute soll ja bekanntlich von oben kommen.

      Übrigens gibt es Möglichkeiten, die auch schon einige unserer weiblichen Ahnen genutzt haben müssen. Merkwürdiger Weise sind eine Reihe vornehmlich weibliche Verwandte, nachweisbar einem Unfall zum Opfer gefallen. Und alle, wir sind eine langlebige Familie, befanden sich im hohen Alter. Das wäre doch auch eine schöne Möglichkeit für uns, nur diese Herrschaften können wir nicht mehr dazu befragen, wie sie das angestellt haben. Elektroautos standen damals ja noch nicht zur Debatte.

      Ich denke, wir können getrost noch ein Weilchen abwarten, bis diese Lautlosen auf den Markt kommen.

      Bis dahin wird auch mein Gehör nicht mehr