Vor allem jetzt in der Winterzeit wurde der Platz in der Garage benötigt. Mit Fahrrad fuhr zu dieser Zeit keiner von Leons Familie. Wenn Leon zur Schule musste, nahm er den Bus. Wenn seine Eltern arbeiten mussten, fuhren sie mit dem Auto.
Die Autos standen jede Nacht in der Garage. Weder Leons Vater noch Leons Mutter hatten Lust, jeden Tag das Auto vom Schnee zu befreien. Dass es schneite, mochten Leons Eltern nicht so sehr. Leon hingegen liebte den Schnee. Er konnte nicht genug bekommen.
In der Schule gab es jeden Tag eine Schneeballschlacht. Manche waren von den Lehrern erlaubt, die meisten nicht. Ab und an wurde in Sport eine Schneeballschlacht veranstaltet. Von der Sportlehrerin erlaubt. Natürlich gab es Regeln. Die Schneebälle mussten aus lockerem Schnee bestehen, kein Schüler durfte diese so fest pressen, wie es nur ging. An diesen Bällen hätte sich ein Schüler verletzten können. So war es auch nicht erlaubt, ins Gesicht zu zielen.
Es gab natürlich immer wieder Schüler, die sich nicht an den Regeln hielten. Diese durften beim nächsten Mal nicht mehr an der erlaubten Schneeballschlacht teilnehmen. Diese mussten im besten Fall zu gucken. Gab es genügend Regelbrecher, so durften diese in der Sporthalle Sport treiben. Diese Schüler durften dann an den verschieden Geräten turnen, während die anderen Schüler draußen ihren Spaß hatten.
Es gab natürlich Regelbrecher, die schlau sein wollten. Sie sagten, sie hätten das Sportzeug vergessen. So könnten sie leider kein Sport in der Turnhalle treiben, doch die Sportlehrer und Sportlehrerinnen durchschauten den Plan. Für vergessenes Sportzeug gab es jeweils einen Strich. Hatte ein Schüler drei Striche, gab es eine Sechs und die Anzahl der Striche wurde auf Null gesetzt. Die Zählung konnte von vorne beginnen.
Die Strichregel galt natürlich nicht nur im Winter. Sie galt auch nicht nur für die Regelbrecher. Die Strichregel galt für alle Schülerinnen und Schüler, die am Sportunterricht teilnehmen mussten. Wer eine Sportbefreiung hatte, brauchte sein Sportzeug nicht mitbringen. Dann gab es natürlich keinen Strich.
Die erlaubte Schneeballschlacht gab es nicht immer. Sie wurde nicht jeden Tag durchgeführt. Die Sportlehrerin - oder der Sportlehrer - entschieden selber, wann sie Lust hatten, eine Schneeballschlacht zu beaufsichtigen. Im Sportunterricht gab es immer wieder Zeit, wo nur gespielt wurde. Fußball, Handball, Völkerball. Jetzt im Winter mit Schnee gab es zu diesen Zeiten oft eine Schneeballschlacht. In solchen Zeiten blieben die Sportsachen im Winter auch einige Male in der Tasche. Die Rucksäcke wurden in der Umkleidekabine verstaut, die Umkleidekabine abgeschlossen und dann ging es auf den Sportplatz. Dort fand die erlaubte Schneeballschlacht statt. Da es nachts immer schneite, ging den Schülern nie der Schnee aus.
Nur eines konnte die Schüler stoppen. Es war das Ende der Schulstunde. Dann ging es in die Umkleidekabine, die eigenen Sachen wurden genommen und es ging wieder ins Schulgebäude. Dort, wo Mathematik, Deutsch, Englisch oder ein anderes Fach gelehrt wurde.
Vierundzwanzigster Januar
Es war einmal vor langer, ganz langer Zeit in einem Königreich, das Schwarzland genannt wurde. Dieses Königreich wurde - wie es der Name vermuten lässt - von einem König regiert. Dieser König war nicht allein. Er hatte eine Königin. Mit dieser lebte er viele Jahre glücklich.
Als die Beiden ihr erstes Kind erwarteten, waren sie noch glücklicher. Als die Beiden erfuhren, dass sie eine Tochter bekommen sollten, freuten sie sich noch mehr. Beide wollten unbedingt eine Tochter und nun wurde ihr Wunsch erfüllt.
Als ihre Tochter zur Welt kam, mussten die beiden sich einen Namen ausdenken. Sie hatten sich schon im Vorfeld einige Gedanken gemacht. Sie führten eine Liste mit tausend weiblichen Vornamen. Sie ließen sich von ihren Bediensteten alle möglichen Namen bringen, die für ihre Tochter geeignet schienen. Von dieser Liste strichen sie dann mehr und mehr Namen. Es waren Namen, die ihnen nicht gefielen. Es waren Namen, die sie unpassend fanden. So schrumpfte die Liste von Tag zu Tag. Am Ende standen nur noch fünf Namen auf der Liste. Als die Königin ihre Tochter zum ersten Mal in den Armen hielt, sagte sie spontan, dass wäre Linda. Sie sah den König an und fragte, ob dies in Ordnung wäre. Der König bejahte und so hieß die Prinzessin aus dem Schwarzland seit diesem Tag Linda.
Linda war ein kluges und neugieriges Kind. Sie lernte frühzeitig zu stehen. Sie konnte schon sehr früh laufen. Früher als alle anderen, die in der gleichen Woche wie Linda geboren wurden. König und Königin waren stolz. Sehr stolz.
König und Königin nahmen Linda überall mit. Bei jeden königlichen Empfang war Linda dabei. Bei jedem Spaziergang im Schlossgarten oder einer Spazierfahrt durchs Königreich war Linda anwesend.
Linda sah sich alles neugierig an. Linda beobachtete die Menschen, die Könige und Untertanen bei einem Empfang. Sie fragte jeden, den sie sah, wer er oder sie war. Linda sah sich jedes Tier und jede Pflanze an. War das Tier groß oder klein? War die Blume bunt oder einfarbig? Linda sah sich alles genau an. Ihre Eltern mussten alles erklären. Warum war die Blume rot und der Stiel grün? Warum hatte das Tier graues Fell? Warum waren die Kühe mal weiß, mal schwarz, mal braun und mal gefleckt? Warum war ein Schwein rosa? Warum gab es im Sommer grüne Bäume und im Winter nicht? Warum hatten manche Bäume Nadeln und andere Blätter?
Linda wollte alles wissen. Eine Frage zweimal stellte sie aber nie. Sie merkte sich die Antworten, die sie bekam. Ihr erworbenes Wissen gab sie immer weiter. Sie hatte einige Freunde außerhalb des Schlosses, mit denen sie spielte und sprach. Sie hörten Linda aufmerksam zu.
Lindas Vater und ihre Mutter erlaubten es, dass sich Linda mit den Untertanen traf. In einigen Königreichen durfte eine Prinzessin oder ein Prinz nicht mit jedem reden oder spielen. Untertanen waren oft tabu. Ein Prinz durfte mit anderen Prinzen spielen. Eine Prinzessin durfte mit ihren Bediensteten spielen. Prinz und Prinzessin durften mit ihrem Spielzeug spielen. Kontakt mit den normalen Volk, mit den Untertanen, hatten die Prinzen und Prinzessinnen in anderen Königreichen aber nicht.
Bei Linda war dies nicht so. Doch als ihre Mutter krank wurde, begann sich vieles zu ändern. Lindas Mutter wurde schwer krank. So krank, dass ihr der Arzt nicht mehr helfen konnte. Lindas Mutter verstarb. Nun waren Linda und ihr Vater ganz allein. Doch dies sollte nicht lange so bleiben.
Eines Tages sollte es wieder eine Königin im Schwarzland geben. Es sollte eine Königin sein, die anders war. Eine Königin, die einen Plan hatte. Wie dieser Plan aussah, weiß aktuell aber keiner. Vielleicht wird die Zukunft es zeigen. Vielleicht auch nicht. Wir werden es sehen. Ganz bestimmt.
Fünfundzwanzigster Januar
Es war einmal vor langer Zeit in einem weit entfernten Königreich. Dieses Königreich war überall als Schwarzland bekannt. Warum es diesen Namen trug, wusste aber keiner mehr. Das Königreich war schon so alt, dass sich keiner mehr daran erinnern konnte, wie das Königreich zu seinem Namen kam. Auch wenn keiner wusste warum, es gab einen Grund, warum es jetzt so genannt werden konnte.
Das Königreich wurde von einem König geführt. Dieser König trug den Namen Mehmet und lernte im Alter von zwanzig Jahren eine schwarzhaarige Frau kennen. Diese Frau war eine Prinzessin aus einem anderen Land. Einige Jahre später heirateten die beiden. Weitere Jahre später erwarteten die Beiden ihr erstes Kind.
König und Königin nannten ihre Tochter nach langer Bedenkzeit Linda. Linda besaß als Baby noch kein Haar. Mit der Zeit wuchs dieses aber. Linda hatte - wie ihre Mutter - schwarze Haare, die jedes Jahr länger wurden. Jedes Jahr wurde Linda schöner. Schöner und schöner.
Eines Tages sollte sie die Königin werden. Linda mit den schwarzen Haaren sollte das Schwarzland regieren. Doch bis dahin sollten noch viele Steine auf dem Weg liegen. So einfach, wie es sich Linda vorstellte, sollte es nicht werden.
Vielleicht lag es daran, dass Linda so schön war. Eines Tages nämlich erkrankte ihre Mutter. Die Krankheit war nicht normal. Für Außenstehende sah es schon so aus, doch die Krankheit kam nicht