Das Gebell hatte noch eine weitere Folge. Ich vernahm nämlich hinter dem Hause die eigentümlichen Töne einer Stimme, welche mir vollständig unbekannt war, und sah gleich darauf um die Ecke einen Strauß hervorbiegen, der sich mit weit vorgestrecktem Halse und schlagenden Flügeln auf uns losstürzte. Das Haus schien außerordentlich gut bewacht zu sein.
Unglücklicherweise hatte sich der riesige Vogel meinen braven Quimbo zum Gegenstande seines Angriffes ausersehen. Dieser erkannte die Gefahr, welche ihm drohte, und brachte augenblicklich seine beiden nackten Beine auf den Rücken des Pferdes› in Sicherheit.
»Mynheer, Mynheer,« brüllte er, »Strauß will freß' Quimbo! Strauß hab' Hunger! Strauß mag verschling' Pferd, aber nicht Quimbo!«
Durch das Zetermordio des Attackierten noch mutiger gemacht, verschärfte der Vogel seinen Angriff und versuchte, die Beine des Kaffern mit dem Schnabel zu erreichen. Da diese aber immer auf die gegenüberliegende Seite des Pferdes gehalten wurden, so griff er schließlich den Brabanter an, der die energischen Schnabelhiebe des streitbaren Federhelden allerdings so wenig nach seinem Geschmacke fand, daß er trotz seiner Schwerfälligkeit mit allen vieren in die Luft ging und Quimbo in die höchste Gefahr brachte, seinem Feinde vor die Füße geworfen zu werden.
»Mynheer rett' Quimbo! Mynheer helf arm' Quimbo! Quimbo will nicht gut schmeck' Strauß, oh, oh! Mynheer schieß' tot Strauß, aber Mynheer nicht treff' Quimbo, denn Quimbo bin sonst tot!«
Kees Uys versuchte vergebens, den Vogel zu beruhigen. Der dicke Gaul stieg unaufhörlich bald vorn bald hinten in die Höhe und wieherte vor Schmerzen; der Kaffer brüllte; die Hunde begannen von neuem ihr Gebell, und der Leopard zerrte an der Kette und brüllte, daß es einem wirklich angst werden konnte. Da erscholl ein einziger Zuruf durch das geöffnete Fenster, und sofort gehorchten alle diese zahmen und halbwilden Tiere.
»Rob, zurück!« rief Mietje, und der Vogel wandte sich vom Pferde hinweg, um an das Fenster zu eilen und, den Kopf durch dasselbe steckend, sich von seiner Herrin liebkosen zu lassen.
Dadurch wurde nicht nur Quimbo befreit, sondern auch wir sahen uns aus einer fatalen Lage erlöst, da es uns andernfalls notwendig erschienen wäre, gewaltsam gegen den jedenfalls freundlich gehegten Vogel einzuschreiten.
Einige herbeieilende Hottentotten nahmen unsere Pferde in Empfang; dann trat ich mit Uys in die Wohnung, in welcher wir außer Mietje eine ältliche Frau fanden, welche, sorgfältig in Decken gehüllt, in einem Lehnstuhle saß. Mietje hatte uns bereits angekündigt, und ich wurde von der Kranken mit außerordentlicher Herzlichkeit empfangen.
»Jeffrouw Soofje, dieser Mynheer kommt aus Holland,« bemerkte Kees Uys.
»Und zwar aus Zeeland,« fügte ich hinzu.
»Aus Zeeland?« fragte sie. »Ich kenne es nicht; aber der Vater meines Mannes war dort geboren. Er hat viel dorthin geschrieben, endlich aber keine Antwort mehr erhalten. Kennt Ihr Storkenbeek in Zeeland?«
»Ich bin eine volle Woche dort gewesen als Gast einer Familie van Helmers.«
»Bei den Helmers?« fragte sie, trotz ihres Leidens und ihrer außerordentlichen Wohlbeleibtheit, außerordentlich lebhaft. »Das sind ja unsere Verwandten! Habt Ihr sie nicht von Lucas van Helmers sprechen hören?«
»Sehr oft, Jeffrouw. Sie baten mich, nach Euch zu forschen und Euch diese Briefe zu überreichen, falls es mir gelingen sollte, Euern Aufenthalt zu entdecken. Auch sie haben schon öfters geschrieben, ohne eine Antwort zu erhalten. Die Postzustände scheinen zur Zeit der Invasion der Engländer keine besonders lobenswerten gewesen zu sein.«
»Einen Brief aus Storkenbeek? Gebt ihn schnell her, Mynheer! Mietje mag ihn vorlesen, während Ihr dort zu dem Imbiß greift. Setzt Euch zur Tafel, und nehmt fürlieb. Wildbret ist leider nicht dabei, da Jan schon seit vorgestern abwesend ist, um auf einen Leoparden zu gehen.«
Sie legte auf das Wort Leopard einen Ton, welcher mich annehmen ließ, daß es mit demselben eine besondere Bewandtnis haben müsse, zumal sie dabei einen eigentümlichen, bezeichnenden Blick auf Uys warf. War unter dem Leoparden vielleicht etwas ganz anderes zu verstehen, als das bekannte katzenartige Raubtier, welches in der Kolonie allerdings häufig getroffen und eifrig verfolgt wird wegen des großen Schadens, den es unter den Herden stiftet?
Uys beantwortete diese unausgesprochene Frage durch eine Bemerkung, welche er der Frau auf ihre Worte machte:
»Ich wollte mit ihm, wurde aber abgehalten, zur rechten Zeit einzutreffen, und werde, sobald mein Pferd gefüttert ist, ihm folgen. Übrigens ist dieser Mynheer kein Freund der Engländer, und wir können also offen vor ihm sprechen, Jeffrouw. Ist Jan allein fort?«
»Ja.«
»Nach der Klaarfontain?«
»Er sagte so, Baas Uys.«
»Hat er nicht gesagt, wer alles kommen will?«
»Van Raal, Zingen, Veelmar und van Hoorst, außer den andern, die sie begleiten.«
»Da wären ja die Hauptleute vollständig beisammen. Wie steht es mit Freed up Zoom?«
»Es kam die Nachricht, daß er vielleicht eintreffen werde. Das soll ich Euch ganz besonders mitteilen.«
»Wirklich?« fragte er schnell. »Dann bringt er auch den Mann mit, welchen wir brauchen, um Sikukuni unschädlich zu machen, und ich darf diese Zusammenkunft unmöglich versäumen. Wie lange wollen sie auf mich warten?«
»Vier Tage, von heut an.«
»Das genügt. Ihr müßt nämlich wissen, Mynheer,« wandte er sich zu mir, »daß wir einen entscheidenden Schlag gegen die Kaffern beabsichtigen. Wir haben zwar Frieden mit ihnen geschlossen, Sikukuni aber ist zu unruhig und blutdürstig; er hält den Vertrag nicht, überfällt einen Ansiedler nach dem andern, verheert das Land mit seinen Horden und wird darin von den Engländern unterstützt, welche ihm Waffen und Munition liefern und gar nicht bedenken, daß sie damit ein Raubtier stärken, welches sich früher oder später auf sie selbst stürzen wird. Wollt Ihr mit zu der Zusammenkunft? Ihr werdet nur echte Afrikander treffen und vielleicht auch einen Kaffernhäuptling, welcher einst so berühmt sein wird, wie Sikukuni, der da unten hinter den Bergen seine Zulus zusammenzieht, um einen großen Kriegszug gegen die Boers zu unternehmen, wie ich berichtet worden bin.«
Das war mir allerdings eine sehr willkommene Einladung, doch mußte ich sie aus Rücksicht für Jeffrouw Soof je ablehnen.
»Wann reitet Ihr?« fragte ich also.
»Sobald ich hier gegessen habe.«
»Dann kann ich mich Euch leider nicht anschließen. Wir haben Jeffrouw einen Arzt versprochen und müssen Wort halten, Mynheer.«
Er mußte diese Ansicht billigen und machte sich dann höchst eingehend und mit jener Behaglichkeit, welche den wahren Esser kennzeichnet, über die aufgetragenen Speisen her, welche zwischen seinen glänzenden Zähnen in solcher Menge verschwanden, daß ich an seiner Stelle mir unbedingt den Tod geholt hätte.
Unterdessen wurde der Brief geöffnet und von Mietje vorgelesen. Das Mädchen hatte sicher keine andern Lehrer als ihre Pflegeeltern gehabt; ich erstaunte daher über ihre Fertigkeit, den sehr undeutlich geschriebenen Brief zu entziffern, und Jeffrouw Soofje bemerkte diesen günstigen Eindruck, welchen die Leserin auf mich machte.
»Ja,« meinte sie daher nach vollendeter Lektüre, »das Mietje liest besser als Jan, und der ist doch vier Jahre älter und noch dazu der Adjutant von Baas Uys! Das hat sie vom seligen Boer gelernt, der ein gar kluger Mann war in allem, was der Mensch können und wissen muß. Seit ihn die Kaffern getötet haben, giebt es nicht eher Ruhe für mich und Jan, als bis Sikukuni gestraft ist.«
Als