Daß bereits im Altertume das Südkap von geschichtlichen Völkern gekannt und umfahren worden sei, ist teils lose Vermutung, teils Sage. So glaubte z. B. Kant, nach Buch I der Könige, Kap. 22 annehmen zu können, daß zur Zeit des jüdischen Königs Josaphat die Seereisen vom arabischen Meerbusen aus um das Kap nach Spanien etwas Gewöhnliches gewesen seien, und Herodot erzählt, daß Karthager, welche von dem ägyptischen König Necho gesendet waren, um 610 vor Christus denselben Weg zurückgelegt hätten. Übrigens galt schon ein weiteres Vordringen an der Westküste Afrikas, wie die Fahrt des Karthaginiensers Hanno um 500 vor Christus, obgleich dieselbe doch höchstens bis Guinea ging, für eine Umschiffung dieses Erdteiles. Daß später der Kyzikener Eudoxos von Gades aus eine Reise um das Kap in den arabischen Meerbusen gemacht habe, ist eine Erdichtung.
Es scheint sicher zu sein, daß bis gegen das Ende des 15. Jahrhunderts von Norden aus niemand an und um das Kap gekommen sei. König Johann von Portugal sendete ein kleines Geschwader unter Bartholomäus Diaz aus; dieses umsegelte 1487 auch wirklich das Kap; weiter vorzudringen hinderte jedoch den kühnen Mann eine unter seinen Leuten ausgebrochene Meuterei. Wegen der schrecklichen Stürme, welche er an dem Vorgebirge auszustehen hatte, nannte er dasselbe Cabo tormentoso (stürmisches Vorgebirge). König Johann aber änderte diesen Namen in »Kap der guten Hoffnung« um, da er nun nicht mehr zweifelte, den Seeweg in das Wunderland Indien gefunden zu haben.
Sein Nachfolger, König Immanuel, schickte eine Flottille von vier Schiffen unter Vasco da Gama aus, um den aufgefundenen Weg weiter zu verfolgen, welche Aufgabe dieser berühmte Mann auch wirklich löste. Doch war es den Portugiesen nur um den Weg nach Indien zu thun; um die Südspitze Afrikas kümmerten sie sich nicht.
Erst die Holländer besetzten dieses Land 1600 durch den Seekapitän Van Kisboek und beschlossen, es zu kolonisieren. Die niederländischen Einwanderer, Boers genannt, warfen die Hottentotten zurück, drangen nach und nach bis zu den Kaffern vor und rangen auch diesen eine Strecke Landes nach der andern ab. Die Ansiedelung wuchs und erregte den Neid der Engländer, welche durch Anwendung aller Mittel die Holländer zu verdrängen suchten und auch nicht eher ruhten, als bis sie 1714 im Pariser Frieden das Land abgetreten bekamen. Dies zog eine Zufuhr englischer Kolonisten nach sich, welche die holländischen Boers in jeder Weise beeinträchtigten, und es entstand zwischen beiden eine Feindseligkeit, die in den Kämpfen der Kolonie mit den Eingeborenen eine sehr bedeutende Rolle spielt.
Während die Eingeborenen des Kaplandes dem Europäer bisher als unbefähigte Horden galten, hat der jetzt noch wütende Kampf zwischen den Engländern und Kaffern bewiesen, daß die letzteren keineswegs zu verachtende Gegner seien; und wenn wir auch annehmen müssen, daß sie wie die Indianer Amerikas an dem grausamen Gesetze zu Grunde gehen werden, welches dem Kaukasier die Aufgabe erteilt zu haben scheint, an dem Untergange seiner farbigen Brüder zu arbeiten, so steht zu vermuten, daß die Anwohner der Kalahari sich ebenso wie der Wilde des amerikanischen Westens bis auf das Messer gegen seinen in jeder Beziehung übermächtigen Feind verteidigen werde. Der Tod einer Nation ist niemals ein plötzliches Stürzen in die Vergessenheit, sondern ein gewaltiges Zucken und Ringen, ein allerdings immer schwächer werdendes, aber lange andauerndes Aufbäumen, welches in glühendem Hasse noch im letzten Augenblick den Feind mit in das Verderben zu ziehen sucht. – – –
Ich hatte auf einer Reise durch die niederländische Provinz Zeeland eine Familie Van Helmers kennen gelernt und bei derselben trotz ihrer Armut eine herzliche Gastfreundlichkeit gefunden. Ich erfuhr, daß ein Großohm des Hausvaters nach dem Kap der guten Hoffnung übergesiedelt sei. Man hatte mit ihm und seinem Sohne lange in gelegentlich brieflicher Verbindung gestanden, bis der Sohn mit so vielen anderen Boers vor den andringenden Engländern über das Drachengebirge gestiegen war, um sich in der jetzigen Kolonie Transvaal ein neues Heimwesen zu gründen. Seit dieser Zeit hatten die Nachrichten aufgehört, doch gedachte die Familie ihrer Verwandten mit lebhafter Anhänglichkeit, und als ich meine Absicht, nach dem Kaplande zu gehen, verlauten ließ, wurde ich mit der Bitte bestürmt, dort wo möglich eine Erkundigung nach den Verschollenen einzuziehen. Für den Fall, daß es mir gelingen sollte, dieselben ausfindig zu machen, wurde mir ein Brief anvertraut, und ich verließ Holland mit dem Wunsche, in dieser Richtung den guten Leuten für ihre an mir bewiesene Freundlichkeit dankbar sein zu können.
In der Kapstadt angekommen, hatte ich mich einige Zeit dort aufgehalten, war dann nach Nord und West gewandert und besuchte nun die Transvaal-Lande, obgleich die damaligen Zustände in denselben nichts weniger als einladend genannt werden konnten.
Der berühmte Kaffernhäuptling Tschaka, mit Recht der Attila Südafrikas genannt, hatte zahlreiche Kaffernstämme unter seine Botmäßigkeit gebracht und ihnen eine kriegerische Verfassung gegeben, welche ihre Widerstandsfähigkeit gegen die Europäer um das Zehnfache vergrößerte. Sikukuni, sein Bruder, überfiel und tötete ihn, um die Herrschaft an sich zu reißen, und nun begann zwischen ihm und den Boers eine Reihe von Kämpfen, in denen die Boers, außerdem noch angefehdet durch die Ungerechtigkeit und Vergewaltigung der englischen Regierung, Wunder der Tapferkeit verrichteten. Später beabsichtigte die Transvaal-Republik den Bau einer Eisenbahn nach der Delagoabai; da sie aber durch diesen Schienenweg wirtschaftlich unabhängig geworden wäre, so suchte England die Ausführung dieses Planes unmöglich zu machen, indem sie den Kaffernhäuptling Sikukuni zum Aufstand gegen die Boers reizte, ihn mit den dazu nötigen Waffen versah und dann die dadurch geschaffene Lage als Vorwand nahm, »zum Schutze des Christentums« die Republik zu annektieren. Um diese Zeit geschah, was ich erzähle.
Die Reisen hier zu Lande werden gewöhnlich auf dem Ochsenwagen vorgenommen, doch hatte ich mich aus alter Gewohnheit und um schneller vorwärts zu kommen, auf das Pferd gesetzt. Neben mir ritt Quimbo, ein Basutokaffer, welchen ich mir als Führer gemietet hatte. Er hatte lange Zeit auf verschiedenen niederländischen Farmen in Dienst gestanden, war den Weißen freundlich gesinnt und radebrechte das Holländische leidlich. Übrigens bildete er zu Pferde eine ziemlich seltsame Figur. Außer einem kattunenen Schurz, welchen er um seine Lenden geschlungen hatte, war er vollständig nackt und hatte seinen dunklen, mit starker, eckiger Muskulatur versehenen Körper mit Fett eingerieben, welches seine Haut zwar vor den lästigen Stichen der Insekten schützte, leider aber einen so penetranten Geruch oder vielmehr Gestank verbreitete, daß es mich eine wirkliche Überwindung kostete, mit ihm in größerer Nähe als fünfzig Schritte zu verkehren. Das Merkwürdigste an ihm war die Art und Weise, sein Haar zu tragen. Er hatte es nämlich durch tägliche Anwendung von Akaziengummi und jahrelange sorgsame Pflege in eine kompakte Form gekleistert, welche seiner Frisur das Aussehen von zwei mit den Sohlen gegeneinander geneigten Pantoffeln gab, deren Absätze die Spitze bildeten, während die Fußhöhlungen nach oben gerichtet waren und von ihm als Aufbewahrungsort von allerlei höchst wertlosen, für ihn aber außerordentlich wichtigen Kleinigkeiten dienten. Die Ohrläppchen waren in seiner Jugend durch angehängte Gewichte so ausgedehnt worden, daß sie an Größe so ziemlich den Ohrlappen eines Neufundländers gleichkamen; und um diese Schmuckstücke praktisch zu verwerten, pflegte er sie des Morgens aufzurollen und in die Höhlung jeder Rolle eine von seinen beiden Schnupfdosen zu stecken. Außerdem trug er an jedem Nasenflügel einen starken messingenen Ring und hatte, jedenfalls eine Erfindung seines eigenen ästhetischen Genies, um den Hals einen breiten Riemen von Sohlenleder geschnallt, an welchem zwei sehr umfangreiche Kuhglocken befestigt waren, die er wohl auf einer der oben erwähnten Farmen annektiert hatte. Und dabei nahm er als Reiter ganz dieselbe unbeschreibliche Haltung ein, in welcher bei herumziehenden Gauklern und Bärenführern der Affe auf dem Kamele zu sitzen pflegt, und wenn er während der Unterhaltung mir ein aufmerksames Gesicht machen wollte, wobei er es allerdings zu einem fürchterlichen Zähnefletschen und einem geradezu sperrangelweiten Aufreißen des breiten Mundes brachte, so hatte er ganz das Aussehen einer zoologischen Species, von welcher es schwer zu bestimmen war, ob sie unter die Wiederkäuer, Bulldoggen