Lara, fang an!. Oliver von Flotow. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oliver von Flotow
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844258561
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      Der Sohn der Toten ringt um Fassung, seine Ansage des Musikquartetts gibt kurz den Blick frei auf Trauer und Gefühle.

      Kein Wort über die Verstorbene im Hause der Tochter.

      Der hat die Katze immer in den Teppich gewickelt, da hat dann nur noch der Kopf aus der Rolle geschaut.

      Langsam und lautlos schließt sich der schwarze Vorhang – eine schöne und schlichte Symbolik.

      Sie hatte dann ja auch noch einen Schenkelhals, weil die auf der Pflegestation sie haben fallen lassen. Ja.

      Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein.

      Nicht jeder singt mit.

      Es waren ganz erfüllte Jahre. Wir hätten gewünscht, sie bis zum Ende begleiten zu können. Oder sie nach ihrem Tod noch einmal sehen zu können.

      Der trauernde Sohn – abweisend abwesend, alle Gäste zu begrüßen.

      Das Gedenken des Pfarrers an die Kinder und Enkel der Toten.

      Die Kinder der Tochter hatten anderes zu tun.

      Welche Zerrüttung, welche Verbohrtheit, welche Armut.

      Die Todesanzeige ohne jedes gedenkende Wort.

      Ich mache sehr gerne Operationen, Kinder-HNO.

      Gestorben am Tag vor ihrem 85. Geburtstag.

      In den letzten sieben Jahren ist viel Innigkeit und Nähe entstanden.

      So ein Buffet wie dieses hat sie auch immer gemacht. Bis ihr die Krone gebrochen wurde.

      Wir sind alle ein bisschen traurig.

      Und immer wieder die Begabungen, die von der Mutter auf die Kinder übergingen. Medizin und Musik.

      Aus großbürgerlichem Hause.

      Bizarr.

      Ich habe immer meinen Teil dazu getan, gegen den Verfall in diesem Hause anzugehen.

      Die schöne und gelungene Trauerfeier, gestaltet vom Sohn der Verstorbenen und seiner Frau.

      Wir haben jetzt auch eine Kettensäge.

      Erinnerungen. Ihre Großzügigkeit. Ihre Unbarmherzigkeit.

      Geboren im ersten Weltkrieg, in der Kaiserzeit. Welch ein langes Leben.

      Die letzten sechs Wochen waren für sie eine Qual.

      Auf dem Foto sieht sie niemandem ähnlich.

      Welche Mühe war es, ihr einen Becher Flüssigkeit zu verabreichen. Am nächsten Tag ging es ihr schon wieder etwas besser, aber es hat nicht gereicht.

      Sie hat lange gelebt, aber es hätte noch ein bisschen länger sein dürfen.

      Komm uns mal in Hamburg besuchen.

      Ist das auch der richtige Weg zur Aussegnungshalle? Auf den Schildern steht immer nur Verwaltung.

      Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub.

      Und dann war da noch der Nachbar, den alle nicht mehr grüßen, weil er jetzt eine neue Frau hat.

      Fromme Nonnen

      Fromme Nonnen

      schnell begonnen

      wollen tollen

      Holde Nonnen

      voller Wonnen

      hell erglommen

      Horde Nonnen

      grelles Wollen

      Fromme Nonnen

      kommen

      Noch Stunden

      Ich geh im Regen

      mit wirrem Sinn,

      um dich zu suchen,

      wo bist du hin?

      Im Dunkeln liegen

      die Straßen glatt,

      die Bäume rauschen

      im Wind ganz matt.

      Ich will sie fragen,

      ob sie gesehn,

      wie du geflüchtet

      um knapp halb zehn.

      Der Regen plätschert

      mir ins Gedicht,

      er macht mich traurig,

      nimmt mir die Sicht.

      Noch Stunden starr ich

      auf das Papier,

      so bleibt es unklar,

      was war mit dir.

       Nach Gefunden von Johann Wolfgang von Goethe

      Kindeslachen

      Willst du die Freuden dieser Erde,

      der Menschheit Segen ganz verstehn,

      musst du mit weiter Glücksgebärde

      ein Kind in Wonne lachen sehn.

      Ein Kind, das eben hingerissen

      von fröhlicher Gespielen Kreis

      und nun, von Lebenslust ergriffen,

      in Kichern ausbricht, hell und heiß.

      Du weißt nicht, was das kleine Wesen

      so toll und heiter lachen lässt,

      doch ist’s an seinem Blick zu lesen,

      wie’s tief schon fühlt des Lebens Fest.

      Wie es sich schnell und immer schneller

      hinein ganz in den Taumel zieht,

      weil es Verzücken auf Verzücken

      mit wohlig Schaudern kommen sieht.

      Willst du die Freuden dieser Erde,

      der Menschheit Segen ganz verstehn,

      musst du mit weiter Glücksgebärde

      ein Kind in Wonne lachen sehn.

      Nach Kindestränen von Ferdinand von Saar

      In memoriam – Erlebnis einer Reiterin

      Ein herrlicher Sommermorgen. Man sitzt ums Dressurviereck. S-Dressur. Die Kenner und Liebhaber edler Pferde sehen kritisch und andächtig zu, es wird sehr guter Sport geboten. Neben mir Zuschauer aus unserem Verein, man hört leise Bemerkungen. Auch geht mal ein Aufatmen durch die Reihen, wenn eine Aufgabe besonders gut geritten wird, und Pferd und Reiter in voller Harmonie und Freude ihr Bestes geben.

      Ein Rappe, schon schweißnass am Hals, galoppiert herein. Meine Nachbarin, eine Dame in den besten Jahren, die ihre schwellenden Formen in ein feuerrotes T-Shirt gepresst hat, und Besitzerin eines braven Wallachs, fragt interessiert: „Was hat der denn da Weißes am Hals?“ Ich erkläre, dass es Schweiß sei, vom Abreiten. „Und der ist so weiß?“

      Weitere Fragen, warum an der Trense eine Stange sei, oder weshalb er denn jetzt rückwärts gehe und nicht mehr wolle, bleiben von mir unbeantwortet, da ich – auch durch das schöne Bild – sprachlos bin.

      Nun wird ein bezaubernd schöner Fuchs von einer jungen Frau vorgestellt. Er geht im Schritt an uns vorbei, ich rufe „Ach, ein Hengst, was für ein Kerl!“ Eine Weile tiefes Schweigen auf den Bänken, bis meine Nachbarin sich zu mir herüber beugt:

      „Ich