BIZARR. Sharon Lee. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sharon Lee
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847611394
Скачать книгу
17b73-7485-5b87-ae04-7f7a5857a3c8">

      Sharon Lee

      BIZARR

      Mord an der Jungfrau

      Dieses ebook wurde erstellt bei

      

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Vorspann

       Der Fremde am Tisch

       Leiche im Beton

       Im Zweifelsfalle schuldig

       Verräterische Halskette

       Die Jungfrau

       Verbitterte Freundin

       Aussage einer Zeugin

       Hinter der Fassade

       Kneipengespräch

       Grüntee

       Gewitter über Bünzigen

       Unfall mit Fahrerflucht

       Im eisernen Griff

       Noch ein Geheimnis

       Ein Glas Whisky zuviel

       Der Tote im Luxuswagen

       Was andere denken

       Dämonen im Kopf

       Domino

       Impressum neobooks

      Vorspann

      Bizarr ist die Phantasie der Furcht.

      Noch bizarrer die des Misstrauens.

      (Karl Gutzkow)

      Kriminalromane von Sharon Lee

      2013 Bitterkalt

      2013 Das zerrissene Bild

      2013 Drangsaliert

      2014 Fleisch und Blut

      Der Fremde am Tisch

      Bittere Verzweiflung sprach aus seinen Augen, als er sagte: «Ich habe jemanden getötet! Ein Mensch musste sterben, es ist meine Schuld. Was ich getan habe, ist unverzeihlich.»

      Hatte sie richtig gehört, Dr. Wiederkehr wollte jemanden ermordet haben? Unmöglich. Sein miserabler physischer Zustand gab Carla Fuchs Anlass zur Besorgnis, und nun fragte sie sich auch, ob es um seinen geistigen Zustand genauso schlimm stand. Sie brauchten sich nichts vorzumachen, die Krankheit hatte ihn fest im Griff. Die kleinste Bewegung, nur schon das Hochheben eines Armes, bedurfte höchster Anstrengung. Der Tod war unausweichlich.

      Sie überlegte, wie viel Wahrheitsgehalt sie seiner Aussage beimessen konnte, ob sein Fantasieren auf die Medikamente zurückzuführen oder ob er ganz einfach verrückt geworden war. Andere Erklärungen fand sie nicht. Warum nur wollte er kurz vor seinem Tod einen Mord gestehen? Erdrückte ihn die Schuld oder was verbarg sich hinter der Fassade des Vierundachtzigjährigen?

      Die Detektivin zog einen Stuhl heran. Sie bemerkte, dass Dr. Wiederkehr wieder ruhiger atmete und nickte ihm aufmunternd zu:

      «Wie kann ich Ihnen helfen?»

      «Sie zweifeln an meinen Worten.»

      Es klang mehr nach einer Feststellung als nach einer Frage.

      «Wenn ich ehrlich sein soll – in der Tat fällt es mir schwer zu glauben, dass Sie ein Mörder sind.»

      Genauer gesagt war es für Carla Fuchs unvorstellbar, dass der einstige Sportsfreund ihres Vaters einen Mord begangen haben sollte. Sie kannten sich fast ein Leben lang. Bis zu ihrem Schulabschluss hatte Fuchs im aargauischen Bünzigen gelebt, in derselben Gemeinde wie die Familie Wiederkehr. Die Kontakte zu ihrer alten Heimat hatte sie nie abbrechen lassen und pflegte die alten Freundschaften so gut es ihr Beruf erlaubte, auch zu Dr. Wiederkehrs Sohn Konstantin, der etwa ihren Jahrgang hatte. Nach dem Studium hatte er die Immobilienfirma vom Vater übernommen und etwa zur selben Zeit eine aus der Stadt geheiratet.

      Im Allgemeinen zollten die Bewohner von Bünzigen der Familie Wiederkehr Respekt, einige begegnen ihnen mit Ehrfurcht. Andere hatten sich von der Familie abgewendet. Sie wehrten sich gegen den Bauboom und den damit verbundenen Zuzug von Ausländern. Darüber sprach man oft – hauptsächlich hinter vorgehaltener Hand. Mit wachsender Einwohnerzahl hatte sich auch der ursprüngliche Charakter der Gemeinschaft verändert. Aus dem Dorf wurde eine Kleinstadt, Freundschaften gingen in die Brüche, man schaute verstärkt nur noch für sich selber. Konstantin wurde nachgesagt, er sei ein Nichtsnutz, ein Waschlappen, der sich von seiner Frau die Hörner aufsetzen liesse.

      Sekunden der Rückblende vergingen, dann schüttelte Carla Fuchs erneut den Kopf: «So sehr ich mich bemühe, ich kann mich nicht erinnern, dass es in Bünzigen einen Mord gegeben hätte. Sie wollen doch nicht eine Schuld auf sich lasten für einen Mord, den Sie nicht begangen haben?»

      «Ich bin wohl sehr krank, doch nicht so verwirrt, dass ich nicht wüsste, wovon ich spreche. Noch etwas: Ich bestehe darauf, Sie grosszügig zu honorieren.»

      Fuchs folgte seiner Geste, ihre Augen wanderten zum Nachttisch: eine Thermoskanne stand dort, eine Vase mit Lilien, daneben lag ein schmaler, dick gewölbter Umschlag. Dr. Wiederkehr nickte ihr zu: «Los, stecken Sie ‘s ein!»

      Ein beklemmendes Gefühl überkam Carla Fuchs, als sie die vielen Geldscheine erblickte. Nicht, dass sie etwas gegen viel Geld gehabt hätte, doch das konnte sie nicht annehmen. Unvermittelt brachte sie zum Ausdruck, dass sie wohl an ein solides Honorar gewöhnt war, diese Summe jedoch ihre Vorstellung um ein Vielfaches übertraf. Sie hatte noch nicht einmal zugesagt. Während sich die Detektivin überlegte, ob sie sich auf diesen sonderbaren Fall einlassen wollte, war Dr. Wiederkehr schon überzeugt davon. Es war sein letzter Wunsch.

      Mager war er geworden. Die Wangenknochen und das Kinn stachen markant hervor, die Haut war fahl und von Pigmentflecken übersät, die Haare auf seinem Kopf wild zerzaust. Auf der ausgeklappten Tischfläche stand das Essen, ein Teller Griess mit Marmelade, unberührt; auch die Teetasse war noch randvoll. Als hätte er ihre Gedanken