Blutherbst. Wolfe Eldritch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wolfe Eldritch
Издательство: Bookwire
Серия: Weltengrau
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738080407
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den jungen Baldric zunächst nur in die rauste Gegend des Reiches versetzt. Man war davon ausgegangen, dass er wieder töten würde. Das taten tollwütige Hunde wie er immer. Wenn es dazu kam, war es einfacher und sauberer, ihn auf die eine oder andere Weise im Grenzland verschwinden zu lassen, als ihn in der Hauptstadt hinzurichten. Unfälle passierten, Überfälle von Gesetzlosen waren in der Ostmark ebenfalls keine Seltenheit, es gab viele Möglichkeiten.

      Doch von Dunstan war nicht wieder auffällig geworden. Er hatte sich nach dem einen Zwischenfall ebenso mustergültig verhalten wie zuvor. Severin war ein Mann, der einem andere stets eine zweite Chance zugestand, doch in diesem Fall hatte er immer ein ungutes Gefühl gehabt. Zu genau hatte der Bericht die Details dessen wiedergegeben, was der Ordensbruder mit der jungen Hure getan hatte. Wie er ihren Körper zugerichtet hatte. Es gab viele Abstufungen von Mord und zahlreiche Nuancen von Gewalt und Brutalität. Zu gewissen Taten war nur ein zutiefst kranker Geist in der Lage.

      Solange Severin de Contaut der Hochmeister des Ordens war, würde von Dunstan ganz sicher kein Landmeister werden. Und doch vertraute er auf das Urteilsvermögen seines alten Freundes. Wenn Jarek den Mann für einen fähigen Marschall hielt, dann war er das auch, ganz gleich, welche Untiefen in seinem Inneren lauern mochten.

      »Ich bin nur sehr lückenhaft informiert«, meinte Zdravko nun, »klärst du mich noch darüber auf, wie es andernorts aussieht, bevor ich aufbreche? Irgendetwas Neues von Silvershire, dem Thronfolger, der Küste?«

      Die Mine des Hochmeisters verdunkelte sich schon bei der ersten Frage. Er drehte sich zu dem Freund um, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Mauer.

      »Dieser Tage wünschte ich mir fast, ich würde auch schlechter informiert werden«, meinte er mit einem schiefen Lächeln. »Silvershire gibt es nicht mehr. Wenn wir den Namen verwenden, sprechen wir nur noch über ein kleines Heerlager an dem Ort, an dem es sich früher befunden hat. Das Massaker an den Bewohnern hast du noch mitbekommen, denke ich?«

      Der dickliche Landmeister nickte. »So lückenhaft ist die Informationskette dann doch nicht.«

      »Nun«, fuhr Severin mit einem Nicken fort, »die dorthin gesandten Brüder sind ebenso tot wie die Priester, die sie begleitet haben. Nur zwei oder drei Angehörige der Inquisition konnten sich so glücklich schätzen, den Aufenthalt dort zu überleben. Alle anderen haben sich, wenige Tage nach ihrem Eintreffen, die Lunge aus dem Leib gekotzt. Niemand weiß, ob es eine Krankheit oder ein Gift war. Wie es aussieht, haben diese Bastarde aus dem Wald erst die komplette Bevölkerung abgeschlachtet und dann ein kleines Geschenk dagelassen. Inzwischen ist alles, was von Silvershire noch übrig ist, verbrannte und gesalzene Erde.«

      »Das ist übel«, brummte der Landmeister, »und was weiter? Du hast von einem Heerlager gesprochen?«

      »Wir haben nach dem Erhalt der Kunde sofort massive Verstärkung geschickt. Soldaten des Königs und des Herzogs, um die Gegend abzuriegeln, Mitglieder des Ordens und der Kirche, um die Grenze zum Wald dichtzumachen.

      Was immer unsere Leute getötet hat, wir haben es ausgelöscht. Ob nun durch das Feuer oder Gabe der Priester, jetzt ist der Waldrand jedenfalls sauber. Von den verdammten Silvalum fehlt weiterhin jede Spur. Die Straßen im Umland sind abgeriegelt und dort, wo früher Silvershire war, befindet sich jetzt ein Heerlager. Größtenteils Männer von Herzog de Ortega, dazu ein paar Brüder und einige Mitglieder der Kirche. Wenn sich der nächste Waldling dort zeigt, wird er nicht besonders viel Freude haben, denke ich.«

      Er räusperte sich, streckte den Rücken und schob die Gedanken an den Süden wieder beiseite. Er war selbst einige Male in Silvershire gewesen und hatte die rustikale Ortschaft gemocht und die eigenartig friedliche Atmosphäre am Rande des uralten Waldes genossen.

      »An den westlichen Küsten ist alles ruhig«, fuhr er fort, »wobei es das ja ohnehin war. Die Schiffe sind schließlich still und leise verschwunden. Soweit ich informiert bin, hat sich die Lage nicht geändert. Jedenfalls hat noch niemand von Piraten berichtet oder sonst etwas Auffälliges bemerkt. Das ist eine von diesen lästigen Angelegenheiten, die man nur langfristig beobachten kann. Der verdammte Ozean ist einfach zu groß.

      Was den Königssohn angeht, sieht die Situation ähnlich düster aus, fürchte ich.«

      »Immer noch?«, warf der Landmeister ein. »Nach all der Zeit seit seiner Verletzung? Ich hatte angenommen, dass die Priester ihn hier, im Herzen der Kirche und des Reiches, heilen können.«

      »Dahlenbrugge hat getan, was er konnte.« Severin zuckte mit den Schultern. »Ich habe selbst ein paar Mal mit dem Erzbischof gesprochen. Beim letzten Mal meinte er, der Junge sähe aus, als würde er keine Woche mehr schaffen. Das war aber vor zwei Monaten auch nicht anders. Er besucht den Prinzen immer noch regelmäßig, aber er kann nichts mehr für ihn tun. Mehr als warten bleibt dem König nicht.«

      Der Landmeister der Ostmark nickte und seufze. »Nur eine Gewitterwolke mehr, die über unseren Köpfen hängt.«

      Einen Moment lang tat er es seinem Freund und Vorgesetzten gleich und ließ seine Blicke über die friedvolle Landschaft schweifen, welche Wachtstein umgab.

      »Ach verdammt, so sehr ich meine Heimat liebe, ich wäre gerne noch eine Weile hier geblieben«, sagte er schließlich. »Aber ich schätze, wenn ich die frostfreie Zeit voll ausnutzen will, muss ich in ein bis zwei Wochen den Abmarsch befehlen.

      Wie läuft es eigentlich mit deinem Landmeister hier, macht dir von Hainesruh immer noch Ärger? Ich meine mich zu erinnern, dass du zwischen den Zeilen erwähnt hast, dass dir dein aufstrebender direkter Untergebener nicht sonderlich viel Freude macht.«

      Das faltige Gesicht des Hochmeisters verzog sich, als ob er gerade in eine Zitrone gebissen hätte.

      »Du willst mir unbedingt noch den Morgen versauen, bevor du wieder abreist, mag das angehen?«

      Zdravko grinste breit über sein feistes Gesicht. »So schlimm?«

      Severin seufzte und schüttelte den Kopf. »Nein, eigentlich nicht. Manchmal glaube ich, das Problem liegt eher bei mir beziehungsweise an meiner Abneigung ihm gegenüber. Er ist ein Wichtigtuer, der keine Gelegenheit auslässt, um sich in den Vordergrund zu spielen, ob hier, bei Hof oder bei der Kirche. Leider ist er darüber hinaus außergewöhnlich intelligent und kompetent. Er hat ein Gedächtnis wie eine Bibliothek und ist ein fähiger Mann. Was er anpackt, erledigt er vorbildlich. Aber er sprüht bei Bedarf auch geradezu an Charme und hat eine gelassene Arroganz am Leib, die meine Geduld oft auf eine harte Probe stellt.«

      »Will er deinen Stuhl?«, fragte Zdravko.

      »Darum scheint es ihm gar nicht zu gehen. Das ist ja der Grund, warum sein Verhalten manchmal so an mir frisst. Das würde ich verstehen. Er ist jung und fähig, attraktiv und gewitzt. Ein gewisser Ehrgeiz wäre nur natürlich.«

      »Aber wenn ich deine Briefe richtig verstanden habe, kümmert er sich um Belange, mit denen er nichts zu tun hat. Die teils eher in deine Entscheidungsfindung fallen würden«, meinte der Landmeister.

      »Das tut er auch. Das tut er, wenn auch diskret, eigentlich ständig. Aber, und das ist der Punkt, warum ich ihn nie richtig zu packen bekomme, er macht das gut. Er tut es beiläufig, ohne offensichtlich einen Vorteil daraus zu ziehen. Und er gibt sich dabei in seinen Entscheidungen keine Blöße, tut nichts anderes als das, was ich auch tun würde.

      Er ist wie ein Gockel, wenn es darum geht, den Orden zu repräsentieren. Aber wenn er seine Befugnisse überschreitet, dann tut er das offenbar uneigennützig und mit einer aufreizenden Bescheidenheit.«

      Der alte Hochmeister hob in einer Geste der Hilflosigkeit die Arme und ließ sie wieder sinken. »Ich kann es nicht besser erklären. Wie ich eingangs sagte, manchmal glaube ich schon, dass es einfach nur an mir liegt. Dass ich seine Art nicht ausstehen kann und deswegen Gespenster sehe. Aber trotzdem, dieser Mann ist mir suspekt, das war er schon immer.«

      Der Landmeister grinste nicht mehr, lächelte aber noch immer breit und nickte. »Ich hatte vor, mir heute nochmal in Ruhe die Stadt anzuschauen. Morgen mache ich eine kurze Aufwartung beim Kardinal