Der Herr des Krieges Gesamtausgabe. Peter Urban. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Urban
Издательство: Bookwire
Серия: Warlord
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742789464
Скачать книгу
hatte es schon immer Spaß gemacht, um Pferde zu handeln wie der schlimmste Roßtäuscher des County Meath. Nachdem Don Fernando alle Iren als Halunken ohne Scham bezeichnet hatte, kam er jetzt erst richtig in Fahrt: „Amigo, seien Sie vernünftig! Niemand wird Ihnen für dieses Pferd 450 Dollares bezahlen! Ein Damenpferd, ein Spielzeug! Kastriert! Der taugt weder für die Zucht noch für die Corrida! Sie müssen froh sein, wenn Ihnen ein blauäugiger Idiot 400 Dollares für diesen Gaul anbietet!” Er hielt dem Spanier die Hand entgegen: „Schlagen Sie ein und danken Sie dem Himmel dafür, daß ich Sie von diesem Fehler der Natur in einem Augenblick der Schwäche befreie!” Seine Augen blitzten Don Fernando belustigt an. „Ein Fehler der Natur! Generalissimo, ich Don Fernando Cabrrera de Ortiz züchte keine Fehler der Natur! Sie sind der schlimmste Pferdehändler, der mir je über den Weg gelaufen ist! Sie haben mich zu einem armen Mann gemacht! Oh, Madre de Dios! Erzählen Sie bloß nicht herum, daß Sie mich so hereingelegt haben! Nur 400 Dollares für meinen Augapfel!” Der Spanier schlug in die ihm gebotene Hand ein, seufzte dramatisch und übergab dem Iren die Zügel des Pferdes. Der Kaufvertrag war rechtsgültig, beide Männer strahlten zufrieden übers ganze Gesicht. „So mein Freund! Ahora vamos a abrir una botella! Libertad gehört nun Ihnen und Ihre schönen spanischen Goldstücke sind mein!” Lord Wellington und Don Fernando betraten gemeinsam den Salon des prächtigen Wohnhauses um ihren Vertrag und die Übergabe des Pferdes ordentlich zu begießen. Während eine Hausangestellte den schweren, spanischen Rotwein in große Kristallglässer füllte, zählte der Ire 400 goldene Dollares vor dem Spanier auf einen kleinen Tisch. Don Fernando suchte aus einer Schreibtischschublade die Papiere des Pferdes und übergab sie Arthur. „Libertad! Ein hübscher Name und irgendwie passend! Was werden Sie mit meinem schönen Grauen nun tun?“

      „Ein Weihnachtsgeschenk für jemanden, der mir sehr am Herzen liegt, mein Freund!” Der General zwinkerte dem Spanier, wie ein Verschwörer zu.

      „Tiene que ser muy linda por merecer este caballo!“

      „Oh si, Amigo!“ Arthur lächelte den Spanier an. Er konnte es kaum noch erwarten, Sarah den großen Grauen zu schenken.

      Einige Stunden und einige Flaschen Wein später verließ er leicht erschlagen Jerez. Kopenhagen schien genausoglücklich und zufrieden wie sein Reiter. Lammfromm hatte er sich einfangen und aufzäumen lassen. Bißspuren an seinem Hals zeugten von einem erfolgreichen Nachmittag auf der großen Koppel. Der Ire nahm sich vor, in elf Monaten nach Jerez zu schreiben, um zu erfahren, ob sein Hengst Vater geworden war. Der Graue trottete ruhig hinter dem Fuchs her. Am späten Abend traf der General gutgelaunt in Badajoz ein und brachte beide Pferde in den Stall. Dann suchte er nach einem Hufeisen, das er in die Tasche seines Mantels steckte. Sarah und Dunn hatten sich schon ein wenig Sorgen gemacht, daß er den Weihnachtsabend verpassen würde. Die gefüllte Ente schmorte im Ofen, der Tisch war gedeckt und die Kerzen bereits angezündet. Im großen Salon der Zitadelle brannte ein heimeliges Feuer im Kamin, das den Raum mit angenehmer Wärme erfüllte.

      „Na endlich, du Streuner! Wo hast du dich den ganzen Tag herumgetrieben?” Sarah hatte die eiskalten Hände des Generals in die ihren genommen, um sie ein wenig zu wärmen. „Du bist ja total durchgefroren! Außerdem hast du getrunken!”

      „Ein bißchen! Sei nicht böse!” Er drückte ihr einen zärtlichen Kuß auf die Stirn: „Fröhliche Weihnachten, Kleines!” Der Ire legte seinen dunkelblauen Reitmantel ab und zog Lady Lennox zum Tisch hinüber. John holte die Ente aus dem Offen und trug sie auf.

      „Wenn Sie mich nicht mehr brauchen, Sir Arthur, dann werde ich jetzt zur Weihnachtsmesse in die Kathedrale gehen!”

      „Wollen Sie nicht mit uns zu Abend essen?“

      Der alte Mann zwinkerte seinem Herren zu: „Ich bin mir sicher, Sie würden gerne ein paar Stunden alleine mit Mylady sein! Außerdem war ich schon lange nicht mehr in der Kirche und auf dem Markt haben mir die alten Frauen erzählt, daß die Christmesse hier besonders schön ist! Also, fröhliche Weihnachten!” Er verschwand und zog die Tür hinter sich ins Schloß. Sarah war aufgestanden und holte eine Flasche Wein von einem kleinen Beistelltisch. Sie füllte beide Gläser. Die Ente war dem Sergeanten wunderbar gelungen.

      Nach dem Essen holte die junge Frau den Kaffee aus der Küche und ließ sich dann mit einem großen Stück Schokoladenkuchen in ihrem Sessel vor dem Kaminfeuer nieder. Arthur setzte sich auf den weichen Teppich, schlang seine Arme um Sarahs Knie und barg den Kopf in ihrem Schoß. Sanft strich sie ihm übers Haar. In den letzten Wochen hatten sie so selten Zeit gefunden, ein paar friedliche Stunden alleine miteinander zu verbringen. Das britische Hauptquartier hatte einem Bienenschwarm geglichen.

      „Und übermorgen werden wir nach Coimbra reiten, mein Lieber!”

      „Und einen ganzen Monat lang wunderbar faulenzen, Kleines. Bei dem Wetter wird sich kein Marschall über die Grenze wagen. Mit ein bißchen Glück haben wir bis in den April hinein Ruhe vor unseren französischen Freunden und können uns vernünftig auf den nächsten Sommer vorbereiten. Die Wälle von Torres Vedras sind beinahe fertig!“

      „... und damit ist wenigstens Lissabon sicher?”

      „Laß den Krieg für heute abend vor der Tür! Ich habe noch eine Überraschung für dich!” Der General stand auf und kramte in seiner Manteltasche nach dem Hufeisen. „Dein Weihnachtsgeschenk!“ Er schmunzelte eine verwunderte Sarah an, die nicht so ganz verstand.

      „Ein Glücksbringer?“

      „Eigentlich nicht! Der Rest von deinem Weihnachtsgeschenk paßt nur nicht in dieses Zimmer!” Er hängte der jungen Frau den schweren Mantel um die Schultern, und zog sie hinter sich her: „Du wirst wohl oder übel mit nach draußen kommen müssen!”

      Sarah folgte ihm durch die kalte Weihnachtsnacht über den dunklen Innenhof zu den Stallungen. Der General öffnete das schwere Holztor und zündete eine Laterne an. Sarah folgte ihm neugierig. Er leuchtete die letzte Box an: „Das gehört auch noch zu deinem Hufeisen! Er heißt Libertad!” Zutraulich streckte der große, graue Wallach seinen Kopf über die Tür und sah Sarah aus sanften, dunklen Augen an. „Er ist wunderschön, Arthur!” Vorsichtig öffnete sie die Box, um das Pferd zu betrachten. Der Graue rieb seinen Kopf an ihrer Schulter, um Bekanntschaft zu schließen. Wellington hatte sich gegen die Wand des Stallgebäudes gelehnt und sah den beiden zufrieden zu.

      Am letzten Tag des Jahres 1809 trafen der General, John Dunn und Dr. Lennox in der schönen, alten Stadt Coimbra ein – dem lusitanischen Athen, das hoch an einem Hang des rechten Mondego-Ufer an den Ausläufern der Serra de Lovao gelegen war. Ihr Weg hatte sie von Badajoz über Pontalegre, Abrantes und Tomar geführt. Arthur hatte den Weg durch das Tejo-Tal gewählt, entlang an Olivenhainen, Obst- und Gemüsekulturen und durch das portugiesische Burgenland. Im Entre-Duero-Minho und in der Beira gab es insgesamt mehr als 35 Burgen und Burgruinen. Um viele dieser alten Mauerwerke rankten sich Sagen und Legenden, über einige hatte der Ire während seines Aufenthaltes in Tomar gelesen. Seine zweite Leidenschaft neben dem Kriegshandwerk war schon immer das Studium der Geschichte gewesen. Die kleine, ruhige Reise gab ihm Gelegenheit mit eigenen Augen zu betrachten, was ihn in den Büchern fasziniert hatte. Und Coimbra würde seinen Wissensdurst noch viel mehr befriedigen, als die Bibliothek von Tomar, in der für seinen Geschmack zuviele religiöse Werke standen. In dieser Stadt drehte sich alles um eine wunderbare, alte Universität, die schon früh von den kunstsinnigen Königen, Bischöfen und Jesuiten des Landes gefördert worden war und über eine prachtvolle, barocke Bibliothek mit mehr als 12.000 Bänden verfügte, die Biblioteca Joanina. Diese war im frühen 18. Jahrhundert von König Joao dem Fünften für seine österreichische Frau Anna Maria nach dem Vorbild der Wiener Hofbibliothek eingerichtet worden. Sie besaß den Ruf, eine der besten historischen Bibliotheken der europäischen Welt zu sein. Lord Wellington hatte so gut wie jedes Werk zuverlässiger Militärhistoriker von der Antike bis zur Neuzeit gelesen, das ihm sprachlich zugänglich gewesen war. In Coimbra hoffte er nun die zu finden, die ihm bislang verschlossen geblieben waren. Sarah erwartete den Ferienmonat genausoungeduldig wie der Ire, obwohl ihre Beweggründe mehr natur- als geisteswissenschaftlicher Art waren.