Der Herr des Krieges Gesamtausgabe. Peter Urban. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Urban
Издательство: Bookwire
Серия: Warlord
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742789464
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nicht ungefährlich war – die Soldaten mußten ihre Uniformen und damit den Schutz der Gesetze des Krieges hinter sich lassen – hatte der bewährte Colquhoun Grant nur Freiwillige ausgewählt. Sollten diese Männer in französische Hände fallen, so waren sie des Todes. Doch ihr Wagemut wurde belohnt. Der Informationsfluß aus Spanien steigerte sich täglich. Französische Depeschen, die die Widerstandskämpfer abfingen, gelangten in kürzester Zeit nach Badajoz und in Wellingtons Hände. Er wußte nicht nur genau, wo die Franzosen standen, er kannte sogar die gesamte Gerüchteküche seiner Gegner und bald auch persönliche Schwächen und Unzulänglichkeiten der Marschälle Frankreichs, die er vielleicht, im richtigen Augenblick, zu seinen Gunsten nutzen konnte. Nur über die Pläne des Kaisers vermochte der Ire selbst auf diesem Weg nichts zu erfahren.

      Kurz vor Weihnachten, nur Wellington, seine Adjutanten, ein paar Stabsoffiziere, Lady Lennox und Sergeant Dunn befanden sich noch in der Zitadelle von Badajoz auf der spanischen Seite der Grenze, kam ein überraschender Brief aus Navarra. Ein grobschlächtiger Bauer, mit wettergegerbtem Gesicht und knollig-roter Nase hatte sich raubeinig und in schlechtem Französisch den Weg ins Hauptquartier geebnet. Da Arthur nicht viel von Wachposten vor seiner Tür hielt, war der einzige Widerstand auf den der Mann stieß, der alte Sergeant Dunn. Doch noch bevor John reagieren konnte – er hielt ein Tablett mit Mittagessen und Kaffee in Händen –, hämmerte der sonderbare Kerl schon lautstark an die Tür von Wellingtons Arbeitszimmer.

      „Kommen Sie rein, John! Sie brauchen die Tür nicht gleich einzuschlagen!” Arthur war nicht wenig erstaunt, als er in ein bärtiges, unbekanntes Gesicht blickte, daß anstelle seines alten Sergeanten ins Zimmer drängelte. Doch seit den ersten Tagen des Feldzuges auf der Iberischen Halbinsel und in Anbetracht seines multinationalen Feldheeres hatte er sich in solchen Fällen eine Frage angewöhnt, die ihm auch hier im Reflex entglitt: „Spanisch, Englisch oder Französisch?”

      Der Bär begriff nicht so ganz, was der General nun eigentlich von ihm wissen wollte und bellte zurück: „Vasco!”

      „Baskisch! Tut mir leid, das spricht hier leider niemand!” Der Ire blickte den Bärtigen entwaffnend an.

      „Jefe! Er ist Baske! Versuche es doch einfach mal auf Französisch mit ihm!” Don Antonio schmunzelte, denn er hatte inzwischen den sonderbaren Besucher wiedererkannt. Er gehörte zur Truppe von El Minas, mit der er auf dem Pic Almanzor Bekanntschaft gemacht hatte. Arthur zuckte nur mit den Schultern und hob die Hände in einer sonderbar unbritischen Geste gen Himmel. Wenn er mit seinen Gedanken woanders war, dann konnte man ihn wunderbar überrumpeln. Dies hatte im Hauptquartier schon zu einigen Lacherfolgen geführt: „Bon, Monsieur! En quoi je peux Vous être utile?“

      „J’ai une lettre d’El Minas! C’est toi, ce salaud d’aristocrate irlandais, qui botte les fesses des grenouilles?” Die Frage des Basken war unmöglich. In einem grauenvollen Patois hatte er sich bei Arthur erkundigt, ob er dieser widerwärtige, irische Aristokrat sei, der die Frösche ins verlängerte Rückgrat trat. Zumindest war dies die wohlerzogene Übersetzung eines Gentleman für das laute Gebell des bärtigen Wilden.

      „C’est bien moi! Mais asseyez-vous donc, mon Ami et prenez d’abord une petite collation après vos efforts!”

      „Quoi?” Der Baske hatte gerade eben kein Wort verstanden.

      Jetzt bellte Wellington in an: „Pose tes fesse dans une chaise, Andouille et bouffe d’abord un truc. Tu veux du pinard?” Die drei Jahre in Angers hatten auch bei ihm Spuren hinterlassen. Wenn es sein mußte, dann konnte er sich problemlos auf das soziale Umfeld jedes Gesprächspartners einstellen. Ein zufriedenes Grinsen ging über das Gesicht des Bären. Er ließ sich auf den nächsten Stuhl fallen: „B’en, b’en! Au moins, avec toi on peut causer normalement! Allons, fille moi le casse-croute et la niolle et je te raconte les Dernières de ton copain corse!”

      Don Antonio verschluckte sich im Hintergrund vor lauter Lachen. Tränen liefen ihm aus den Augenwinkeln. Der Jefe und der Bär hatten sich in die tiefsten Abgründe der französischen Sprache begeben, so wie sie in den Kneipen, Häfen und finsteren Löchern zwischen Bordeaux und Toulouse praktiziert wurde. Der Portugiese hatte zwar schon vor einer ganzen Weile begriffen, daß der Ire Sinn für Humor hatte, aber bei dieser kleinen Unterhaltung eben, hatte sich der Oberkommandierende des anglo-alliierten Feldheeres selbst übertroffen.

      „John, würden Sie bitte unserem verehrten Gast ein Mittagessen und Wein servieren!” Der Sergeant, der kein Wort Französische sprach hatte absolut nichts mitbekommen und die Pointe war ihm entgangen. Mit entrüstetem Gesicht knallte er das Tablett vor dem Basken auf den Tisch und verließ das Zimmer. Don Antonio hörte ihn gerade noch ein „Ungezogener Lümmel!” in den Bart murmeln. Der Bär zog sein Messer aus dem Gürtel und begann geräuschvoll zu mampfen. Beim Wein bemühte er sich erst gar nicht. Das Getränk gurgelte direkt aus der Flasche seine Kehle hinunter: „Ah, mon pote! C’est du bon, ça!” kommentierte er zustimmend den portugiesischen Rotwein aus Don Antonios eigenem Keller.

      Arthur grinste immer noch. „Wenn der Wilde mit den Franzosen genauso umspringt, wie mit uns”, dachte er, „dann tut Bonny mir richtig leid!” Er schüttelte den Kopf: „Alors! Wo ist der Brief von El Minas?” Eine Hand von der Größe eines Tellers fuhr über einen riesigen, saucenverschmierten und von Haaren umwucherten Mund. Dann wurde sie fachgerecht und ordentlich an seinem nicht mehr so ganz sauberen, groben Leinenhemd abgewischt. Der Bär kramte ein fürchterlich zerknittertes Papier aus der Hosentasche hervor und drückte es dem Iren in die Hand: „Hätte ich beinahe vergessen, Kumpel! Aber ich bin geritten, wie der Teufel, weil der alte Minas gesagt hat, es wäre schrecklich wichtig! Übrigens, ich heiße Jose Etchegaray!”

      Der General öffnete den Umschlag. Eine blutgetränkte, französische Depesche lag in El Minas’ Brief. Napoleon kündigte seinem Bruder Joseph an, daß er nicht vorhatte, nach Spanien zu kommen. Er wollte zuerst Prinzessin Marie-Louise von Habsburg, die Tochter des österreichischen Kaisers heiraten. Und dann mußte er endlich die Gründung einer Dynastie Bonaparte in Angriff nehmen. Seine Priorität war es, einen Thronfolger zu bekommen. Um den Krieg in Spanien und um die Briten sollte sich der bewährte Andre Massena, Marschall von Frankreich und Prinz von Esslingen kümmern. Wellington streckte die Depesche Don Antonio mit einem Seufzer der Erleichterung entgegen. Dann klopfte er dem Bären kräftig auf die Schulter: „Jose Etchegaray, du hast mir ein. wundervolles Weihnachtsgeschenk gemacht. Ich danke dir und El Minas von ganzem Herzen!”

      „Schon gut, Kumpel. Der Alte meint, wer so verrückt ist, sich alleine mit 320.000 Franzosen herumzuschlagen, der kann kein schlechter Kerl sein. Ich werd ihm sagen, daß er sich in dir nicht getäuscht hat. Bist auch nicht überheblich mit dem einfachen Volk!”

      „Was hat der Minas dir aufgetragen? Braucht er irgend etwas?”

      „Ach ja! Der Alte läßt dir noch ausrichten, daß er mit deinem britischen Sergeanten sehr zufrieden ist! Bringt den Männern bei, ordentlich zu kämpfen! Aber wir haben jetzt mehr Leute und brauchen mehr Waffen!”

      „Die bekommt er! Ich werde Anweisung geben, daß ein schneller Klipper an die Küste bei San Sebastian geschickt wird. Ich lasse deinen Chef wissen, wo und wann er anlanden wird!”

      Der Wilde beendete zufrieden seine Mahlzeit und leerte den Rest Wein. Dann streckte er sich genüßlich: „So, Kumpel! Jetzt werde ich ein Nickerchen machen und dann verschwinde ich wieder in Richtung Navarra.” Wellington überlegte einen Augenblick. Er bedeutete Jose mitzukommen und führte ihn in ein Zimmer im zweiten Stock: „Schlaf dich ordentlich aus. Ich werde dir noch ein paar Briefe für El Minas und euren britischen Sergeanten mitgeben. Wie schnell kannst du wieder in Navarra sein?“

      „Wird wohl zehn, zwölf Tage dauern, Kumpel. Ich hab nur ein altes Maultier!” Der General ließ den Basken ausruhen und verzog sich hinter seinen Schreibtisch. Wenn nur Massena nach Spanien geschickt wurde, dann konnte es sich durchaus lohnen, im Frühjahr bereits eine kleine Expedition über die Grenze zu wagen. Der Prinz von Esslingen hatte kein gutes Verhältnis zu Victor, Ney, Mortier und Soult. Gewiß würden die Marschälle sich mehr in den Haaren liegen, als an einen vernünftigen Kriegszug gegen die Briten zu denken. Trotzdem war es nicht auszuschließen, daß das Frühjahr