Der Herr des Krieges Gesamtausgabe. Peter Urban. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Urban
Издательство: Bookwire
Серия: Warlord
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742789464
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britischen Regiments und der portugiesischen Garde setzten an, die portugiesische Hymne zu spielen. Zwei Soldaten im roten Rock öffneten die großen Flügeltüren zum Ballsaal der Redoute und John Beresford trat ein, bekleidet mit der spektakulären, goldverbrämten grauen Uniform eines Marschalls von Portugal, den federgeschmückten Zweispitz in der Hand. Hinter ihm konnte man sein Heer von Adjutanten und Stabsoffizieren erkennen, alle gleichfalls prächtig gekleidet.

      Inzwischen hatten Wellingtons Augen Campbell ausgemacht. Der Oberst wendete glücklicherweise einen kurzen Moment lang seinen Blick von Beresford ab und hin zu seinem Kommandeur. Arthurs Lippen formten das Wort ‚Orden’ und er deutete auf seinen eigenen Bath-Orden auf der linken Brust. Campbell zeigte durch die Menschenmasse hindurch zu Don Antonio, der neben seiner Gemahlin Donna Ines auf der anderen Seite des Ballsaales stand. Lady Lennox verzog belustigt den Mund. Der Austausch von Handzeichen ging unbemerkt von den anderen Gästen weiter. Schließlich gelang es Arthur, Colin Campbell deutlich zu machen, daß er Don Antonio mit der berüchtigten Samtschatulle zu ihm schicken sollte.

      „Hola, Jefe! Wir dachten schon, du verpaßt Sir Johns großen Auftritt!”, flüsterte sein Adjutant ihm spöttisch ins Ohr.

      „Hast du das verdammte Ding, Amigo?“ Wellington hielt nicht viel von Orden und Ehrenzeichen. Auf dem Schlachtfeld zogen sie immer die Aufmerksamkeit feindlicher Scharfschützen auf den Träger und bei gesellschaftlichen Ereignissen verhedderten sie sich in den Roben der Damen. Er konnte sich in seiner verteufelten, roten Generalstabsuniform kaum bewegen, der hohe goldbestickte Kragen erwürgte ihn fast, und bei jeder Bewegung mußte er darauf achten, nicht an irgend jemandem mit Goldlitzen, Sporen oder Säbel hängenzubleiben. Die Geigenstimmen der beiden Orchester ertranken in diesem Augenblick im lauten Jubel der Blasinstrumente. Die Portugiesen waren so unglaublich stolz auf ihren Sieg bei Bussaco und auf diese Auszeichnung ihres Marschalls, daß das Orchester der Garde die britischen Bläser auf den letzten Noten ihrer Nationalhymne zu Boden spielte. Langsam stieg Beresford die Treppen hinab. Wellington bot Lady Lennox den Arm an und bedeutete seinen Adjutanten, ihm zu folgen. Als Gastgeber dieses Abends mußte er den neuen Ritter des Bath-Ordens an der untersten Stufe begrüßen. Seidenschleppen rauschten, Paradesäbel klirrten und der Oberkommandierende des anglo-alliierten Feldheeres neigte leicht sein Haupt vor dem Marschall von Portugal: „Es war ein weiter Weg, John! Und er ist noch nicht zu Ende!”

      Beresford beugte das Haupt vor dem Iren: „Ganz Lissabon ist heute abend hier und alle Soldaten Englands! Du hast wohl dein Ziel erreicht ... Solange Douro sich nicht beunruhigt, solange beunruhigt sich in diesem Land niemand, auch wenn gestern noch alle laut gerufen haben: ‚Massena ante portas!’“ Er küßte galant zuerst Sarahs Hand, dann die von Donna Ines: „Ich hatte fast schon vergessen, wie die Damen in Abendroben aussehen! Sie sollten immer in Nilgrün erscheinen, Mylady Lennox! Diese Farbe kleidet Sie! Donna Ines, Sie sehen einfach zauberhaft aus!” Auf den Wangen der angesprochenen Damen entbrannten kleine rote Flecken. Es kam nur noch selten vor, daß die eine oder die andere in eleganter Garderobe Ballsäle am Arm eines ordensgeschmückten Offiziers unsicher machte. Zu lange schon dauerte dieser Krieg.

      In Beresfords Kielwasser bewegte sich fast der gesamte portugiesische Hochadel, der nicht mit den Braganzas nach Südamerika geflohen war. Arthur sah sogar seinen alten Freund, den Bischof von Oporto und fast alle Mitglieder des Kronrates mit ihren Gemahlinnen in der Redoute versammelt. „Gütiger Himmel! Welche Ängste müssen sie alle ausstehen, um sich irgendwo im Nirgendwo in einen Ballsaal zu drängeln, nur um fünf Minuten lang zu vergessen, daß wir im Krieg sind!” Der Ire bemerkte viele angespannte Gesichter, arrogant zusammengekniffene Augen, die ihre Furcht vor dem Feind und den französischen Greueltaten hinter künstlicher Selbstsicherheit und Überheblichkeit zu verstecken versuchte. Andere, die er noch vor kurzem in ihren rauhen Leinenhemden und Schaffellwesten in den Bergen getroffen hatte, seine tapferen Partisanen, standen sichtlich blaß ein wenig abseits. Sie kämpften verzweifelt gegen ihre Schüchternheit und die Unsicherheit, plötzlich die Uniform und die Goldlitzen eines Majors oder Obristen oder gar Brigadegenerals zu tragen. Er bedeutete John Carr Beresford den Weg zu einer kleinen Tribüne am anderen Ende des Saals. Der Marschall von Portugal bot Donna Ines den Arm an und folgte dem Oberkommandierenden des anglo-alliierten Feldheeres. Die anderen schlossen sich an. Immer wieder mußten Beresford und Wellington anhalten, um jemandem ein paar freundliche Worte zu sagen. Der Sieg von Bussaco und die Feuerprobe der Wälle von Torres Vedras lagen kaum vierzehn Tage zurück. Zahllose Offiziere aus den Provinzen waren als Vertreter der Ordonanza eingeladen worden. Beresford fragte sie nach ihren Männern und deren Moral aus, Wellington dankte ihnen – meist in einem inzwischen recht flüssigen Spanisch – für ihre Taten während des Feldzuges in Nordportugal. Der Ire schien den Namen jedes einzelnen Mannes zu kennen.

      Endlich waren sie angekommen: Wellington bedeutete Oberst Campbell die Samtschatulle mit dem Bath-Orden zu öffnen. Dann wandte er sich an Major Osorio Cabral de Castro: „Don Antonio, hätten Sie die Güte, ins Portugiesische zu übersetzen!” Die offizielle Verleihung der höchsten militärischen Auszeichnung Großbritanniens an Portugals Generalfeldmarschall Sir John Carr Beresford ging in lauten Vivas und Jubelschreien der Anwesenden unter. Die Musiker des 52. Regiments spielten „God Save the King“. Als wieder etwas Ruhe im Saal eingekehrt war, eröffnete der Oberkommandierende des anglo-alliierten Feldheeres endlich den Ball. Sarah raffte ihre Schleppe zusammen: „Hoffentlich verheddre ich mich nicht in deinen verdammten Goldlitzen, mein Lieber!”

      „Heute abend wirst du kaum die Wahl haben, Kleine! Oder du mußt mit dem Bischof von Oporto tanzen ...” Der General grinste die junge Frau breit an. Beresford hielt Donna Ines im Arm. Schnell schlossen sich alle anderen Paare dem Tanz an. Von Zeit zu Zeit warf Lord Wellington einen interessierten Blick in die Runde: „Ich glaube, meine Liebe, dieser Abend wird einige Ängstliche in unserem Rücken beruhigen ... Damit hätte John Beresfords Auszeichnung mir einen doppelten Dienst erwiesen: Lissabon zu beweisen, daß sie von Massena und den Adlern nichts zu befürchten haben, solange Großbritanniens Soldaten auf der Iberischen Halbinsel stehen, und die Armee Portugals mit einem unverwüstlichen Selbstbewußtsein auszustatten, um 1811 endlich den Krieg nach Spanien zu tragen!” Zwei Tänze später machten die Orchester auf Arthurs Zeichen hin eine Pause und alle Anwesenden stürzten sich auf das Büffet. Der Ire lieferte Lady Lennox bei Rowland Hill und Bob Craufurd ab. Dann verschwand er ganz in den Hintergrund des Saales, um sich mit dem Marquis de la Romaña und einem weiteren, hohen spanischen Offizier zu besprechen.

      „Sie sehen bezaubernd aus, Mylady Lennox!” Black Bob hatte sich verbeugt und Sarah den Arm angeboten, um sie zu einer Sitzgelegenheit zu führen. „Und ich hoffe, Nosey überläßt Sie für den Rest des Abends unserer Gesellschaft! Gewähren Sie mir den nächsten Walzer?“ Hill hatte einem Diener drei Gläser Champagner abgenommen, er reichte eines Lady Lennox, das zweite General Craufurd: „Ich glaube, Bob, wir haben den ganzen Abend unsere Ruhe vor dem Chef. Der kocht irgendeine böse Überraschung für unsere französischen Freunde aus ... Der Spanier an de la Romañas Seite ist der Kommandant der Festung von Badajoz, General Menacho!”

      Das Orchester begann wieder zu spielen. Galant verbeugte der Kommandeur der Leichten Division sich vor Lady Lennox: „Meine Liebe!“ Während Lord Wellington mit den Spaniern immer tiefer in einer Ecke der Redoute zu verschwinden schien, tanzte die junge Frau Walzer um Walzer mit den Offizieren der britischen Armee. Sogar Dr. Jack Robertson, der rundliche Benediktiner und der alte Sir James McGrigor hatten ihr nicht widerstehen können. Kurz nach Mitternacht tauchte Lord Wellington zufrieden und erleichtert aus seiner Ecke des Saales wieder auf. Er konnte Lady Lennox in General Pictons Armen auf der Tanzfläche ausmachen. Das alte Schlachtroß bewegte sich auf dem Parkett eines Ballsaales wesentlich schwerfälliger, als auf einem Schlachtfeld. Leicht verbeugte er sich vor Oberst und Lady Waldegrave: „Mylady, darf ich Sie bitten?” Die junge Frau war mit ihrem Gemahl bereits seit 1808 in Portugal. Oberst Waldegrave hatte sie anfangs in einer Husarenuniform versteckt, weil er fürchtete, der Ire würde die Dame nicht bei der Truppe dulden. Dann hatte Wellington, zum großen Erstaunen einiger jung verheirateter Offiziere, in ähnlicher Situation die illegalen Ladys in Uniform kurzerhand mit einem Federstrich regularisiert. Ihm war es im Grunde gleich, wer die Aufklärungsritte unternahm, solang keiner sich über die harten Lebensbedingungen eines Feldheeres im Kriege bei ihm beschwerte: „Na, wie gefällt