Der Herr des Krieges Gesamtausgabe. Peter Urban. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Urban
Издательство: Bookwire
Серия: Warlord
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742789464
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zurück und marschiert auf Coimbra. Meine Herren, laufen Sie wie der Teufel, bevor die Franzosen wieder zu sich kommen. In spätestens acht Tagen möchte ich, daß jeder Soldat dieses Feldheeres hinter den Wälle von Torres Vedras verschanzt liegt. Keine Nachhutgefechte, keine einsamen Heldentaten! Jede Division für sich und auf dem schnellsten Weg!“ Ein lautes Raunen ging durch die Ränge, der Ire hörte Stimmen, die sich darüber beklagten, daß er den Franzosen nicht den Todesstoß versetzten wollte, sondern nach einer siegreichen Schlacht davonlief wie ein Hase. Andere monierten, daß ihre Männer zu erschöpft seien. Nur von Picton, Craufurd, Hill und Maitland kam die richtige Antwort. Alle vier erhoben sich fast gleichzeitig und verließen den Speisesaal. Die Zurückgebliebenen verscheuchte Wellington grob: „Meine Herren, dies ist nicht der White’s Club in St. James! Sie haben zu gehorchen und nicht zu debattieren! Raus jetzt, das Feldheer rückt in drei Stunden ab!” Nachdem alle verschwunden waren, ließ er sich wieder neben Don Hernando auf die Holzbank fallen. Er spürte plötzlich jeden einzelnen Knochen im Leib, und jeder Muskel tat ihm weh. Er sehnte sich nur noch nach einem Eimer Wasser und ein paar Stunden Schlaf. Der Prior schenkte ihm ein Glas Wein ein und schob ihm einen gefüllten Teller hin: „Los, mein Sohn! Sie haben Ihre Sache gut gemacht! Essen Sie etwas, entspannen Sie sich ... Ich werde Sie in drei Stunden aufwecken!” Wellington schlang das Essen hinunter, schob den Teller zur Seite und ließ den Kopf auf die Arme fallen. Er war in dieser unbequemen Position sofort eingeschlafen. Kopfschüttelnd stand der Karmelitermönch vom Tisch auf. „Als ob du es nicht bis zu deiner Zelle und dem nächsten Bett geschafft hättest, mein Junge! Du mußt wirklich einen schweren Tag gehabt haben!”, murmelte er auf Portugiesisch vor sich hin während er den großen Speisesaal verließ.

      Als Andre Massena spät am Vormittag des 28. Septembers aus seinem Schlaf erwachte, befand Rowland Hills Zweite Division sich schon weit hinter dem Mondego. Picton und Craufurd marschierten mit der Dritten und der Leichten Division parallel zu Hill. Alle anderen Divisionen waren etwas weiter südlich in den Wäldern verschwunden und würden den Mondego erst am nächsten Tag überqueren. Lord Wellington war seinem Feldheer vorausgeritten und befand sich wieder in seinem ehemaligen Hauptquartier in Coimbra. Er zog seinen gesamten Nachrichtendienst ab und schickte Robertson, das Quartett und alle Mitarbeitern über die Uferstraße, entlang des Atlantiks nach Tomar.

      „Jack, ich bin sicher, daß der Prior Sie aufnehmen wird. Ich brauche Sie hinter den französischen Linien. Unsere Kommunikation mit der spanischen Guerilla muß weiter aufrechterhalten werden.” Er winkte Colin Campbell zu sich.

      Der Adjutant übergab dem Benediktiner eine große, mit Papieren gefüllte Tasche: „Die haben wir Massena bei Bussaco abgenommen, Vater Robertson. Viele sind verschlüsselt ...”

      Der Schotte nahm die Dokumente an sich und schmunzelte zu Donna Ines hinüber, die in einer Ecke des Raumes dicht an ihren Gemahl Don Antonio geschmiegt stand. Sie war glücklich und erleichtert über den Ausgang der Schlacht bei Bussaco und konnte ihre Gefühle nicht verbergen. Wie alle Soldatenfrauen, hatte sie den ganzen 27. September lang gezittert, denn der Wind hatte den Donnerhall der Kanonen durch die Serra bis nach Coimbra getragen.

      Wellington lächelte seinen Nachrichtendienstchef an und legte den Kopf schief: „Kann ich mir für ein paar Tage die junge Lady ausleihen, die so hervorragend feindliche Depeschen entschlüsselt?”

      „Ich glaube, mein Sohn, diese Frage müssen Sie dem schneidigen Hauptmann an ihrer Seite stellen.”

      „Major! Er hat sich bei Talavera und Bussaco tapfer geschlagen! All unsere Portugiesen sind einen Dienstrang nach oben gerutscht. Sie hätten sie gestern sehen müssen, Jack!“ Der Ire klopfte dem Benediktiner auf die Schulter und bedeutete ihm, den Raum zu verlassen. Dann trat er zu Donna Ines und Don Antonio hinüber und verbeugte sich leicht vor dem Portugiesen und seiner jungen Frau: „Antonio, mein Freund, ich habe eine große Bitte an dich!”

      „Was kann ich für dich tun, Jefe?”

      „Du! Dieses Mal gar nichts! Es geht um Ines. Würdest du ihr gestatten, einen Auftrag für mich auszuführen. Aber es ist nicht ganz ungefährlich!”

      „Da mußt du meine Perle schon selber fragen, Arturo! Ich bin nur der Glückspilz, dem sie ihr Herz geschenkt hat!” Don Antonio drückte fest die zarte Hand seiner hübschen Frau.

      Wellington nickte seinem Adjutanten verständnisvoll zu. Auch Portugal hatte das finstere Mittelalter bereits weit hinter sich gelassen und die Ladys taten, was sie wollten. Ihm gefiel das Prinzip gut: Gleiche Rechte, gleiche Pflichten! Und das schwache Geschlecht war meist sowieso viel stärker und belastbarer, als die Herren an ihrer Seite. Sarah bewies ihm das regelmäßig: „Also Ines, du müßtest nach Coimbra reiten. Erkläre deinem Schwiegervater, dem Alcalden, daß wir die Stadt nicht verteidigen können. Er muß sie also unbedingt räumen und soviele Zivilisten wie nur irgend möglich evakuieren. Am besten wäre es, die Padres von Santa Clara und von San Antonio dos Olivais am anderen Ufer des Mondego würden helfen und natürlich ihr! Die Brücken zwischen Coimbra und den Stadtteilen auf der anderen Flußseite müssen unbedingt zerstört werden. Sorge dafür, daß die Stadtbevölkerung sich nicht dagegen auflehnt. Der Alcalde muß verstehen! Ich will Massena zwingen, durch die Serra da Estrela über Lousa zu marschieren und nicht entlang der Atlantikstraße über Pombal und Leiria. Die Brücke bei Penacova hat Hill schon hinter seiner Division gesprengt. Und jetzt das Schwierigste: Ihr müßt alle Vorräte, die nicht aus der Stadt, fort in die Berge gebracht werden können, unbedingt vernichten. Dann werden die Franzosen schnell wieder aus eurer Stadt abziehen, denn sie können ihre Truppen nicht versorgen.”

      Die junge Frau nickte dem Iren zu: „Und dann, Arturo?“

      „Dann setzt du dich auf ein Pferd und verschwindest, so schnell du kannst, nach Tomar. Deinen Schwiegervater mußt du entweder mitnehmen, oder in einem tiefen Keller bei Don Manuele verstecken, ansonsten läßt Massena ihn, mitsamt den Stadtältesten, aufknüpfen! Er soll bitte nicht dickköpfig sein! Wenn die Franzosen fort sind, dann kann er ja wieder nach Hause zurück!”

      „Ich ziehe mich nur schnell um! Verlaß dich auf mich! Die Brücken werden zerstört und wir hinterlassen den Adlern hier nur noch verbrannte Erde!”

      Wellington umarmte die junge Frau fest: „Danke, Ines!” Dann wandte er sich seinem Adjutanten zu: „Ich warte draußen auf dich, Antonio!”

      Vier Tage lang verlor die französische Armee das anglo-alliierte Feldheer völlig aus den Augen. Nachdem sie in Coimbra hatten feststellen müssen, daß alle Brücken über den Mondego zerstört waren und es kein Stück Brot in der Stadt und ihrer näheren Umgebung mehr gab, schwenkte Massena nach links, zog den Fluß entlang bis kurz vor Tabua und überquerte die einzige unzerstörte Brücke, um aufs andere Ufer zu kommen. Dies hatte ihn viel Zeit gekostet. Als er sich endlich in der Serra Estrela befand, waren die Portugiesen und Briten schon weit hinter Bathala und Nazare. Der französische Marschall mußte fast all seine Verwundeten in Coimbra zurücklassen, denn von einem Tag auf den anderen setzten wasserfallartig Regenfälle ein, die vom herannahenden, harten Winter in Nordportugal kündeten. Arthur hatte in den Bergen Oberst Trant mit der Luisitanischen Legion und portugiesischer Ordonanza stehen. Trant stellte fest, daß die französische Portugalarmee außer Sichtweite war und kaum Soldaten zum Schutz ihrer Verwundeten zurückgelassen hatte. Er beschloß in einer Nacht- und Nebelaktion, auf leichtem Wege eine große Anzahl Gefangener zu machen. Als Massena schließlich mehrere Tage später durch Späher von diesem verwegenen Akt informiert wurde, befanden die französischen Gefangenen sich bereits auf dem Weg nach Oporto und die Luisitanische Legion außerhalb der Reichweite der französischen Kavallerie.

      Am 8. Oktober 1810 kamen die ersten Einheiten von Wellingtons Feldheer vor den Wällen von Torres Vedras an. Wie Noah auf die Arche, geleitete Sir Arthur seine Soldaten im strömenden Regen, aber noch vor der großen Flut in ihre neuen Stellungen hinter den Befestigungslinien. Durch die Verschnaufpause von fast neun Monaten war es Oberst Fletcher und den Ingenieuren des Feldheeres gelungen, die Befestigungsarbeiten weiter voranzutreiben, als der Oberkommandierende je zu hoffen gewagt hätte. Drei Wälle schützten Portugals Hauptstadt vor einem