Sassika Büthe
Verlorene Liebe
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Müde und abgekämpft stieg Julia aus dem Zug und wappnete sich schon innerlich für das Gedränge, das um die späten Nachmittagsstunden immer auf dem Hamburger Hauptbahnhof herrschte. Sie hatte einen langen, arbeitsreichen Tag hinter sich und sehnte sich nun nur noch nach Hause und nach ihrer gemütlichen Couch. Im Geiste plante sie schon, sich eine Pizza vom Lieferservice zu bestellen, da sie keine große Lust verspürte, noch zu kochen. Gedankenverloren und mit einem Blick in ihrem Terminkalender, ging sie über den Bahnsteig, um zu ihren Zug zu kommen. Ein Mann stürmte an ihr vorbei und riss ihr beinahe ihre schwere Tasche von den Schultern. Erschrocken sah sie ihn hinterher und erstarrte im gleichen Augenblick. Direkt hinter ihm hechtete ein weiterer Mann, der sofort ihre Aufmerksamkeit auf sich zog, im letzten Augenblick in den Zug, bevor die Türen sich mit einem lauten Knall schlossen. Sie riss sich aus ihrer Erstarrung und rannte auf den Zug zu, was gar nicht so leicht war, da ihr unzählige Menschen im Weg waren. Als sie endlich am Zug angekommen war, setzte dieser sich bereits langsam in Bewegung. Sie lief mit dem Zug ein Stück mit und versuchte, in das Innere des Zugabteils zu gucken. Doch der Zug war proppevoll und die Insassen standen eng aneinandergedrängt, so dass es ihr unmöglich war, das Gesicht, welches eben ihre Aufmerksamkeit erregt hatte, noch einmal ausfindig zu machen. Dann nahm der Zug an Fahrt auf und verschwand aus dem Bahnhofsgebäude und aus ihrem Blickfeld.
Völlig außer Atem blieb sie stehen und sah den davonfahrenden Zug hinterher. Sie wusste, dass das eigentlich nicht sein konnte und wahrscheinlich nur ein Hirngespinst war, hatte sie sich doch oft so eine Situation in ihren Träumen vorgestellt. Sie hatte ihn nur einen Augenblick gesehen, und doch war sie sich beinahe sicher, dass er es gewesen sein musste. Aber es konnte doch gar nicht sein.
Julia atmete langsam aus, steckte ihren Terminkalender in ihre Tasche und machte sich wieder auf den Weg zu ihrem Zug. Dann jedoch zögerte sie wieder, sah sich um und blickte auf die Anzeigentafel auf der angezeigt wurde, dass der nächste Zug in vier Minuten in diese Richtung fuhr. Nervös sah sie auf ihre Uhr. Vergessen war ihre Müdigkeit, und an dessen Stelle war eine innere Unruhe eingetreten. Sie überlegte fieberhaft, ob sie diesen nächsten Zug nehmen sollte, um nach ihm Ausschau zu halten oder sich lieber sofort auf den Weg nach Hause machen sollte. In dem Augenblick, wo sie kehrt machen wollte und sich schon selbst für bescheuert hielt, fuhr der Zug bereits in den Bahnhof ein und kam vor ihr zum Stehen. Kurzerhand und ohne weiter darüber nachzudenken, stieg Julia nun doch in die S-Bahn. Sie wollte es wenigstens nicht unversucht lassen, auch wenn jeder sie vermutlich für verrückt halten würde, am meisten wohl sie selbst.
Der Zug setzte sich in Bewegung und Julia drückte ihre Nase beinahe am Fenster platt. An jedem Bahnhof auf dem sie hielten, stand sie mit zitternden Knien auf und ließ den Blick hektisch über das Bahngelände wandern.
Doch von ihm war keine Spur mehr zu erblicken, und ihre Hoffnung sank stetig. Langsam, aber sicher fuhr die Bahn aus der Stadt hinaus. Der Zug leerte sich zusehends, und Julia begann, sich ernsthaft zu fragen, was sie hier tat. Als der Zug schon außerhalb von Hamburg in einer angrenzenden Stadt hielt, nahm sie ihre Tasche vom Sitz und stieg aus.
Seufzend setzte sie sich auf eine Bank, raufte sich frustriert die Haare und wartete bis die nächste Bahn wieder Richtung Hamburg zurückfuhr. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht? Sie hatte mindestens eine Stunde verplempert, um mit einem völlig falschen Zug und in die völlig falsche Richtung zu fahren und Ausschau nach einem Phantom zu halten.
Als sie endlich zu Hause war, war es bereits fast zwanzig Uhr und der Appetit auf Pizza war ihr auch vergangen. Dafür rief ihre Freundin Stefanie an, um sich mit ihr auf einen Drink zu treffen. Julia hatte eigentlich keine Lust, noch irgendwo hinzugehen und schlug deshalb vor, noch ein Glas Wein bei ihr zu Hause zu trinken.
Als Stefanie eine halbe Stunde später bei ihr auftauchte, fiel ihr sofort auf, dass mit Julia irgendetwas nicht stimmte. Ständig war sie mit ihren Gedanken woanders, und die ansonsten immer fröhlich wirkende Julia wirkte eher traurig und niedergeschlagen.
„Was ist los, Julia? Du wirkst so abwesend. Ist irgendetwas passiert?“
„Nein, alles bestens“, sagte Julia wenig überzeugend.
„Ach komm, das nehme ich dir nicht ab. Ärger im Büro?“
„Nein. Es ist nur… ach nichts.“
„Nun sag schon, was ist los?“
„Ich habe heute nur an jemanden denken müssen, an den ich schon sehr lange nicht mehr gedacht habe, das ist alles.“
„Ist