Treulich hat er Magda und Karl in allen Lebenslagen beigestanden. Dank ihm waren die Ernten der beiden die Besten weit und breit. Mit seiner natürlichen Begabung hat er für jedes Pflänzlein ein glückliches Händchen. Für die Kinder war er allein schon durch seine körperliche Größe der Spielkamerad schlechthin und als diese größer wurden, übernahm er gerne die Rolle des Vertrauten und Freundes genauso gut wie er Lehrer sein konnte.
Zu seiner Familie im Dorf Lindenbach ist er nicht wieder zurückgekehrt. Nach der Teilung und der Gründung von Erlenbusch war allen klar, dass seine Aufgaben im Leben andernorts lägen. Irgendwie war der monatliche Zauber auch davon überzeugt, Frieder sei kein Mitglied der Gemeinde mehr und funktionierte weiterhin. Auch wenn er an dieser Zeremonie nicht mehr teilnahm. Natürlich war er öfters dort zu Besuch, auch wenn die Anlässe nicht immer fröhlich waren, wie bei der Beisetzung von Linda Malve, welche nur kurz nach ihrem Gatten Adalbert Eichenlaub verstarb.
Weitere besonders berichtenswerte Ereignisse gab es bei den Halblingen nicht. Das unscheinbarste, doch allgegenwärtigste Völkchen ging seiner ihm zugedachten Aufgabe nach und kümmerte sich nach wie vor äußerst liebevoll und verständig um Baum und Strauch, Kraut und Rübe. Allerdings waren die Arbeiten etwas umfangreicher geworden, benötigten die Bauern doch jede Menge Unterstützung und Belehrung, was Ackerbau und Waldwirtschaft anging. Ansonsten war ein Jahr wie das andere. In absoluter Regelmäßigkeit wurden die Monatsfeste gefeiert. Manch einer würde es als eintönig beschreiben, doch die Halben waren es zufrieden.
Bei den Zwergen war der schmerzlichste Verlust Melisande, die Mutter König Sigurds. Im letzten Winter ist sie noch vor dem Julfest friedlich eingeschlafen. In einer denkwürdigen Zeremonie wurde sie in der Familiengruft tief im Berg bestattet. Rombold Steinschloß war nun der Älteste in der Festung.
Die einschneidendste Veränderung hingegen war der Zuzug der Zwerge aus Kleyberch. Eringus hatte diese echten Überlebenden des großen Krieges ja rein zufällig bei einem Ausflug gefunden und kämpft seither damit, die Umstände des Überlebens in eine vernünftige Logik zu betten. Jade, die Traumfee, drängt ihn zwar bei jeder passenden Gelegenheit, dies als ein göttliches Werk und sich (also Eringus) als göttliches Werkzeug zu akzeptieren, da entsprechend einer Weissagung, wenn man dies so nennen will, die Zusammenführung der Zwerge geschah, aber so schnell ändert ein Drache nicht seinen Standpunkt. Nicht ohne absolut felsenfeste Beweise.
Wie zu erwarten war, wurden die Kleyberch-Zwerge allesamt tief getroffen als sie erfuhren, dass ein jeder von ihnen weit über 800 Jahre alt ist. Monate vor der großen Schlacht war die Festung Kleyberch Ziel eines Angriffs der Alben und ihrer Schergen. Keiner überlebte, außer ihnen. Sie fielen in einen geheimnisvollen Schlaf, aus dem sie erst im Jahre 591 wieder erwachten. Sie sehen sich bis heute nicht in der Lage, dies anders als mit göttlichem Wirken zu erklären. Gemeinsam mit den Zwergen der Steinenaue werden regelmäßig Dankesfeiern zu Ehren Gabbros, dem Zwergengott, abgehalten.
Bis der Umzug nach Steinenaue erfolgte, vergingen aber noch vier Jahre. Jahre, in denen der Kontakt zueinander immer mehr verstärkt wurde. Dankwart Hammerfest, der Anführer, kam immer öfters her, um sich und die anderen Zwerge mit dem Wissen der Neuzeit zu versorgen. Aufmerksam studierte man das Buch Utz wider die Alben und arbeitete das Geschehene nach und nach auf. Oft begleitete ihn sein „Findelkind“ Anschild Kleyberch, dem einzigen Zwerg, von dessen Herkunft keiner etwas wusste und den Dankwart unvermittelt vor dem tiefen Schlaf in den Arm gedrückt bekam. Dieser war nun ein stattlicher junger Mann von inzwischen 30 Jahren, der offensichtlich großen Gefallen an Prinzessin Carissima, König Sigurds Tochter, gefunden hat.
Es gab teilweise ganz gewaltige Unterschiede in der Lebensweise zwischen den Kleyberchern und den Steinenauern. Die Überlebenden lebten nach der Weise, wie sie vor über 800 Jahren üblich und vom Großkönig vorgeschrieben war. Viele Diskussionen wurden geführt, bei denen sich die Königsmutter Melisande stark auf die Seite der Kleybercher stellte. Sehr zum Leidwesen ihres Sohnes, welcher massiv die moderne Lebensweise verteidigte. Da die Kleybercher sich einfügen wollten, wurde so mancher Kompromiss zu ihrem Nachteil geschlossen. Diese Absprachen sollten aber nicht von langem Bestand sein.
Auch der Ortswechsel selbst zog sich leidlich in die Länge, schließlich ging es nicht nur darum, ein paar Gewänder zu packen und los zu stiefeln. Alles Großvieh musste die weite Strecke getrieben werden, während das Federvieh, in Käfige oder Körbe verladen, auf Wagen transportiert werden konnte. Die Vorräte, in Sack oder Kiste oder gebündelt, wurden auf gleiche Weise nach Steinenaue geschafft. Auch wenn es nur 145 Zwerge waren, die auf Wanderschaft gingen, so war der Tross trotzdem gewaltig und musste geteilt werden. Die schnelleren Wagen waren nach wenigen Tagen angekommen. Der Viehtrieb aber dauerte doch deutlich länger.
König Sigurd war selbst in Kleyberch dabei, als nach dem Auszug die Steinenauer ihre Neugier befriedigen und schauen mussten, wie man so in einer fast völlig zerstörten Festung hausen konnte. Das Erstaunen war groß als man erkannte, wie viel Platz durch Gabbros Vorsehung eingeräumt worden war. Doch die Überraschung der Kleybercher war noch weitaus größer, nachdem weitere ihnen unbekannte Hallen entdeckt und geöffnet werden konnten. Unter anderem fand man die Halle der Lehren und Historie, wie der Eingangstür entnommen werden konnte. Der Zugang war durch herabgestürzte Felsbrocken nur gering versperrt. Die Kleybercher waren sich absolut sicher, auch an dieser Stelle ihre Behausung erforscht und keinen Zugang gefunden zu haben. Die Geschehnisse in und um Kleyberch wurden immer geheimnisvoller. Die Freude über den Fund in der Halle war sehr groß. In Eisenbach, der Festung des letzten Großkönigs Manegold Schmiedehammer, befand sich die große Bibliothek der Zwerge, mit allen Büchern und Schriftrollen über die Vorgeschichte der Zwerge, ihrer Herkunft und Wanderschaften. Alles, was die Geschichtsschreiber festhalten sollten oder wollten, Regeln und Vorschriften und Gesetze, aber auch Rezepte und Handwerksgrundlagen. Die ältesten Aufzeichnungen waren sogar noch auf Stein gemeißelt. Diese waren allesamt durch die Explosion im großen Krieg verloren gegangen. Nun aber zeigte sich, dass eben jener Großkönig wohl viele Schreiberlinge eingesetzt hatte, um Abschriften fertigen zu lassen. Es fand sich auch das Buch der Weissagungen von Gilbret Steinschleifer, dem Seher von der Höch. All diese Bücher wurden damals nach Kleyberch geschafft, wo sie nun gefunden werden konnten. Warum ausgerechnet nach Kleyberch, einem der kleinsten Vorposten, und nicht in eine größere und sichere Zwergenburg ist unklar. Auch darin vermutet man Gabbros großen Plan für sein Volk. (Eringus hat darob nur den Kopf geschüttelt. Es ist allzu leicht, alles als göttliches Wirken zu bezeichnen, meint er. Man braucht nicht nach einem vernünftigen Grund suchen, um es zu erklären.)
Der Fund dieser Schriften führte jedoch dazu, dass die zuvor geschlossenen Kompromisse hinfällig waren. Nun lagen die klaren Verhaltensmaßgaben des letzten Großkönigs vor und diese Anordnungen behalten solange Gültigkeit, bis sie von einem anderen Großkönig aufgehoben werden. Sehr zu König Sigurds Missfallen fand sich unter anderem auch tatsächlich eine Vorschrift über körperlichen Ertüchtigungen, deren sich ein wehrfähiger Zwerg zu befleißigen hat. Die darin geschilderten Aufgaben waren noch deutlich höher in der Anforderung als das, was Melisande seinerzeit als Prüfung für Magda erfunden hatte. Nicht nur König Sigurd stöhnte. Es zeigte sich sehr schnell, dass die Kleybercher in kämpferischer Hinsicht den Zwergen der Steinenaue weit überlegen waren. Sie lebten nach diesen Vorschriften und waren deshalb im Vorteil. Es gab den einen oder anderen Steinenauer Zwerg, der sich wünschte, die Kleybercher wären nie auf der Bildfläche erschienen. Es war anstrengend, nach alten Vorschriften zu leben.
Bis heute wurden zwar noch einige Untersuchungen in Kleyberch vorgenommen, doch gefunden wurde nichts mehr.
Bei der Aufzeichnung der Kleybercher Zwerge in die Namenslisten der Steinenaue stellte sich heraus, dass