»Wenn dich nichts anderes drückt, Alan, so ist es ja weiter nicht schlimm«, sagte ich.
»Ich hab auch kein Recht, mich zu beklagen,« meinte er, »gerade jetzt, da ich eben erst aus dem verdammten Heu heraus bin.«
»Du hattest deinen Heuschober also gründlich satt?« erkundigte ich mich.
»Satt ist gar nicht der richtige Ausdruck«, entgegnete er. »Ich lass mich nicht so leicht entmutigen; aber ich fühl mich wohler an der frischen Luft mit dem Himmel über mir. Ich bin wie der alte schwarze Douglas (so hieß er doch?), der lieber die Lerche trillern als die Mäuse piepsen hörte. Und in dem Schober, David – der sich ja, wie ich zugeben muß, vorzüglich als Versteck eignete – war es stockfinster von morgens bis abends, weißt du. Es gab Tage (oder auch Nächte, wie sollte ich das wissen?) die mir so lang wie ein langer Winter erschienen.«
»Wie wußtest du die Stunde für unser Stelldichein?« fragte ich.
»Der Hausvater brachte mir so um elf mein Abendbrot und einen Tropfen Schnaps und ein Endchen Talglicht, um mir zu leuchten«, sagte er. »Wenn ich dann einen Bissen gegessen hatte, wußte ich, es war ungefähr Zeit, in den Wald zu gehen. Dort lag ich und bangte mich arg nach dir, David,« fuhr er fort, seine Hand auf meine Schulter legend, »und erriet aus dem Gefühl, wann die zwei Stunden vorbei waren – wenn nicht Charlie Stuart kam und es mir an seiner Uhr bewies, – und zurück ging's in meinen Schober. Ja, ja, das war kein kurzweiliger Aufenthalt, und dem Himmel sei Dank, daß ich mich durchgeschunden habe.«
»Wie vertriebst du dir die Zeit?« erkundigte ich mich.
»So gut ich konnte!« antwortete er. »Manchmal spielte ich das Knöchelspiel. Ich bin großartig im Knöchelspiel, aber es ist eine langweilige Geschichte, wenn keiner da ist, um einen zu bewundern. Und manchmal hab ich auch gedichtet.«
»Wovon handeln denn deine Gedichte?« forschte ich weiter.
»Oh, so von Hirschen und von der Heide und von den alten Häuptlingen, die längst gestorben sind – na, wovon Gedichte im allgemeinen handeln – und manchmal redete ich mir auch ein, ich hätte einen Dudelsack und spielte darauf. Großartige Melodien hab ich gespielt, und mir kam's vor, ganz meisterhaft; ich schwöre, mitunter hab ich's direkt schrillen hören! Aber die Hauptsache ist doch, daß es nun hinter mir liegt.«
Danach brachte er das Gespräch wieder auf meine Abenteuer, die er sich ganz von vorne, aber ausführlicher erzählen ließ, und denen er mit außerordentlichem Beifall lauschte. Von Zeit zu Zeit erklärte er, ich sei doch »ein sonderbares Exemplar von einem Burschen«.
»Du hattest also Angst vor Simon Fraser?« fragte er das eine Mal.
»Große Angst!« rief ich.
»Das hätte ich auch gehabt, Davie. Er ist, weiß Gott, ein furchtbarer Mensch. Aber selbst dem Teufel soll man zahlen, was ihm gebührt, und ich sage dir, Fraser ist auf dem Schlachtfeld ungemein zu respektieren.«
»Ist er so tapfer?« fragte ich.
»Tapfer?« wiederholte er. »So tapfer wie meine Klinge hier.«
Die Geschichte meines Duells brachte ihn außer sich. »Wer hätte das gedacht!« rief er. »Nachdem ich dir obendrein in Corrynakiegh gezeigt habe, wie man's macht! Dreimal – dreimal hintereinander entwaffnet! 's ist eine Schande für mich, der ich dich unterrichtet habe! Hier, stell dich mal in Positur, heraus mit deinem Eisen! Du kommst mir nicht vom Fleck, bis du nicht mir und dir mehr Ehre machst.«
»Alan,« erwiderte ich, »das ist doch hellster Wahnsinn. Jetzt ist nicht die Zeit für Fechtunterricht.«
»Eigentlich hast du recht«, gab er zu. »Aber dreimal hintereinander, Junge! Und sich wie ein Holzklotz hinzustellen und dann wegzulaufen und sein eigenes Schwert aufzulesen, wie 'n Hündchen ein Taschentuch! David, dieser Duncansby muß ein Phänomen sein! Er muß ein Wunder an Fechtkunst sein! Hätt ich die Zeit, ich kehrte um, mich selber mal mit ihm zu messen. Der Mann müßte Profos werden.«
»Du dummer Kerl,« erwiderte ich, »du vergißt, er hatte ja nur mich als Gegner.«
»Aber dreimal hintereinander!«
»Aber du weißt doch selbst genau, daß ich kaum fechten kann!«
»Nein, so was ist mir noch nicht vorgekommen.«
»Ich will dir eines versprechen, Alan«, fügte ich hinzu. »Wenn wir uns das nächste Mal treffen, werde ich es besser verstehen. Du sollst in Zukunft nicht die Schmach erdulden, einen Freund zu haben, der keinen Hieb austeilen kann.«
»Das nächste Mal?« wiederholte er. »Wann wird das sein? Ich wollte, ich wüßte es.«
»Nun, Alan, ich habe auch darüber nachgedacht,« sagte ich, »und mein Plan ist: ich will Advokat werden.«
»Ein langweiliges Geschäft,« meinte Alan, »und ein schuftiges obendrein. Da stäkest du schon besser in des Königs Rock.«
»Das wäre zweifellos die richtige Art, uns wieder zu treffen«, rief ich. »Du in König Louis' Rock und ich in König Geordies. Eine reizende Zusammenkunft!«
»Du hast nicht so ganz unrecht«, stimmte er zu.
»Also muß es schon bei dem Advokaten bleiben,« fuhr ich fort, »ich glaube auch, der Beruf paßt besser für einen Gentleman, der dreimal hintereinander entwaffnet worden ist. Aber das Schöne ist: eine der besten Fakultäten für diese Wissenschaft – bei der auch mein Verwandter Pilrig gehört hat – befindet sich zu Leyden in Holland. Was sagst du dazu, Alan? Könnte nicht ein Fähnrich der Royal Ecossais gelegentlich Urlaub bekommen, um über die Marsch zu eilen und einen Leydener Studenten zu besuchen?« »Das will ich meinen!« rief er. »Schau, ich steh mich gut mit meinem Obristen, dem Grafen Drumond-Belfort; und was noch wichtiger ist, ein Vetter von mir ist Obristleutnant in einem schottischen Regiment in Holland. Nichts könnte passender sein, als daß ich Urlaub nehme, um Obristleutnant Stuart von Halkett zu besuchen. Und Lord Melfort, der so eine Art Gelehrter ist und Bücher nach der Manier Cäsars schreibt, wird sich meine Beobachtungen sicherlich mit Freuden zunutze machen.« »Ist Lord Melfort ein Autor?« fragte ich, denn ob auch Alan viel von den Militärs hielt, mir standen Edelleute, die Bücher schrieben, höher.
»Freilich, Davie«, antwortete er. »Man sollte meinen, ein Obrist hätte Besseres zu tun. Aber was soll ich dazu sagen, der ich Gedichte schreibe?«
»Ja, dann brauchst du mir nur noch eine Adresse in Frankreich anzugeben, an die ich dir schreiben kann, und sowie ich in Leyden bin, schicke ich dir die meine.« »Das Beste ist, du schreibst mir an die Adresse meines Häuptlings, Charles Stuart, Herrn von Ardshiel, in der Stadt Melons, Isle de France. Es kann lang dauern, und es kann auch nicht lang dauern, aber zum Schluß kommt es doch in meine Hände.« Zum Frühstück in Musselburgh verspeisten wir einen Schellfisch, und es war ungemein belustigend, dabei Alan zuzuhören. Sein schwerer Mantel und die Wollgamaschenmußten an diesem warmen Morgen jedem auffallen, und vielleicht war eine vorsichtige Erklärung in der Tat ganz angebracht. Alan jedoch machte sich an diese Angelegenheit wie an ein Geschäfl oder, besser noch, Vergnügen. Er eroberte das Herz der Hausfrau mit einigen Komplimenten über die Zubereitung des Fisches, und den Rest unseres Aufenthaltes verwickelte er sie in ein Gespräch über eine Unterleibserkältung, die er sich zugezogen hätte, wobei er ihr todernst alle möglichen Symptome auseinandersetzte und mit scheinbar ungeheurem Interesse der Aufzählung der Altweibermittel lauschte, die sie ihm anpries. Wir verließen Musselburgh noch vor Eintreffen der Neun-Pence-Postkutsche aus Edinburg, denn das wäre eine Begegnung, meinte Alan, der wir am besten aus dem Wege gingen. Der Wind war zwar noch kräftig, aber sehr mild, die Sonne brannte, und Alan begann unter seinem schweren Anzug zu leiden. Bei Prestonpans führte er mich vom Wege ab nach dem Schlachtfeld von Gladsmuir, wo er sich weit mehr als nötig anstrengte, um mir den Verlauf der Schlacht zu schildern. Dann ging es in unserem altbekannten, scharfen Wanderschritt weiter nach Cockenzie. Dort bauten sie bei Cadells