Beide Damen waren zu Hause. Als ich sie zusammen an der offenen Türe stehen sah, lüftete ich den Hut und sagte: »Ein junger Bursche bittet um einen Sixpence.« Ich glaubte, das würde der Matrone gefallen. Catriona lief mir entgegen und begrüßte mich herzlich, und die alte Dame war zu meiner Überraschung kaum weniger liebenswürdig. Viel später erfuhr ich, sie hätte bei Morgengrauen bereits einen berittenen Boten nach Queensferry zu Rankeillor geschickt, der, wie sie wußte, Sachwalter von Shaw war, und sie trug daher zur Zeit einen Brief von diesem, meinem sehr guten Freunde, in der Tasche, der meinen Charakter und meine Aussichten in günstigstem Lichte schilderte. Allein ich würde ihre Absichten auch nicht schärfer durchschaut haben, wenn ich den Brief gelesen hätte. Mochte ich ein ungeschlachter Bauer sein, ich war doch nicht so dumm, wie sie glaubte. Selbst meinem hausbackenen Verstande war es klar, daß sie beschlossen hatte, koste es, was es wolle, eine Ehe zwischen ihrer Base und diesem grünen Jungen, der in Lothian eine Art Grundbesitzer war, zustande zu bringen.
»Sixpence wird wohl seine Abendsuppe bei uns essen, Katrin,« sagte sie, »lauf und gib dem Mädchen Bescheid.«
Und in der kurzen Zeit, die wir allein blieben, gab sie sich rechte Mühe, mir zu schmeicheln. Zwar war sie stets geschickt und nannte mich, unter dem Vorwand, mich zu necken, nie anders als Sixpence; aber sie verstand, den Dingen eine Wendung zu geben, berechnet, unmerklich meine Selbstachtung zu steigern. Als Catriona zurückkehrte, wurde der Anschlag, wenn möglich, noch durchsichtiger: sie führte des Mädchens gute Eigenschaften vor, wie ein Roßkamm sein Pferd. Meine Wangen brannten bei dem Gedanken, daß man mich für so dickfellig hielt. Einmal wähnte ich, das Mädchen sei ahnungslos und ganz unschuldig an dieser Schaustellung, und ich hätte das tolle, alte Frauenzimmer prügeln können; ein andermal meinte ich, die beiden seien vielleicht doch miteinander im Bunde, um mich einzufangen – dann saß ich stocksteif zwischen ihnen da, die leibhaftige, finstere Verstocktheit. Endlich kam die Kupplerin auf das wirksamere Mittel, uns allein zu lassen. Wenn erst irgend etwas meinen Argwohn erregt hat, ist es mitunter alles andere als leicht, ihn zum Schweigen zu bringen. Aber obwohl ich Catrionas Sippe kannte und als Diebssippe erkannt hatte, war es mir unmöglich, dem Mädchen zu mißtrauen, wenn ich ihr Gesicht sah.
»Ich darf wohl keine Fragen stellen?« forschte sie eifrig, sobald wir allein waren.
»Doch, heute darf ich mit ruhigem Gewissen reden«, entgegnete ich. »Ich bin meines Versprechens entbunden. Ja, nach dem, was heute morgen vorgefallen ist, hätte ich es unter keinen Umständen erneuert.«
»Sprecht,« sagte sie, »meine Base wird bald wieder hier sein.«
Ich erzählte ihr also Schritt für Schritt die Geschichte des Leutnants, die ich ihr so heiter wie möglich darzustellen suchte, und in der Tat war an dieser lächerlichen Sache manches Ergötzliche.
»Ich glaube, Ihr taugt für rauhe Männer so wenig wie für schöne Damen!« meinte sie, als ich geendet hatte. »Doch wie konnte Euer Vater nur unterlassen, Euch im Gebrauch des Schwerts zu unterweisen! Das ist höchst unadelig; ich habe nie dergleichen gehört.«
»Zum mindesten ist es ungemein hinderlich,« erwiderte ich, »und ich glaube, mein Vater (Gott hab ihn selig) war nicht recht gescheit, als er mich statt dessen Latein lehrte. Doch tu ich, wie Ihr seht, mein möglichstes; ich stelle mich hin gleich Lots Weib, und lass sie auf mich loshauen.«
»Wißt Ihr, weshalb ich lächeln muß?« fragte sie. »Ich will's Euch sagen. Ich bin so geschaffen, daß ich ein Bub hätte werden sollen. Ich selbst fühle mich stets als Bub und denke mir dies und jenes aus, das ich erleben möchte. Wenn es dann aber ans Fechten geht, fällt mir ein, daß ich ja doch nur ein Mädchen bin und weder ein Schwert tragen noch einen Hieb austeilen kann. Dann muß ich meine Geschichte drehen und wenden, daß es zu keinem Kampfe kommt, ich aber trotzdem Sieger bleibe, gerade wie Ihr mit Eurem Leutnant. Ich bin stets der Bursche, der sich mit schönen Reden durchschlägt, genau wie Mr. David Balfour.«
»Ihr seid mir ein blutdürstiges junges Fräulein«, bemerkte ich.
»Ja, ja, ich weiß, Spinnen und Nähen und Stickmustermachen ist eine recht gute Sache«, fuhr sie fort; »wenn Ihr aber nichts anderes auf der Welt zu tun hättet, ich glaube, Ihr würdet es auch langweilig finden. Nicht, daß ich Menschen töten möchte! Habt Ihr schon jemanden getötet?«
»Das habe ich, zufällig. Zwei sogar, obwohl ich von Rechts wegen noch auf der Hochschul sein sollte«, entgegnete ich. »Trotzdem schäme ich mich dessen nachträglich nicht.«
»Doch wie fühltet Ihr Euch damals – als es geschehen war?« forschte sie.
»Nun, ich setzte mich hin und flennte wie ein Kind«, antwortete ich.
»Das Gefühl kenne ich«, rief sie. »Ich ahne, woher diese Tränen stammen. Jedenfalls möchte ich nicht töten; ich möchte nur Katharina Douglas sein, die ihren Arm durch die Krampe schob und so die Tür hielt, bis der Arm brach. Sie ist meine Hauptheldin. Würdet Ihr nicht mit Freuden so sterben – für Euren König?«
»Meiner Treu,« entgegnete ich, »so warm ist meine Liebe zum König – Gott segne sein grobes Bulldoggengesicht – nun doch nicht; zudem glaubte ich mich heute dem Tode bereits so nahe, daß ich zur Zeit in das Leben recht verliebt bin.«
»Recht so,« sagte sie, »so schickt es sich für einen Mann! Aber das Fechten müßt Ihr noch lernen; ich möchte keinen Freund haben, der nicht einen Streich führen kann. Ihr habt jene zwei doch nicht mit dem Schwert getötet?« »Wahrhaftig nicht,« entgegnete ich, »mit einem paar Pistolen. Und ich danke meinem Schöpfer, daß die Männer nahe standen; denn ich weiß mit Pistolen etwa so gut umzugehen wie mit dem Schwert.« Auf diese Art entlockte sie mir die Geschichte unseres Kampfes auf der Brigg, die ich in meinem ersten Bericht weggelassen hatte. »Ja,« meinte sie, »Ihr seid wirklich tapfer. Und ich liebe und bewundere Euren Freund.«
»Ich glaube, das täte jeder«, entgegnete ich. »Er hat seine Fehler wie wir alle; aber er ist mutig, treu und gut. Gott segne ihn! Den Tag möchte ich sehen, an dem ich Alan vergessen werde.« Fast überwältigte mich der Gedanke, daß es in meiner Macht stünde, noch heute abend mit ihm zu sprechen.
»Wo habe ich nur meinen Kopf gelassen, daß ich Euch noch nicht meine Neuigkeiten berichtete!« rief sie lebhaft, und dann erzählte sie, sie hätte von ihrem Vater einen Brief erhalten, mit der Erlaubnis, ihn morgen im Schloß zu besuchen, wohin man ihn geschafft hätte, und seine Angelegenheiten wären im Aufblühen. »Das gefällt Euch nicht«, sagte sie. »Wollt Ihr meinen Vater richten, ohne ihn zu kennen?«
»Da sei Gott vor«, entgegnete ich. »Ich gebe Euch mein Wort, ich freue mich aufrichtig, daß Euch jetzt leichter ums Herz ist. Hab ich ein Gesicht gezogen, wie das wohl der Fall gewesen sein mag, so vergeßt nicht, daß mir Vergleiche heute gefährlich dünken, und daß mit den Leuten, die die Macht in Händen haben, schlecht Kirschen essen ist. Simon Fraser liegt mir noch ziemlich schwer im Magen.«
»A!« rief sie, »wie könnt Ihr die beiden in einem Atem nennen! Und Ihr vergeßt, daß Prestongrange und mein Vater, James More, ein und desselben Blutes sind.« »Das ist mir neu«, entgegnete ich. »Es ist eigentlich merkwürdig, wie wenig Ihr Bescheid wißt«, sagte sie. »Der eine Teil nennt sich Grant und der andere Macgregor, aber alle gehören dem gleichen Clan an. Alle sind Söhne von Appin, nach welchem,