Impressum
Kinderwunsch-Tage
Sonia Rossi
Copyright: © 2014 Sonia Rossi
published by: epubli GmbH, Berlin
www.epubli.de ISBN 978-3-8442-7969-6
Für M., K. und M.
Prolog
Liebe Leser,
wer schon meine vorherigen Werke gelesen hat, wird sich gleich zu Beginn dieses Buchs fragen, was aus dem charmanten jungen Mann namens Bahram geworden ist, in den ich mich am Ende von „Dating Berlin“
unsterblich verliebe. Neues Buch, neues Glück? Sonia verfällt in alte Muster und wechselt Männer wie Unterwäsche? Nein, nein, keine Angst. Der tolle Mann an meiner Seite ist seit dem Ende von „Dating Berlin“
der gleiche geblieben, nur sein fiktiver Name hat sich geändert. Man muss dazu sagen, dass er ein Künstler und, wie viele Künstler, ein wenig selbstverliebt ist. (Lieber Bahram, wenn du diese Zeilen liest, entschuldige ich mich im Voraus, aber es ist nun mal so, dass du liebend gern dein Spiegelbild betrachtest und den Bauch einziehst, um mich dann zu fragen, ob du in letzter Zeit abgenommen hast).
Auf jeden Fall missfiel ihm beim Lesen von „Dating Berlin“
sein Pseudonym. Ja, iranische Wurzeln habe er, aber warum hätte ich einen so schwer auszusprechenden Namen gewählt, der ihn an ein orientalisches Restaurant erinnerte? Leider war es da viel zu spät, um den Namen in „Dating Berlin“
zu ändern, da das Buch schon in den Regalen der Buchhandlungen lag. Aber ich musste ihm hoch und heilig schwören, dass ich, sollte er in einem meiner nächsten Bücher vorkommen, sein Pseudonym ändern würde, da er auf keinen Fall als Bahram in die Weltgeschichte eingehen wollte.
Nun war ich mir vor drei Jahren ziemlich sicher, dass ich nie wieder ein autobiographisches Buch schreiben würde, somit hatte ich bei diesem Versprechen keine Bauchschmerzen. Da es aber so zu sein scheint, dass mein Leben den besten Stoff für Erzählungen bietet, habe ich den Plan, nur noch Romane ohne autobiographischen Bezug zu schreiben, wieder verworfen. Und da ich meine Versprechen immer halte (bis auf das Versprechen, nie wieder Nutella zu kaufen), wurde aus dem persisch angehauchten Bahram der norddeutsche Malte, wogegen mein Liebster ebenfalls Einwände hatte, die sich in etwa so anhörten: „Wie konntest du so einen bescheuerten Namen aussuchen?“
(Liebe Maltes und Frauen/Mütter von Maltes, ich gebe nur die subjektive Meinung meines Freundes wieder, die auf keinen Fall meine eigene widerspiegelt.) Obwohl ich sein Pseudonym noch leicht hätte ändern können, habe ich mich dagegen entschieden, wohl wissend, dass wir ansonsten, ähnlich wie bei der Namenswahl unseres Sohnes, monatelang diskutieren würden, welches Pseudonym am besten zu einem deutschen Künstler mit iranischen Wurzeln, der lange in Österreich gelebt hat, passen würde. Da aber dieses Buch im Januar 2014 erscheinen soll, heißt mein Freund und Vater meines zweiten Sohnes in diesem Buch nun einfach Malte, auch wenn er darüber noch so lange die Nase rümpft.
Viel Vergnügen beim Lesen, eure Sonia
Berlin, im Herbst 2013
1. Kapitel
„Ich weiß aber nicht, ob ich jetzt ein Kind will. Das Thema hatten wir schon.“
Malte führte den Bierkrug an die Lippen, nahm einen Schluck von seinem Gambrinus und drehte den Kopf weg. Vor uns entfaltete sich eine Straße der Prager Neustadt mit ihren schmalen Bürgersteigen, den Jugendstilbauten und den Cafés, die mich an Wien erinnerten.
Wie jedes Jahr im Juli besuchte mich meine Mutter in Berlin. Wir hatten ihre Anwesenheit genutzt, um ein Wochenende zu zweit zu verbringen, in der Gewissheit, dass mein Sohn bei ihr in guten Händen sein würde. Nachdem wir angekommen waren und unser Gepäck im Hotel in der Altstadt gelassen hatten, waren wir zu einer ausgedehnten Sightseeingtour aufgebrochen, bis der Hunger uns zu einem Stopp in einem Restaurant gezwungen hatte, das traditionelle tschechische Küche anbot.
Am Nebentisch versuchte ein italienisches Paar um die dreißig mit Dolce-&-Gabbana-Sonnenbrillen, dem jungen Kellner mit Händen und Füßen klarzumachen, dass sie auf keinen Fall etwas mit Knoblauch bestellen wollten. Sie brüllten dabei so laut, als könnten ihre Stimmen die Tatsache kompensieren, dass der Mann anscheinend kein Italienisch verstand. Er schaute sie verwirrt an, versuchte zu raten und zeigte dabei auf verschiedene Gerichte der Speisekarte, erntete aber nur noch mehr Kopfschütteln und Geschrei.
Malte lachte.
„Deine lauten Landsleute. Du könntest doch übersetzen.“
Ich hob die Schultern und stocherte mit der Gabel in meinem Gulasch herum.
„Sollen die doch Englisch lernen.“
Malte schaute mich ratlos an.
„Hast du schlechte Laune?“
„Nein. Warum?“
„Du klingst so verbissen.“
Ich schüttelte mehrmals den Kopf, um zu bekräftigen, dass alles gut sei. Aber das war es nicht. Ich hatte einen wunderschönen Sohn, ich hatte mein Mathestudium abgeschlossen und einen Job in dem Ingenieurbüro bekommen, für das ich schon als Studentin gearbeitet hatte. Ich liebte meinen Freund und er mich, zumindest glaubte ich das. Ich schrieb Bücher, während er ein talentierter Musiker und Schauspieler war. Wir passten zusammen wie die Faust aufs Auge. Er konnte mich zum Lachen bringen oder mich zu Tränen rühren und war der beste Lover, den ich je gehabt hatte. Wir waren seit über einem Jahr zusammen. Er wusste aber noch nicht, ob er Kinder wollte. Als wir uns kennenlernten, erzählte er mir mehrmals, dass er auf jeden Fall vor seinem vierzigsten Geburtstag Vater werden wolle. Er war damals fünfunddreißigeinhalb. Wenn ich gelegentlich Andeutungen machte, wurde er aber immer vager und versuchte, das Thema zu vermeiden.
Ich selbst hatte mich nie gefragt, ob ich Kinder wollte. Ich war mit dreiundzwanzig ungeplant Mutter geworden, und ich genoss alles daran. Trotz der Tatsache, dass ich damals mittellos, mitten im Studium und mit dem falschen Mann liiert war, hatte ich es geliebt, schwanger zu sein, die Tritte zu spüren, auf dem Flohmarkt Strampler auszusuchen, und hatte mich auf das kleine Wunder in meinem Bauch gefreut. Später liebte ich es, mit meinem Sohn in der Wanne U-Boot zu spielen, unten im Hof zu kicken oder zum zwanzigsten Mal dasselbe Piratenbuch vorzulesen. Ich liebte es, für ihn zu kochen, ihn abends zuzudecken, mich um ihn zu kümmern. Ich war verrückt nach der kleinen Hand, die mich jeden Morgen streichelte, und nach seinen Gute-Nacht-Küssen. Ein Leben lang kinderlos zu bleiben war in meiner Vorstellung so absurd wie Scientology beizutreten. Als ich Fynns winzige Füßchen zum ersten Mal küsste, wurde mir sofort klar, dass er nicht mein einziges Kind bleiben sollte.
Als kleines Mädchen hatte ich der Geburt meiner fünf Jahre jüngeren Schwester entgegengefiebert wie sonst nur Heiligabend. Stolz lief ich mit meiner Mutter neben dem Kinderwagen und nahm in den folgenden Jahren meine Vorbildfunktion als große Schwester sehr ernst. Den ersehnten Bruder hatte ich nie bekommen, denn die Ehe meiner Eltern war bei der Geburt meiner Schwester schon lange am Ende. Aus dem Grund hatte ich mir geschworen, wenn es so weit wäre, mindestens drei Kinder zu haben. Ich wünschte Fynn, auch diese Vertrautheit, diese Kameradschaft unter Geschwistern zu erleben. Ich wollte ihn nicht allein groß werden lassen. Eine von hellem Kinderlachen erfüllte Wohnung war für mich die Vorstellung von einem glücklichen Leben.
Doch der Traum von einem zweiten Kind hatte sich lange nicht verwirklichen lassen. Mit fünfundzwanzig hatte ich unter meiner unglücklichen Ehe einen Schlussstrich gezogen. Ich hatte versucht, Fynn so viel Zeit wie möglich zu widmen und gleichzeitig mein Studium zu beenden, um unsere Zukunft zu sichern. Außerdem hatte ich keinen Partner. Erst als Malte in meinem Leben auftauchte, wagte ich überhaupt, wieder an meinen Kinderwunsch zu denken.
Ich hatte Angst, dass mein Sohn meinen neuen Freund nicht akzeptieren würde und umgekehrt. Umso euphorischer war ich, als Fynn und Malte sich zuerst vorsichtig annäherten und dann immer mehr zusammengewachsen sind. Wenn wir zu dritt unterwegs waren, nahmen viele an, dass Malte der Vater sei. Manchmal stand ich nachmittags am Fenster und