Armadeira. K. Ingo Schuch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: K. Ingo Schuch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847625544
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bohren. Aber wenn wir uns beeilen, werden sie uns schon nicht anknabbern. Los, bei drei laufen wir hinunter und springen gemeinsam rein! «

      »...drei. «

      Sie brachen schreiend durch das Unterholz und Vanderlei glitt elegant wie ein Alligator ins Wasser. Teixeira blieb an einer Wurzel hängen und schlug längs in den Uferschlamm. Als er sich stöhnend wieder erhoben hatte, bemerkte er, dass ihm der Ausrutscher neben einem Brummschädel und einem tiefen Kratzer auf der Wange auch eine zerbrochene Brille beschert hatte. Vorsichtig klaubte er die beiden Teile aus dem Schlick und besah sich die Bescherung. Da war nichts zu kitten. Das Ding war genau in der Mitte durchgebrochen. Im Film würde er sie mittels Schnürsenkel zusammenflicken. Das Dumme war, dass seine Trekkingsandalen keine Schnürsenkel besaßen, außerdem fehlte ihm die Fantasie, wie das Konstrukt halten sollte. Er steckte die Bruchstücke in die Tasche.

      Er blinzelte über die Wasserfläche und erkannte schemenhaft seinen Assistenten, der sich an dem Boot abmühte. Schließlich ließ der junge Mann ab und kam mit einigen eleganten Armzügen wieder ans Ufer. Nass wie eine Ratte hockte er sich neben seinen Chef und schüttelte den Kopf.

      »Nichts zu machen. Das Ding sitzt fest und außerdem hat der Propeller einen Schlag abbekommen. Das ist nicht zu gebrauchen. Unsere Sachen sind weg. «

      Teixeira fügte seiner Bestandsaufnahme in Gedanken einige neue Punkte hinzu. Nichts zu Essen. Keine Brille. Kein Boot. Irgendwo lief hier ein Durchgeknallter mit einer Knarre herum. Vorgestern Abend hatten sie bereits festgestellt, dass es stimmte, was Senhora Veira zum Handyempfang gesagt hatte. Kein Empfang.

      Nun, sein cellular und Vanderleis sündhaft teures, schwarzes Gerät lagen jetzt sowieso auf dem Flussgrund.

      »Tudo bem? « fragte er seinen Ermittler. Vanderlei lehnte an einem riesigen Gummibaum und schnappte nach Luft.

      »Bist du okay? Ich wusste gar nicht, dass du so ein toller Schwimmer bist. «

      Vanderlei schniefte. »Schon okay. Alles noch dran. Aber wir sind am Arsch, Chefe. Wie sollen wir denn nun aus dieser Wildnis herauskommen? «

      »Jetzt lass´ den Kopf mal nicht hängen. Wie lange sind wir vorgestern unterwegs gewesen von der letzten Stelle mit Behausungen bis zu unserem Rastplatz? Das können zu Fuß maximal fünf, sechs Stunden sein. Bis Mittag spätestens haben wir jemanden gefunden, der uns nach Belém bringen kann. Los, komm hoch und lass uns weitergehen. Du musst nur für mich sehen, meine Brille ist hinüber. «

      Vanderlei suchte einige Zeit das Ufer ab, aber es gab keine Spur von ihrem Gepäck. Das Boot lag auf dem Felsen, vielleicht zwanzig Meter vom Ufer entfernt, aber es war nutzlos. Sie ließen also das Wrack liegen und machten sich zu Fuß auf den Weg.

      Teixeira merkte bald, dass er seit geraumer Zeit nichts Vernünftiges mehr gegessen hatte. Kleine schwarze Punkte flimmerten vor seinen Augen und die Beine zitterten. Seine Armbanduhr sollte zwar bis fünfzig Meter wasserdicht sein, aber das Glas war durch die enorme Luftfeuchtigkeit von innen beschlagen und er konnte die Zeiger nicht erkennen.

      Inzwischen stand die Sonne bereits so hoch, dass sie empfindlich auf ihre Köpfe brannte. Sie beschlossen, die Zähne zusammen zu beißen und noch eine ganze Weile weiter zu marschieren, wobei es eher ein Stolpern war. Wurzeln und tief hängende Äste erschwerten ihnen das Fortkommen. Es gab auch nicht wirklich einen Pfad. Die Bäume reichten meist bis hinunter zum Flussrand. Manchmal mussten sie sich durch brusthohes Gestrüpp kämpfen. Sie wollten aber in der Nähe des Ufers bleiben, da sie dem Fluss folgend auf jeden Fall früher oder später auf Menschen treffen würden. Nach einer Weile begann es unvermittelt wie aus Eimern zu schütten. Bereits nach wenigen Minuten waren beide bis auf die Unterhosen durchnässt. Das Marschieren wurde nun endgültig zur Qual. Bei jedem Schritt versanken sie mit den Schuhen im Matsch oder sie glitten auf den nassen Wurzeln aus.

      Teixeira kam es vor wie eine Ewigkeit, als sie endlich eine längere Pause einlegten. Das Gesicht des Kommissars hatte eine tiefrote Färbung angenommen und Vanderlei klagte darüber, dass seine Füße brannten. Seine Sneakers sahen mittlerweile aus, als habe er sie auf einer Müllhalde ausgegraben. Sie saßen auf einem kleinen Hügel und überschlugen gerade, wie weit sie wohl schon gekommen waren, als beide gleichzeitig den Bootsmotor hörten. Das Geräusch wehte aus der Richtung herüber, aus der sie gekommen waren.

      Vanderlei blickte angestrengt flussaufwärts, für Teixeira war es hoffnungslos. Ungefähr zwanzig, dreißig Meter vor seinen Augen verschwamm die Welt zu einem uneinheitlichen Flimmern. Er hätte beim besten Willen nicht sagen können, was da auf dem Wasser schwamm. Er hielt sich eines seiner Brillengläser vor das Auge, aber die Maßnahme verbesserte die Situation nur unmerklich. Es musste ein Boot sein.

      »Nun, was siehst du? Wer kommt da? «

      »Schwer zu sagen. Es ist ein großes Boot, auf jeden Fall größer als unseres. Ich meine, als das von Osvaldo. Es scheinen mehrere Leute drin zu sitzen. Ich würde sagen, zwei, nein drei. Jetzt kann ich es besser erkennen, der Busch hier war im Weg. Ja, drei Leute. Ich gehe runter und winke. Vielleicht können Sie ja von hier aus ebenfalls versuchen, auf sich aufmerksam zu machen. «

      Und ob ich das werde. Ich werde brüllen wie ein Tiger. Dachte sich Teixeira, zog sich das verschwitze und durchweichte Poloshirt über den Kopf, verstaute die klumpige Zigarettenschachtel in der Hosentasche und winkte wie ein Schiffbrüchiger. Er brüllte aber nicht, sondern krächzte nur: »Olá! Oi. Hier her, Polizei! Wir benötigen Ihre Hilfe! «

      Er konnte nicht erkennen, ob sein heißeres Rufen erhört wurde, aber Vanderlei pfiff und schrie unten aus Leibeskräften und das Motorengeräusch kam eindeutig näher. Offenbar hatte man sie gesehen oder doch gehört.

      Er stieg vorsichtig die paar Meter zum Ufer hinunter und hörte noch, wie Vanderlei aufgeregt auf jemanden einredete: »…und dann ist das Boot an einem Felsen zerschellt und wir mussten zu Fuß weiter. Unser Gepäck ist weg und der Caboclo ist wahrscheinlich ersoffen. Das ist ein dringender Polizeieinsatz, ich denke, wir müssen Ihr Boot beschlagnahmen. «

      Jemand lachte. Es klang nach dem großen Burschen, der gerade über den Bootsrand kletterte. »Ihr macht mir Spaß. Seid hier gestrandet wie ein paar koreanische Touristen, die ihren Reiseleiter verloren haben und erzählt uns, was wir zu tun und zu lassen haben. Was seid ihr denn überhaupt für komische Vögel? « Er kam näher.

      Teixeira konnte dem Mann nun ins Gesicht blicken. Er war unrasiert und trug passende Kleidung. Shorts, feste Schuhe und ein Kakihemd. Er schaute noch einmal genauer hin, zog sich das Poloshirt wieder über und sagte dann:

      »Bom dia, Senhor do Nascimento. Ich hoffte, dass wir uns hier treffen würden. «

      Sie scharten sich am Hügel um einen umgefallenen Baum. Der Regen hatte schon vor einer Weile ebenso abrupt aufgehört, wie er begonnen hatte. Über den Fluss zogen feine Nebelschwaden, es war heiß und feucht. Do Nascimento hatte ihnen aus den Resten seines Reiseproviants etwas getrockneten Fisch und ein paar Schlucke Wasser zur Verfügung gestellt.

      Teixeira wischte sich den Mund mit seinem fleckigen Taschentuch ab, erhob sich ächzend und bat do Nascimento, mit ihm ein paar Schritte zur Seite zu gehen. Er winkte Vanderlei, sich ihnen anzuschließen.

      »Senhor do Nascimento. Wir sind nicht ohne Grund nach Belém geflogen und mit Hilfe unseres braven Caboclo auch beinahe bis zu Ihnen gelangt. Was ich Ihnen zu sagen habe, muss nicht jeder hören. Bevor ich aber anfange. Sie haben nicht zufällig eine Zigarette für mich? Meine letzten beiden haben die ständige Nässe nicht überlebt. «

      Do Nascimento verneinte. »Ich rauche seit bestimmt zehn Jahren nicht mehr. Meine beiden Jungs hier können Ihnen höchstens ein paar Cocablätter anbieten. Übrigens können Sie ganz frei sprechen. Die beiden verstehen kaum ein Wort Portugiesisch. «

      »Senhor do Nascimento, wir ermitteln in einer Reihe von Morden und haben Grund zur Annahme, dass Sie indirekt in die Fälle verwickelt sind. «

      Der große Mann blickte interessiert auf und fragte: »Mord? Nun müssen Sie mir schon einiges erklären, delegado. Ich bin äußerst gespannt, was ich mit Morden