Blume des Bösen. Gerd-Rainer Prothmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerd-Rainer Prothmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844294552
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Ecke des Raums noch zwei große mit buntem Stoff bezogene Kissen, von denen sie eins hinter seinen Rücken steckte. Während sie neben dem Tablett kniete, um ihm Tee einzuschenken, hatte Hans die Assoziation, er nehme an einer afrikanischen Zeremonie teil.

      Nachdem sie ihm eingeschenkt hatte, huschte sie mit ihrer eigenen Tasse in der Hand geschickt unter die Decke und kuschelte sich an ihn. Bis auf ihre kalten Füße fühlte sich ihr Körper warm, sanft und fest an.

      *

      Es gab keine Klingel. Laura klopfte gegen die vergilbte Tür.

      »Ja?«, sagte eine Männerstimme von innen. Sie gehörte zweifellos Horleder,

      »Wer ist da?« »Zückli«, antwortete sie. Das war der hier gebräuchliche Ausdruck für Saccharin und der lächerliche Name, mit dem sie sich bei ihm melden musste.

      Der Schlüssel wurde im Schloss gedreht und die Tür einen ganz kleinen Spalt geöffnet. Misstrauisch schaute er durch den Spalt und ließ sie dann herein.

      Die Mansardenwohnung war winzig und kaum möbliert.

      »Setz dich«, lud er sie ein, auf dem einzigen Sessel im Raum Platz zu nehmen. Er selbst blieb stehen.

      »Wir haben dich und deinem Freund bei uns aufgenommen und gefördert, obwohl ihr uns getäuscht habt«, beendete er sofort alle Höflichkeiten. »Gerade dir müsste besonders viel daran gelegen sein, unser Vertrauen zurückzugewinnen.«

      »Das ist es auch«, wandte Laura ein.

      »Davon haben wir nichts gemerkt. Wir sind absolut unzufrieden mit dir, Genossin.« Vollkommen nüchtern, ohne Erregung hatte Horleder diesen Satz gesagt und sie dabei kalt aus seinen verwaschenen blauen Augen angeschaut. Nur der lauernd offene Mund signalisierte Laura, dass dies keineswegs nur eine harmlose Unterhaltung war.

      »Aber es ist doch gar nichts passiert«, versuchte sie Zeit zu gewinnen.

      »Eben«, konterte er trocken, »das ist es ja.«

      Er holte eine Zigarettenschachtel aus der Jackentasche und bot ihr eine an. Sie lehnte kopfschüttelnd ab. Er ging zu dem Dachfenster, auf den ohne Unterbrechung der Regen trommelte.

      Mit dem Rücken zu ihr blieb er stehen und fuhr fort, »wir waren uns doch einig, dass du durch reparierendes Handeln wieder ein vollwertiges Mitglied unserer sozialistischen Gemeinschaft werden wolltest.«

      »Aber ich habe doch ...« , wollte Laura protestieren.

      »Du hast, du hast«, unterbrach er sie, ohne vom Dachfenster wegzugehen, »du hast versagt. Bislang ist nichts dabei herausgekommen. Glaubst du, wir können ohne brauchbare Gegenleistung das Geld unserer Werktätigen für euch ausgeben?«

      »Ich kann doch nichts dafür, wenn ich euch nichts Ergiebiges geliefert habe.«

      »Das kannst du sehr wohl. Du hattest zugesagt, dich mit allen Kräften darum zu bemühen, aus deinen Fehlern zu lernen. Wir haben dir vertraut. Bislang hast du uns enttäuscht. Wir haben den Eindruck, dass vor allem dein Vergnügen im Vordergrund stand.« Er drehte sich wieder zu ihr um und beobachtete sie ganz ungeniert.

      Da sie mit aller Kraft ihre Wut unterdrücken musste, kniff sie den Mund zusammen und sagte nichts.

      »Wir können auch einen Hinweis auf Prostitution geben, wenn du dir deiner außerordentlichen Verantwortung immer noch nicht klar bist«, sagte er wie nebenbei, als er die Asche seiner Zigarette in einen Aschenbecher auf einem Tischchen in der Ecke abschnippste.

      Laura starrte fassungslos in das verhasste Teiggesicht.

      Man hatte sie doch erst zu Handlungen erpresst, die man ihr jetzt als gesetzeswidrig vorwerfen wollte.

      Und dieser Fisch schien die ganze Perfidie nicht einmal besonders sadistisch zu genießen. Vielleicht glaubte er wirklich, was er sagte.

      Es gelang ihr schließlich, sich zu beherrschen.

      »Was erwartet ihr von mir?«, lächelte sie ihn fragend an.

      »Wir erwarten mehr und bessere Ergebnisse.«

       *

      »Verdammte Scheiße! Jetzt reicht's mir! Aufmachen! Lasst mich hier raus! Aufmachen!«

      Hans hämmerte wie ein Irrsinniger gegen die Zellentür. Jemand schaute durch das Guckloch. Hans hörte auf zu hämmern und trat zurück in die Mitte der Zelle. Von außen wurden die beiden Riegel aufgemacht und der Beamte, der ihn durch das Guckloch beobachtet hatte, kam herein und schaute ihn kommentarlos an. Dann ging er hinaus und schloss die Tür wieder.

      »Alles, was hier abläuft, ist doch völlig absurd!«, legte Hans wieder los. »Was wollen Sie eigentlich rauskriegen? Ob ich ein Spion bin? Lächerlich! Jeder Spion würde pünktlich an die Grenze kommen. Da lässt man sich drüben als Student von der Polizei zusammenschlagen«, übertrieb er. »Weil man für den Sozialismus demonstriert, und hier wird man acht Stunden lang verhört, nur weil man zu spät an die Grenze gekommen ist. Wo steht das bei Marx? Meinen Sie, damit bringen Sie die sozialistische Bewegung voran? Ich habe nichts anderes getan, als in einer besonderen Situation die mir unwichtiger erscheinende Regelverletzung zu wählen!«

      Die Riegel der Zellentür wurden wieder zur Seite geschoben. Die Tür wurde aufgeschlossen und der Wärter, der ihn hergeführt hatte, kam herein. Er sah Hans nur kühl an. Seine Miene war ebenso nichtssagend wie sein konturenloses rötliches Gesicht. Merkwürdigerweise war es Hans in diesem Augenblick völlig egal, ob er seine Situation möglicherweise noch mehr verschlechtert hatte. Nach einer für ihn nur schwer erträglichen Pause drehte sich der Mann um, verließ die Zelle, verschloss sie und schob die beiden Riegel wieder vor.

      Hans setzte sich zurück auf die Pritsche, er fühlte sich wie leergelaufen. Als hätte der kleine Ausbruch seine letzten Reserven an Widerstandsenergie aufgezehrt. Nach Stunden monotonen Wartens war es ihm mittlerweile gleichgültig, was man mit ihm vorhatte. Auf keinen Fall würde er jedoch irgendeinen Namen nennen.

       *

      Mario stand mit seinem Alfa Romeo vor der Jazzschmiede.

      Als die Probe zu Ende war, kam Laura die Steinstufen herauf.

      Sie ärgerte sich ein wenig darüber, mit welcher Selbstverständlichkeit Mario einfach dastand, in der Annahme, sie würde auch ohne Verabredung Zeit für ihn haben.

      Aber sie hatte Zeit und stieg ein.

      Er wollte mit ihr ins Pergamonmuseum.

      Er behandelte sie höflich. Fast zurückhaltend und vermied es strikt, sie zu berühren.

      Das gefiel Laura, machte sie aber gleichzeitig misstrauisch.

      Sie wurde den Verdacht nicht los, es könnte Strategie dahinter stecken.

      Er parkte seinen Wagen gegenüber der Eingangsbrücke zur Museumsinsel. Ein aufschneiderischer Farbfleck vor dem antiken Gebäudekomplex. Es waren noch wenig Besucher dort. Sie setzten sich vor den Pergamonaltar auf die Bank und schwiegen. Laura kam der Gedanke, er hätte diese Kulisse in einem Anfall von Größenwahn gewählt. Der Altar war im Original für Zeus und Athene erbaut worden.

      »Was macht eigentlich dein peruanischer Freund?«, fragte er auf einmal in die Stille.

      Laura erschrak. Woher wusste er, dass Nelson Peruaner war? Warum interessierte er sich für ihn?

      »Er studiert«, antwortete sie ihm knapp ohne den Versuch zu machen, ihn zu korrigieren und Nelson auch vor ihm als Chilenen auszugeben.

      Übergangslos sprach er dann vom Pergamonaltar und dem beeindruckenden über hundert Meter langen Fries, auf dem der Kampf der Götter gegen die Giganten dargestellt war und ging nicht weiter auf Nelson ein. Als hätte er nie nach ihm gefragt.

      Dann wollte er mehr über ihr Leben in der DDR erfahren. Aber Laura war vorsichtig geworden und erzählte nur Unverbindliches.

      Als er sie vor der »Jazzschmiede« absetzte, sagte er nur: »Alte Freunde sind oft wichtiger