Die kleine Fee hob den Knüppel auf und ging damit zu einem nahe gelegenen Brunnen. „Auf das du nichts Böses mehr auf dieser Welt tust“, sprach die kleine Fee und ließ den Knüppel in den tiefen Brunnen fallen. Der Schutzmann unterdessen blickte die kleine Fee verwundert an, den Arm, mit dem er die Fee zuvor schlagen wollte, noch immer willenlos in die Luft erhoben.
„So“, sagte die Fee. „Das Werkzeug des Bösen haben wir schon unschädlich gemacht. Jetzt bist du an der Reihe. Bitte folge mir. Den Arm kannst du jetzt herunter nehmen.“ Und treu und brav, wie von magischer Hand gezogen, trabte der Schutzmann hinter der kleinen Fee her. Bald kamen sie zu einem Wasserfall.
„So, da wären wir“, sagte die kleine Fee. „Bitte gehe so, wie du bist, unter diesen Wasserfall und lasse dich reinigen vom Bösen. Du wirst verwandelt wieder hervorkommen. Aber glaube mir: Es geschieht zu deinem Besten! Und jetzt geh'!“
Mechanisch ging der Schutzmann los und stellte sich direkt unter den Wasserfall, zunächst etwas skeptisch und ängstlich. Nach wenigen Sekunden aber schien er an dem unfreiwilligen Bad Gefallen zu finden, reckte und streckte sich und genoss das Bad ganz offensichtlich. Was er noch nicht sehen konnte war, dass alle Farbe aus seiner einst schwarzen Uniform entwich. Das Schwarz wurde dunkelgrau, es wurde hellgrau. Und aus dem hellgrau wurde letztendlich weiß, die Farbe der Reinheit. Eine Blume spross aus einem Knopfloch und der grimmige Gesichtsausdruck des Schutzmannes wandelte sich in ein freundliches Gesicht.
„Du kannst jetzt das Bad beenden“, sagte die kleine Fee. „Du bist jetzt geläutert und fortan ein Schutzmann des Guten. Du hast von der himmlischen Regierung hiermit den Auftrag bekommen, dafür zu sorgen, dass das Böse auf dieser Welt sich selbst vernichtet. Das wirst du schaffen, indem du Gutes weitergibst. So wird eines Tages das Böse keine Chance mehr haben und sich von allein zum Guten bekennen“, sprach die kleine Fee und berührte den Schutzmann sacht mit ihrem Zauberstab, so dass viele kleine Sterne um ihn herumtanzten. „Ich weiß überhaupt nicht mehr, wie ich jemals an etwas anderes als das Gute glauben konnte“, sagte der Schutzmann, der erst jetzt staunend seine Uniform betrachtete. „Ich danke dir für den Segen, den du mir hast zukommen lassen“, sprach der Schutzmann weiter. „Ich werde jetzt ein guter Schutzmann des Guten sein und getreulich meine Pflicht bis an mein Ende erfüllen. So wahr mir Gott helfe!“ sagte er feierlich und verneigte sich vor der kleinen Fee, der Dienerin des Himmels. Und dann ging er los, um auf das Gute aufzupassen. Unsere kleine Fee aber freute sich noch mehr, denn ihr war es gelungen, eine gute Seele zu befreien und wieder ihrer eigentlichen Bestimmung zuzuführen.
Die Insel der Liebe
Es war einmal eine junge Prinzessin, die sich in den Kopf gesetzt hatte, ihr Wunschbild zu verwirklichen. Sie wollte raus aus der Begrenzung ihres Schlosses und mit einem Schiff fliehen. Aber ganz so einfach war es nicht, zu fliehen. Überall waren Wächter, die sie sicher nicht raus lassen würden und wenn sie ehrlich war, etwas Angst vor dem Unbekannten hatte sie auch. Aber die Sehnsucht nach Freiheit, Liebe und Entspannung blieb in ihrem Herzen. Und je länger sie diese Gefühle unterdrückte, desto mehr drängten diese nach Verwirklichung. Sie träumte von einer einsamen Insel irgendwo tief drinnen im Meer, von Wärme, Liebe und Geborgenheit. Sie träumte von Lachen und verstehen und von Sorglosigkeit. Aber all das sollte ein Traum bleiben, solange sie auf diesem Schloss gefangen war. Wie schön wäre es, dachte die Prinzessin, wenn mir jemand helfen würde, hier herauszukommen!
Eines Tages saß sie unten am Fluss und sah trübsinnig auf das Wasser. Sollte der Sinn des Lebens sein, so langweilig vor sich hin zu leben? Wie lange war man denn auf dieser Welt? Doch eigentlich viel zu kurz. Jedenfalls zu kurz, um mit einem Menschenleben alles das entdecken zu können, was die Natur ihr zur Entdeckung anbot. Aber wie komme ich raus aus meiner Haut? Wie kann ich meine Angst überwinden und meine Begrenzungen aufheben? sinnierte die Prinzessin.
So saß sie schon eine ganze Weile dort, als ein kleines Schiff auf dem Fluss daherkam. Es war blau angestrichen und erhobenen Hauptes stand ein junger Mann auf dem Boot, der eine weiße Mütze auf dem Kopf hatte. Er hatte die Prinzessin schon lange entdeckt und sein Ruder in Richtung des Ufers gerichtet. Als er näher gekommen war, sprang er behände an Land und machte sein Schiff mit einem Tau an einem Baum fest.
„Guten Tag, mein schönes Fräulein. Ich bin Aribus, der Rumtreiber und seit langem auf der Suche, meinen Traum von Freiheit zu verwirklichen. Und wer seid ihr?“
„Ich bin die Prinzessin Lydia. Aber: Erzählt mir mehr von eurer Suche, „ bat die Prinzessin, denn sie war hellhörig geworden und fand diesen jungen Mann recht sympathisch.
„Nun, es ist so“, fing der junge Mann zu sprechen an, „ich lebte immer in der Begrenzung von 'muss' und 'soll' und 'kann'. Aber nach meinen innersten Wünschen wurde ich nie gefragt. Und so habe ich eines Tages dieses Schiff gekauft und treibe mich seitdem in der Weltgeschichte herum.“
„Ja, habt ihr euren Traum denn damit noch nicht erfüllt?“ fragte die Prinzessin neugierig.
„Nein, ich bin noch immer auf der Suche, denn bis jetzt habe ich niemanden gefunden, der diesen Wunsch mit mir teilen möchte. Bis jetzt bin ich nur auf Ablehnung gestoßen und man hat mich sogar für verrückt erklärt! Und das alles nur, weil ich froh, glücklich und zufrieden leben will. So sind eben die Menschen. Aber sagen Sie, mein Fräulein: Was machen Sie so allein hier am Fluss?“
„Ach, mein Herr, mir geht es ähnlich wie Ihnen. Ich werde von meinen Leuten ausgelacht, weil ich den Traum habe, aus der Begrenzung zu entfliehen. Ich träume von einer Insel, auf der Liebe und Geborgenheit die Regenten sind - und nicht, wie hier, Neid, Hass und Missgunst. Aber keiner glaubt mir. Alle verachten mich und alleine bin ich zu schwach, sie zu überzeugen und habe andererseits Angst, es alleine zu probieren. Aber es will mir niemand helfen. Deshalb sitze ich hier allein und bin nicht mit den anderen zum Ball.“ Wehmütig hatte die Prinzessin dieses gesagt. Ein trauriger Schimmer lag in ihren Augen und nervös betrachtete sie ein kleines Gänseblümchen, dass sie aus dem Gras gezupft hatte.
„Ja, aber mein Fräulein, das ist ja ganz phantastisch! Seht ihr denn nicht, wie sich unsere Träume gleichen? Kommt mit auf mein Boot. Gemeinsam werden wir diese Insel finden. Und alleine sind wir dann auch nicht mehr. Vielleicht gehen dann unsere Träume in Erfüllung!“
Das ließ sich die Prinzessin nicht zweimal sagen. Das könnte die Erfüllung ihres Traumes sein! Schnell stand sie auf, nahm dankend die Hilfe des jungen Mannes in Anspruch und sprang auf das Schiff. Langsam ließen sich die Beiden dann flussabwärts treiben. Bei Bedarf holten Sie die Segel heraus und manchmal benutzten sie nur das Ruder. Bereits nach einigen Tagen stellten die Prinzessin und der junge Mann fest, dass sie ohne den anderen nicht mehr leben wollten, denn gemeinsam ging so vieles leichter.
Eines Tages kamen sie tatsächlich an eine Insel, die sehr einladend aussah. Der Strand glänzte golden in der Sonne, Sträucher mit Beeren gab es auch genug und die Tiere waren noch friedlich. So tauften sie ihre neu entdeckte Insel „Die Insel der Liebe“, bauten sich ein schönes Heim und fühlten sich wohl, glücklich und zufrieden. Sie gaben sich Wärme und Geborgenheit und es herrschte gegenseitiges Verstehen. Das, was beide für sich so lange allein gesucht hatten - hier hatten sie es jetzt endlich gefunden.
Die Vertreibung der Poltergeister
Es war einmal ein altes Schloss, das dabei war, zu zerfallen. Menschen bewohnten es schon lange nicht mehr, nur einige Ratten und Mäuse rannten auf den leeren Fluren herum und suchten nach den letzten Krumen Essbarem. Früher war auf diesem Schloss eine Menge los gewesen. Bälle und prunkvolle Feste hatte es hier gegeben. Hier hatten Glanz und Gloria gelebt.
Als der letzte König gestorben war, hatte es aber keinen Erben gegeben, der den Thron hätte besteigen können, denn nach altem Brauch dürfen weibliche Nachkommen nicht auf den Thron. Und so wollte die einzige Tochter den Thron auch nicht und verließ das Schloss. Niemand wollte das Schloss haben, keiner wollte es kaufen und so beschloss man, es verfallen zu lassen. Das