Viele Jahre später habe ich meine eigene Katze selbst mal im Wäschetrockner eingesperrt. Nur das komische Rumpeln des Gerätes machte mich stutzig. Ich öffnete die Tür und ein verstörter Benno purzelte flauschig aus der Maschine. Da er nur wenige Umdrehungen ertragen musste, war er nach einem kräftigen Schütteln genesen.
Eine Bettgeschichte
Morgens, meine Frau und ich liegen noch im Bett. Ein seltenes Ereignis. Kein Telephon hat uns geweckt. Ein ungeduldiger Hundebesitzer steht auch nicht vor der Tür. Komisch, es ist nicht einmal Sonntag und wir haben Muße noch einen Moment im Bett zu verharren und die wohlige Wärme und Geborgenheit zu genießen. Und da, ganz plötzlich, höre ich einen Satz, den ich von meiner Frau noch nie gehört habe. Wir kennen uns nun schon fast 15 Jahre und ich werde noch überrascht. „Erzähl mir ein Märchen!“ Höre ich nun schon zum zweiten Mal. Anfangs glaubte ich, mich verhört zu haben, aber die erneute Aufforderung bestätigte die unbestrittene Willenstärke meiner Frau. Vielleicht ist es auch eine Reaktion meiner Frau darauf, daß ich ihr immer die Schuld für unpassende oder unangenehme Anrufe gebe. Unten in der Praxis ist zwischenzeitlich das Personal eingetroffen und das verschafft mir die Zeit dieser ungewöhnlichen Bitte nachzukommen.
„Es war einmal ein äußerst fleißiger und liebenswerter Tierarzt. Er war immer für seine Patienten und deren Besitzer da. Er litt mit seinen Patienten und sah das Scheitern seiner Therapie immer eine persönliche Niederlage. Leider vergaß er dabei oft seine Familie. Die Kinder sah er oft nur im Bett oder zu Geburtstagen. Die Ehefrau oft nur nachts neben sich im Bett, denn die Mahlzeiten nahm er irgendwo unterwegs oder zwischendurch allein zu Hause ein. Die Ehefrau wurde daraufhin verbittert und zeterte oft über die unerfreuliche Lage. Zudem wurde die Ehefrau auch noch sehr eifersüchtig. So war sie der Nachbarin mit Namen Poppe sehr gram. Erst als sie nach Jahren der unbegründeten Eifersucht zufällig traf und gewahr wurde, dass die Frau bereits das hohe Alter von 87 Jahren erreichte hatte, verflog diese unschöne Eigenart. Diese Reaktionen entfremdete die beiden noch mehr. Und so ging jeder bald seiner eigenen Wege. Er lebte nach dem Motto: es gibt Patienten, die trotz Behandlung genesen. Und wenn sie nicht gestorben ist, meckert sie noch immer.“ Doch halt, so arg war unser Leben doch nicht geworden, wenn auch viel Wahres an der Geschichte ist. Spätestens der Lachanfall meiner Frau holte mich in die Realität zurück. Schließlich hatten wir heute ausnahmsweise mal die Möglichkeit, ein gemeinsames Frühstück einzunehmen, ehe der Alltagswahnsinn über uns hereinbricht. Ich habe zwischenzeitlich gelernt, auch die kleinen Freuden des wenigen privaten Lebens zu genießen und so bin ich über die wenigen gemeinsamen Momente froh. Außerdem habe ich in einem zähen Kampf gelernt, auch mal nein zu sagen. Das hat mir Respekt und etwas Freizeit eingebracht.
Eine ähnliche Geschichte habe ich vor längerer Zeit mal als Gast bei einer Familienfeier erlebt. Zehn Jahre war ich Vorsitzender der Stadtverordneten unserer Stadt. Heute weiß ich nicht mehr wie ich dieses zeitaufwendige Ehrenamt neben meiner Arbeit geschafft habe. Ich musste oft die Versammlungen wegen eines Notfalls verlassen. Während dieser Zeit musste ich oft zu besonderen Anlässen offizielle Besuche abstatten. Geburtstage, Firmenjubiläen, Neueröffnungen, aber auch Beerdigungen und ähnliches waren die Anlässe solcher Visiten. Es war nicht immer eine Lust dort hinzugehen. Einmal musste ich ins Altersheim zu einer Eisernen Hochzeit. Wer ist heute schon noch 65 Jahre verheiratet. Ich werde es wohl nicht schaffen. Ich brüllte neben den anderen Gratulanten meine Glückwünsche in die Hörgeräte. Nun begann der lustige Teil und als die Jubilare einige Gläser Sekt und einige Klare zu sich genommen hatten, konnte man sich auch mit ihnen unterhalten.
Die lokale Presse war auch anwesend und wollte nun ein paar sinnvolle Zeilen auf die Lokalseite bringen. Die Journalistin versuchte ein Interview mit beiden Ehrengästen. Glücklicher- weise interviewte sie beide separat. Und so erfuhr ich, wie man so lange eine glückliche Ehe führen kann. Der greise Gatte erwiderte auf die Frage nach der glücklichsten Zeit seiner Ehe: „Die fünf Jahre russische Kriegsgefangenschaft.“ Selten bin ich sprachlos aber hier wusste ich nicht mehr wie ich darauf reagieren sollte. Der kurz zuvor noch neidvolle Blick auf die lange Ehe hatte sich so schnell verflüchtig.
300 Jahre Bauernstolz
Schon einmal hatte ich über einen Bauern mit katastrophaler Tierhaltung geschrieben. Damals fühlte ich mich in die Schützengräben von Verdun versetzt. Heute ist der Besuch bei eben diesem Bauern erneut Anlass für eine kleine Anekdote.
Wie schon mal erwähnt, muß jeder Rinderbestand ein Mal im Jahr untersucht werden. Dazu werden allen Rindern Blutproben entnommen. Heutzutage ist das nicht mehr so ein Problem. Die Blutprobe wird aus der Schwanzvene entnommen. Es geht schnell und problemlos. Es muß keine Vene gestaut werden. Nur der Schwanz des Rindes wird senkrecht nach oben gestreckt und schon kann die Vene punktiert werden. Es gibt nur zwei Risken erstens steht der Tierarzt direkt hinter den Hinterbeinen. Diese können bei Rindern sehr schnelle und exakt gezielte Schläge austeilen. Daher trage ich immer eine dicke Lederschürze als Prophylaxe. Das zweite Risiko ist der mit Kot beschmierte Schwanz. Mit anderen Worten, nach wenigen Tieren ist man von oben bis unten mit einer grünlich bis braunen Masse dekoriert. Bevor die Methode der Blutprobenentnahme aus dem Schwanz aufkam, wurden die Blutproben aus der Halsvene entnommen. Diese Methode erforderte mehrere Hilfspersonen um Kopf und Staustrick zu halten. Es war nicht so schmutzig, aber gefährlich nah an den Hörnern und man musste eine gebückte Haltung einnehmen. Ich erinnere mich an einen Fall, bei dem ich am Kopf der Färse stehend die Vene punktierte. Plötzlich verspürte ich einen leichten Druck auf der Brust. So als wolle jemand mir nachdrücklich sagen, dass ich zur Seite gehen soll. Als ich wieder zu mir kam, lag ich etwa fünf Meter weg an der Stallwand und blickte in die verdutzten Gesichter vom Bauern und meiner Helferin. Mir tat nur der Rücken weh, von dem Aufprall an der Stallwand. Aber das nur zur Einstimmung auf die Gefahren der tierärztlichen Tätigkeit.
Wir müssen also wieder ins Ungewisse. Ich bin immer froh, wenn solche Aktionen ohne Verletzungen überstanden sind. Dieser beschriebene Bauer hat in seinem Haus, ein uraltes Bauernhaus auf einem Vierseitenhof, eine endlose Bildergalerie seiner Vorfahren. Diese waren alle Bauern und er weiß zu jedem Bild eine heroische Geschichte zu erzählen. Ich glaube, diese würden sich abwenden, wenn sie dieses Chaos und die abgemagerten, moribunden Rinder sähen. Vorbei an dieser Ahnengalerie gehen wir durchs Haus auf den Hof. Eine schlammige stinkende Fläche empfängt uns. Die Gummistiefel reichen kaum aus. In dem Schlamm stehen unzählige schrottreife Autos, Kleinlaster und allerlei landwirtschaftliche Maschinen. Von den meisten ist ihre ursprüngliche Funktion nicht mehr zu erahnen. Der Weg führt uns durch eine baufällige Scheune, oder was davon übrig ist. Nun erblicken wir wieder die Schützgräben. Jedenfalls sind die Fahrspuren der Traktoren ähnlich tief. Dazwischen waten die Rinder bis zum Bauch durch das Gemisch aus Kot, Sand und Futterresten. Dort sollen wir die Blutproben nehmen. Ich glaube nicht, dass es am Ende des Tages noch einen einzigen sauberen Fleck an mir und meiner Helferin geben wird. Eigentlich sollte heute meine neue Assistentin mitkommen. Aber man hat ihr über Nacht die Spiegel vom Auto gestohlen und so bleibt ihr dieser Anblick erspart. Vielleicht ist es auch gut so. Womöglich würde sie sonst sofort kündigen. Bei all diesen Gedanken übersehe ich fast, daß in diesem Sumpf eine tote Kuh liegt. Sie bleibt auch da liegen, als wir fertig sind. Nun beginnt die eigentliche Arbeit. Es kann nicht mehr schlimmer werden. Die meisten Tiere haben keine Ohrnummern und sehen schrecklich aus. Endlich ist alles geschafft. Wir wenden uns ab von dem Elend. An Waschen ist nicht zu denken. Ich will nur einflechten, dass es die ganze Zeit über regnete und Temperaturen um Null Grad herrschten. Also steigen wir so wie wir sind ins Auto und freuen uns auf eine warme Dusche und das wir unverletzt davon gekommen sind. Die Einladung zum Essen lehnen wir dankend ab. Es wird sich noch zeigen, wie weitsichtig diese Absage war.
Fünf Tage später ereilt uns ein Anruf aus eben diesem Stall. Eine Kuh ist seit dem Tag der Probennahme in der Geburt und es geht nicht voran. Die Nachbarn hätten ihm mitgeteilt, dass die Kuh im Graben liegt und hinten ein Kalb raus guckt. Welch ein aufmunternder Vorbericht. Mein fleißiger Assistent fährt