„Recken, noch so ein Menschenwort.“ Kommt die verächtliche Erwiderung. „Ich denke, das sollen wohl Helden sein. Richtig? So heldenhaft waren die aber nicht.“
„Man muss die Heldenhaftigkeit an dem Vermögen messen.“
„Dann waren die aber arm, du Klugscheißer.“ Man mag sich nun ein sehr breites grinsendes Gesicht vorstellen. „Gut, so soll es geschehen.“ Folgt nun einlenkend. „Du kannst mit dem Flüstern beginnen. Ich beginne zu schwingen.“
Nichts davon hat die Ruhe des Waldes gestört. Alles waren nur Gedanken. Das Bächlein, das nahe sein ewiges Lied plätschert, ist das Einzige, das wirklich zu hören ist. Stille herrscht für geraume Zeit.
„Ich habe mir sagen lassen, die Pflanzen seien die Einzigen, die je einen Gott gesehen hätten. Und um nichts verraten zu können, wäre ihnen die Sprache genommen worden.“ Ketzerisch kam der feine Gedanke herüber.
„Ruhe!“, war die brummige Antwort, „Ich schwinge!“
* * * * *
Als Magda langsam erwacht, steht die Sonne schon hoch am Himmel. Sie fühlt sich wunderbar; so wohl wie noch nie. Das war ein tiefer und erholsamer Schlaf gewesen. All die Verzweiflung und Ängste der letzten Zeit sind nun unbeschreiblich weit weg. Sie fühlt ein dunkles beruhigendes Brummen tief in sich.
Hattest du nicht einen Traum?
Ja, dieser Traum … Nanu! War das ihr Gedanke? Fängt der Wahnsinn schon wieder an? Egal, die Schwingungen in ihr sorgen für Beruhigung. Ja, dieser Traum. Was war das doch gleich? So langsam kommt die Erinnerung zurück. Sie hat zuerst von Angst geträumt. Kein Wunder nach den Geschehnissen der letzten Tage. Doch sie muss ja gar keine Angst haben. Nicht vor den Menschen oder den Tieren des Waldes. Gleichwohl nicht vor großen Tieren. Es gibt keine fürchterlichen Tiere, weder groß noch klein. Außerdem: Welche großen Tiere kannte Sie schon? Den Hirsch! Ihr war, als sei das tiefe beruhigende Brummen in ihr ins Stolpern geraten.
Größer und gefährlicher!
Redet da einer mit ihr? Es ist niemand zu sehen, trotzdem hätte Magda schwören können, dass das nicht ihr Gedanke ist. Aber nein, sie bildet sich nur ein, etwas gehört zu haben. Wohl doch noch eine Nachwirkung der letzten Zeit. Tja, größer und gefährlicher – den Wolf oder den Bär!? Wieder ein spürbarer Hüpfer des beruhigenden Brummens in ihr.
Noch größer und noch gefährlicher! Denk an das Bild.
„Redet da jemand mit mir? Ist da wer?“, ruft Magda. Nein, es ist wirklich niemand zu sehen. Das Bild – was war das für ein Bild? Das Brummen in ihr wurde tiefer und beruhigender. Langsam kam ihr das Bild des Traumes wieder in das Gedächtnis. Ein riesiges Tier, viele Male größer als sie selbst. Ganz hell gefärbt, stark, stolz, schön anzusehen, mit langem mächtigem Schwanz. Mit jeder guten Eigenschaft, die Magda einfiel, wurde das Brummen in ihr intensiver. Wie hieß das Tier im Traum? Es wollte nicht einfallen. Es war ein …, ein …
Drache!!
Ja, ein Drache, denkt Magda auf den fremden geflüsterten Gedanken. „Hey, jetzt reicht es aber. Ich weiß nicht, wer Ihr seid, doch ich höre euch ganz deutlich. Ihr denkt wohl, Ihr könnt euren Spaß mit mir treiben. Zeigt euch, gefälligst.“, ruft Magda in den Wald. Bestimmt und ihres Standes völlig ungehörig fordert Magda den Unbekannten. Nichts geschieht. Entschlossen steht Magda auf. Das einlullende Brummen lässt stark nach. „Wo seid Ihr?“
„Ich bin hier, gleich neben dir auf deiner Schulter.“ Die Stimme ist sehr fein und zart und scheint mehr in ihrem Kopf zu sprechen, als denn mit den Ohren hörbar zu sein. Sie dreht den Kopf nach rechts und nach links, findet aber niemanden.
„Was soll das, auf meiner Schulter? Ich sehe dich nicht. Wie klein bist du denn überhaupt, dass du auf meiner Schulter zu sitzen kommst?“ Magda spricht nun schon ohne jeglichen Respekt, wie mit Ihresgleichen.
„Streck deine Hand aus!“ bittet die Stimme.
Magda tut, wie ihr geheißen und streckt die rechte Hand vor sich aus. Ihr scheint, als sei ein Lichtreflex zu ihrer kleinen, schwieligen Hand gehuscht. Automatisch, um besser zu sehen, hebt sie die Hand vor die Augen. Den Blick auf das bisschen Licht fixiert. Langsam erkennt Sie ….
„Wer oder was bist du? Mir scheint, du seiest eine Libelle. Doch viel viel kleiner und leuchtender.“
„Ich nenne mich Jade und ich bin eine Traumfee. Ich habe dir die Träume in der Nacht gegeben. Weil es wichtig ist, dass du weißt, was du sehen wirst und damit du keine Angst hast.“
„Was ich sehen werde? Ich sehe eine winzig kleine Gestalt, vor der ich wahrlich niemals Angst haben werde. Mir wird zwar nie ein Mensch glauben, was ich sehe, doch Angst machst du mir nicht. Ich kenne keine Angst seit dieser Nacht. Kein Wolf oder Bär kann mich schrecken. Nicht mal ein ….“ Das letzte Wort, das sie sagen will, bleibt dann doch im Halse stecken. Nur langsam kann Magda fortfahren „ … Drache?!?
„Na endlich! Jetzt ist es raus. Sie hat es gesagt. Ja, einen Drachen wirst du sehen.“ Der kräftige Bass des Drachen lässt Magda trotz aller Beruhigungsmaßnamen erschrocken herumfahren. Wieder schaut sie sich um und kann, außer dem hellen Felsen, erneut nichts sehen.
Hätte Jade tatsächlich auf der Hand gesessen, wäre sie unweigerlich abgestürzt. So aber schwebt sie immer noch nahe bei Magda. „Sei nicht so ungeduldig. Du machst doch alles wieder kaputt.“, schimpft sie. Und zu Magda gewandt: „Sieh mich an, …. Äh, wie heißt du eigentlich?“ Diese Frage ist genauso unnötig, wie die Antwort, denn Jade kennt den Namen schon längst. Sie und Eringus sind des Gedankenlesens mächtig und während der Träume hatte Magda selbst den Namen preis gegeben. Aber zur Ablenkung war die Frage genau das Richtige. Magda versucht zunächst erst wieder Jade zu finden, die sie eben ansprach. „Wie kann so ein kleines Wesen, das man kaum sieht, so laut reden?“
„Ich rede nicht wirklich. Du kannst aber meine Gedanken verstehen und ich deine. Würde ich meine Stimme, die ich tatsächlich habe, als solche verwenden, könnte ich damit nicht mal eine Fliege aufscheuchen. Dein Kopf glaubt nur, mich zu hören.“, lautet Jades Antwort. Inzwischen hat Eringus wieder mit dem Brummen begonnen und Magda wird auch wieder deutlich ruhiger. „So, Magda, versuchen wir es jetzt noch einmal und mit Ruhe und ungestört.“ Der letzte Teil bezieht sich auf Eringus, der dieses Mal auf eine Antwort verzichtet. „Denk an den Traum.“, fährt Jade fort. „Du musst wirklich keine Angst haben. Dir wird nichts geschehen. Du wirst gebraucht.“
Wäre Magda nicht so aufgeregt gewesen, hätte sie sich bestimmt gefreut. Ihr wurde schon lange nicht mehr gesagt, dass sie gebraucht wird. Zuletzt hat die verstorbene Mutter dies gesagt. So blieb die Bemerkung ungeachtet.
„Wir werden den Bock am Besten von hinten aufzäumen.“, beginnt Jade.
„Bock!?!“, protestiert Eringus.
„Sei doch ruhig“, weißt ihn Jade an. Als sie dann die fragenden Augen Magdas sieht: „Ach so, das kannst du noch nicht verstehen.“
„Wir fangen mit dem an, das dir sicher am wenigsten Angst machen wird.“, beginnt Jade noch einmal. „Dreh dich ein wenig nach rechts herum. – Ja, so ist es gut. Jetzt schau gerade aus. Siehst du etwas Helles vor dir?“
„Ja, dort neben der großen Weide.“, antwortet Magda.
„Sehr gut, Magda. Das ist das Schwanzende. Nun dreh dich nach links, bis du nichts Helles mehr siehst.“
„Da neben dem morschen Baum ist das Letzte, was ich sehe.“ Inzwischen hat sich Magda halb