Die Ei-Geborenen. Michael H. Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael H. Schenk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847698166
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lag inmitten einer Wasserlache neben dem Becken. Er lag auf dem Rücken und seine weit aufgerissenen Augen blickten starr und leer. Man hatte den Toten mit dem imperialen Wappenmantel bedeckt. Zwei Gardisten hielten Ehrenwache.

      Densen erkannte die Hochgeborene, die auf einer der Liegen ruhte und von zwei Dienerinnen betreut wurde. Sie war nur notdürftig bekleidet und weinte leise. Kanzler Wilbur stand bei ihr und blickte auf, als Densen eintrat.

      „Ein entsetzliches Unglück, Hauptmann“, sagte Wilbur leise und sah mitfühlend auf die Kaiserin. „Ein immenser Verlust für das Imperium und Ihre Imperialität, die Kaiserin.“

      Densen, obwohl noch in Zivil, sah die Imperatorin an und salutierte. „Meine Anteilnahme zu diesem Verlust, Hochgeborene.“

      Die junge Witwe nahm ihn kaum wahr, nickte kurz, um erneut in Tränen auszubrechen. Wilbur legte seine Hand vertraulich an Densens Arm und führte den Hauptmann etwas zur Seite. „Ihre Imperialität benötigt nun Ruhe. Der schreckliche Unfall ereignete sich in ihrer Anwesenheit.“

      Densen nickte. „Wie ist es geschehen?“

      „Wahrscheinlich hat einfach das Herz des Kaisers versagt“, seufzte Wilbur. „Mitten beim gemeinsamen Bade. Die Hochgeborene, Vesana-Vob, merkte es erst, als es zu spät war. Natürlich waren die Garden sofort da, und auch der Kundige, aber man konnte dem Imperator nicht mehr helfen.“

      Ein Badeunfall. Densen Jolas schloss kurz die Augen. Ein schlichter Badeunfall hatte das Leben des Imperators beendet. Ein Unfall, wie er immer wieder vorkam. Gerade die heißen Bäder, die der Kaiser so sehr geschätzt hatte, belasteten den Kreislauf nicht unerheblich. Das Leben eines hochgeschätzten Helden und Imperators hatte ein ruhmloses Ende gefunden. Aber das Wirken des Kaisers würde den Menschen in Erinnerung bleiben.

      Densen musterte Wilbur. Der imperiale Kanzler besaß keine große Bedeutung im Imperium. Eigentlich musste er nur die Wünsche des Kaisers in die geschraubt wirkende Amtssprache des Reiches umsetzen. Für Densen war der Mann nicht mehr, als ein imperialer Sekretär, auch wenn Wilbur sich den Anschein einer wichtigen Persönlichkeit gab. Aber der Imperator hatte nicht viel auf den Rat Wilburs gegeben.

      Densen sah zu der Witwe hinüber. Es konnte sein, dass sich das nun änderte. Wilbur hatte das Ohr von Vesana-Vob, das war allgemein bekannt. Vielleicht würde der Tod des Kaisers nun für mehr Einfluss des Kanzlers sorgen.

      „Wir werden den Imperator rasch auf das Begräbnis vorbereiten. Bei der herrschenden Witterung wären die Begleitumstände einer langen Aufbahrung sonst ausgesprochen unangenehm“, sagte Wilbur leise. „Glücklicherweise sind die Senatoren in der Stadt, sodass wir dem toten Kaiser morgen die letzte Ehre erweisen können.“

      „Morgen?“ Densen sah den Kanzler überrascht an. „Die Zeit ist zu knapp, Kanzler Wilbur. Das Volk wird Abschied nehmen wollen. Es ist üblich, einen toten Imperator aufzubahren und…“

      Die Stimme der Hochgeborenen war kühl und beherrscht. „Mein Volk soll den Kaiser in guter Erinnerung behalten. Als den Helden und vitalen Mann, der er immer war. Ich wünsche nicht, dass man ihn als stinkenden Leichnam in Erinnerung hat.“

      Densen Jolas zwang sich zur Ruhe. Der Wunsch der künftigen Imperatorin war ungewöhnlich, aber immerhin verständlich. „Dennoch…“

      „Du wirst meinem Wunsch entsprechen, Hauptmann Jolas“, sagte Vesana-Vob leise. „Kanzler Wilbur ist angewiesen, alle Vorbereitungen zu treffen. Du, Hauptmann, wirst die Garde unterrichten und dafür Sorge tragen, dass die Zeremonie morgen in aller Ordnung ablaufen wird. Anschließend werde ich eine wichtige Rede vor dem Senat halten. Sorge also für meinen Schutz.“

      „Ich werde meine Pflichten erfüllen, Hochgeborene.“ Densen schluckte seinen aufsteigenden Zorn hinunter. Wahrscheinlich war es der Verlust über den Freund, der seinen Widerspruch weckte. Doch sein Verlust war sicherlich nicht geringer, als der ihre. Es war seine Pflicht, der Witwe ein Mindestmaß an Respekt zu zeigen. Auch wenn sie ihn mit dem vertraulichen und allgemein üblichen „Du“ ansprach, war es sicher angebracht, ihr in der „Sie“-Form zu begegnen, die nur dem Imperator zustand und dessen besondere Stellung betonte. „Verzeiht, ich wollte nicht ungebührlich…“

      „Ich kann deinen Schmerz nachvollziehen“, unterbrach ihn die junge Frau erneut und ihre Stimme klang versöhnlich. „Ich weiß, wie sehr du meinem Gemahl verbunden warst. Glaube mir, Hauptmann, mein Schmerz ist nicht geringer, als der deine.“

      „Ihr habt recht. Ich vergaß mich.“ Densen nickte ihr entschuldigend zu und wandte sich dann an den Kanzler. „Ich werde mich nun kurz zurückziehen und dann sofort meine Pflichten erfüllen.“

      „Geh, Hauptmann“, sagte Wilbur freundlich. „An diesem Tag ist der Schmerz allgegenwärtig und verständlich. Sei in zwei Stunden in meinem Amtsraum. Dort können wir die morgige Zeremonie besprechen.“

      Densen grüßte kurz und verließ dann das Bad.

      Er ignorierte die Fragen, die man ihm stellte und ging in den Nebenflügel hinüber, wo sich seine Privaträume befanden. Die Türen des Palastes hatten keine Schlösser, obwohl diese in Privathäusern durchaus genutzt wurden. Der Imperator hatte Wert darauf gelegt, dass die imperiale Garde jederzeit jeden Raum aufsuchen konnte. Er öffnete den einfachen Riegel und trat ein.

      Wie der Kaiser, so hatte auch Densen keine besonderen Ansprüche gestellt. Die beiden Räume waren bescheiden, aber gemütlich eingerichtet. Der vordere Raum beinhaltete eine kleine Sitzgruppe, mit den üblichen Liegen, einen Tisch aus seltenen Hölzern, und ein Regal, in dem der Hauptmann einige Bücher und Schriftrollen aufbewahrte. Auf dem Boden lag das Fell eines Bären, den er einst mit dem Schwert erlegt hatte. An der Wand hingen zwei Waffen und ein Schild, die an Schlachten gegen die Walven erinnerten. Auf einer kleinen Säule stand ein aus Holz geschnitztes Einhorn. Es war das Abschiedsgeschenk von Densens alter Schwadron, als er den Dienst bei den Lanzenreitern aufgab, um in die imperiale Leibgarde einzutreten. Dieser Wohnraum war durch einen schweren Stoffvorhang von der Schlafkammer dahinter getrennt. Hier standen Bett und Schrank, in dem Densen seine Kleidung aufbewahrte. Neben seinen wenigen privaten Kleidungsstücken und den beiden Uniformen der imperialen Leibgarde, hing hier noch immer die Uniform seines alten Lanzenreiterregimentes, die er aus sentimentalen Gründen aufhob.

      Während Densen die Uniform der Garde anlegte, musterte er die alte Uniform. Der tote Kaiser war dem Regiment immer verbunden geblieben. Wäre etwas mehr Zeit gewesen, hätte man dort sicher eine Schwadron zum letzten Geleit nach Newam entsandt, aber so war keine Gelegenheit für diesen Ehrendienst.

      Densen würde die Garde bis auf den letzten Mann und die letzte Frau mobilisieren müssen. Man würde den toten Imperator, so knapp die Zeit auch bemessen war, auf dem großen Platz von Newam aufbahren, damit sich wenigstens das Volk der Hauptstadt von ihm verabschieden konnte. Danach würde man ihm das letzte Geleit in die Gruft geben, wo schon so viele Imperatoren ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten.

      Densen verspürte erneut sein Unbehagen, über die Hast, mit der das geschehen sollte. Das war eines toten Imperators unwürdig. Als gelte es, ihn hastig zu verscharren und müsse sich seiner schämen. Dabei hatte das Imperium ihm viel zu verdanken.

      Der Hauptmann schob die Scheide seines Schwertes auf den neuen Gurt und dachte dabei an den Veteranen, von dem er ihn erworben hatte. Der öffentliche Platz von Alt-Newam… Der Markt musste aufgehoben und der Platz geräumt werden. Er musste unbedingt eine Schwadron hinunter schicken, die das veranlasste und überwachte.

      Er hörte den Stundenschlag von den Feuerwachen, die sich in den hohen Türmen der Stadttore befanden. Es war an der Zeit, die Unterführer und Offiziere zusammenzurufen und die erforderlichen Befehle zu geben. Dann musste er sich mit Kanzler Wilbur besprechen.

      Wilbur… Densen schloss den Schrank und dachte an den imperialen Kanzler. Die Herkunft Wilburs war ungeklärt. Es gab Behauptungen, er stamme aus niederem Volk, aber Densen hatte keine Beweise hierfür gefunden. Der Kanzler behauptete, ein Hochgeborener aus Natlan zu sein, doch diese Stadt war von den Walven vernichtet worden. Es hatte nur eine Handvoll Überlebender gegeben.

      Densen Jolas rief