Vom Dorfmädchen zur Weltbürgerin. Isolde Martin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Isolde Martin
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737507196
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lieb gewordenen Menschen nun einmal hervorruft. Während ich am Anfang dieser Freundschaften natürlich nicht an das Ende dachte, so bedachte ich nun doch die kurze Zeit, in der ich mein Leben mit diesen Menschen teilte. Wir waren zusammen auf die Uni von New South Wales zu unseren Englischkursen gegangen, hatten zusammen gefeiert, geschimpft und uns zusammen beschwert, überlegt, wie man am besten mit einem engen Budget zurechtkommt und von unserer Zukunft geträumt. Jetzt aber war es ziemlich klar, dass ich sie nie wiedersehen würde. Wir sind ein Stück unseres Lebensweges gemeinsam gegangen, waren ein Mosaiksteinchen füreinander im großen Bild unserer Lebensgeschichte. Auf Wiedersehen dann, behaltet mich in eurer Erinnerung!

      Der Taxifahrer sah in den Rückspiegel. "Sie sind eine nervöse Reisende", sagte er zu mir.

      Dass er mich so durchschaute überraschte mich und ich erlaubte mir die Frage, wie er das festgestellt hatte.

      "Ich fahre ständig Leute zum Flughafen", erklärte er.

      Wenn er wüsste, was ich vorhatte!

      In der Wartehalle des Flughafens wurde mir schlecht. Glücklicherweise wurden meine sich wie ein Mühlrad drehenden Gedanken von einer freundlichen Dame unterbrochen. Sie arbeite für die australische Regierung, stellte sie sich vor, und war beauftragt, eine Umfrage durchzuführen. Sie fragte nach unseren positiven und negativen Eindrücken in Bezug auf dieses Land und wollte wissen, warum wir es wieder verlassen. Was für einen Job sie hatte! Menschen, die in einer Stunde oder zwei abreisten, hatten so eine Möglichkeit, Frustration und unangenehme Erfahrungen, die sie vielleicht gemacht hatten, an dieser Frau auszulassen. Ich gestehe, dass ich das so oft irritierende Thema Oh, du wirst dich daran gewöhnen in diesem Sinne abwägte. Aber nachdem ich die Australier als sehr sensibel, was Kritik an ihrem Land betraf, kennengelernt hatte, hielt ich mich an Positives, wovon es genug gab. Zum Abschluss gab die Frau jedem von uns eine Anstecknadel in Form eines Kängurus. Diese Geste berührte mich sehr. Ich empfand sie als freundlich, positiv, friedlich, vergebend und tolerant. Heute, Jahrzehnte später, habe ich dieses Geschenk immer noch in meinem Schmuckkästchen. Das war ein schönes, positives Ende eines faszinierenden Jahres. Well done, Australia!

      QUER ÜBER DEN PAZIFIK

      Schließlich war es so weit, dass wir den Quantas-Flug nach Auckland, Neuseeland, besteigen mussten. Dieses Ziel rief wiederum, wie Australien zuvor, das Gefühl des Staunens hervor, dass es tatsächlich ich war, die auf dieser exotischen Insel am Ende des Globus stand. Der Flughafen Auckland, im Jahr 1972, erschien provinziell, aber auch romantisch.

      Um uns die Zeit bis zum Weiterflug zu vertreiben, wanderten wir durch das Gebäude und kamen dabei an einer Kneipe vorbei. Eine Gruppe Männer saß um einen runden Tisch, unterhielt sich lebhaft und lachte laut. Die Männer sahen nicht wie Passagiere, sondern eher wie Einheimische aus, die sich zu einem Stammtisch getroffen hatten und sich dabei vergnügten. Seltsam neidisch betrachtete ich sie, denn sie waren zu Hause und ich war fremd. Wir gingen durch die Tür nach draußen und befanden uns mit diesem Schritt in atemberaubend schöner Landschaft, von Bergen umgeben. Es lag Nebel in der Luft. Schafe grasten friedlich direkt vor uns. Augenblicklich fühlte ich eine Mischung von innerem Frieden und, paradoxerweise, die bekannte phobische Reaktion auf solch ein Land, weitab von meinem Zentrum der Erde. Da der Nebel aber in Bayern auch heimisch ist, hatte diese Stimmung vielleicht auch einen beruhigenden Einfluss auf mich.

      All diese Gefühle machten auf dem Flug von Auckland nach Pango Pango, der Hauptstadt von American Samoa, einem neuen Set platz. Als die Schafe kleiner und kleiner wurden und schließlich im Nebel und in der Ferne verschwanden, wurde mir akut bewusst, dass eine abenteuerliche Zeit in meinem Leben zu Ende ging. Überraschenderweise hatte ich nun auch das Gefühl, dass ich eine glückliche Ecke der Erde zurückließ, schließlich hatte auch ein sehr weit entfernter Ort seine Vorteile. Es sind zwar geliebte Dinge der Heimat nicht erreichbar, aber genauso sind heimatliche Probleme so weit entfernt, dass man sie leicht ignorieren kann. Das ist eine gewisse Freiheit. Nun aber würde ich wieder in den Mainstream des Lebens mit all seinen Herausforderungen zurückkehren.

      Mit den im Schneckentempo fortschreitenden Flugstunden beruhigten sich meine Gefühlsstürme und schalteten stattdessen auf Ferien um. Langsam machte sich der Gedanke breit, dass ich in ein paar Stunden eine Insel betreten würde, von der ich nie geglaubt hatte, dass ich einmal meinen Fuß darauf setzen könnte. Die Inseln der Südsee schienen einfach zu weit von München entfernt. Sie bedeuteten für mich Romantik, ein leichtes Leben, märchengleich. Mein Wissen über sie hatte ich aus der Literatur, von romantischen Liedern, von Reisebüros, von Dokumentarfilmen, vom Geografieunterricht während meiner Schulzeit und, last, not least, von den Gemälden von Paul Gauguin bezogen. Bilder von tropischen Blumen und Vögeln, von blauem Himmel der sich im Meer spiegelte, von tanzenden, singenden Polynesiern erschienen vor meinem mentalen Auge. Ich freute mich und war bereit für die Tropen. Dort würde ich mich frei und leicht fühlen. Schließlich blieben Touristen nur vorübergehend und mussten sich nicht einleben und anpassen.

      INSEL DER SÜDSEE

      Auf dem Flughafen in Pango Pango mussten wir die Maschine auf dem Tarmac über eine Treppe verlassen. Schon beim ersten Schritt ins Freie schmeichelten tropische Gerüche meinen Sinnen. Ich fühlte mich leicht, fröhlich und ruhig. Von der Gangway aus sah ich ein Gebäude, aber keine Stadt. Der Ort entpuppte sich als ein großes Dorf, welches von tropischen Bäumen beschattet wurde. Meine Erwartungen an ein paar stressfreie, entspannte, sorglose Tage waren hoch. Was könnte hier schon schief gehen? Wir standen auf einer Trauminsel, weit weg vom Ernst des Lebens. Entschlossen verdrängte ich alle antizipierenden Ängste bezüglich meines neuen Lebens in Kalifornien. Nichts würde meine Euphorie, stimuliert durch eine sagenhaft schöne tropische Umgebung trüben. Und überhaupt, das waren doch sozusagen unsere Flitterwochen vor der Eheschließung. Auch die Tatsache, dass das nächste Flugzeug, welches uns von diesem paradiesischen Ort wegbringen könnte, erst in ein paar Tagen hier landen würde, war ein besonders aufregender Gedanke. Pan American, wurde mir gesagt, kam nur zweimal pro Woche nach Samoa. Hier gestrandet zu sein, schien mir im Moment großartig!

      Aber bevor wir uns in dieses selige Nichtstun in paradiesischer Umgebung fallen lassen konnten, mussten wir erst noch durch den Zoll gehen. Mein zukünftiger Ehemann schritt voran, mit mir im Schlepptau. Wir legten beide Pässe, einen amerikanischen und einen deutschen, gleichzeitig vor. Der Passkontrolleur betrachtete abwechselnd das eine und dann das andere Dokument. Offensichtlich zufriedengestellt, stempelte er beide ab. Freundlich gab er den US-Pass in die Hand des Eigentümers zurück. Meinen klatschte er mit Wucht auf den Tresen. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, machte er eine Handbewegung, die meinem Verlobten andeutete, meinen Pass an sich zu nehmen. Was er sagte verstand ich nicht. Dennoch alarmierte mich dieser Austausch. Ich ahnte, dass ich hier in Samoa aus irgendeinem Grund nicht willkommen war.

      "Was hat er gesagt und was sollte das Ganze?", fragte ich, als wir weitergingen.

      "Oh, nichts. Ich glaube, er war in schlechter Stimmung", antwortete mein Verlobter.

      Aber ich war damit nicht beruhigt. Nachdem ich europäische und nun auch australische Grenzen passiert hatte, wusste ich, dass Zollbeamte eine besondere Klasse Mensch und nicht einschätzbar waren. Aber eine solche Demonstration von Abscheu hatte ich noch nie erlebt. War es meine Nationalität, mein Geschlecht, mein als Single mit einem Mann reisen, mein Gesicht, die falschen Kleider oder etwas anderes? Oder wurde ich wieder einmal für den Zweiten, wenn nicht gar für den Ersten Weltkrieg verantwortlich gemacht? Meine Glücksgefühle verflüchtigten sich rasch. Die Antwort blieb aber, in relativer Ruhe, bis zum heutigen Tag ausstehend. Meine innere Balance fand ich durch das höfliche Lächeln der Einwohner der Insel und die realistische Denkweise meines Verlobten wieder: "Who knows?"

      Zusätzlich hatte die exotische, tropische Natur um mich herum einen mächtig heilenden Effekt. Vögel in den buntesten Farben, riesige Blumen überall, das stete Geräusch der Meeresbrandung und der Geruch von Salz und Seegras in der Luft, ließen die beleidigende Art des Zollbeamten schnell in die Trivialität absinken. Nachts allerdings drang sie wieder in meine Gedanken vor. Aber in meditativer Anstrengung horchte ich der Brandung und dem Rascheln der Palmenblätter in der Seebrise zu und schlief ein.

      Am