Wie, um den Psychotherapeutentag noch einmal in Erinnerung zu rufen, verträgt sich Demokratie mit der wachsenden Kinderarmut und vielen anderen skandalösen Entwicklungen und Fakten? Die Wirtschaft fühlt sich höchstens von Debatten über Schadensbegrenzungen bedroht und droht ihrerseits mit der Verlagerung von Produktionsstätten und Abbau von Arbeitsplätzen im Land. Mit Demokratie, Moral und Ethik hat die Wirtschaft nicht viel im Sinn, wie man bisweilen hören kann. Darüber müssen sich dann Experten und Gelehrte Gedanken machen. Leider, so muss festgestellt werden, haben diese dann keinen Einfluss auf die Ökonomie. Das Karussell der Schuldprojektionen dreht sich weiter und immer schneller um den wirtschaftlichen Kern, der die gegensinnigen Ziele und Werte von Mensch und Globalisierung, die Polarität zwischen Vernichtung und Leben, ans öffentliche Licht befördert: Mensch gegen Mehrwert. Leben gegen Existenzvernichtung, letztlich gegen Tod. Und was können Kinder dafür? Wofür sollen in Deutschland eigentlich noch mehr Kinder geboren werden, wenn die, die bereits leben, arm sind, nicht versorgt werden können und ihre Zukunft vor allen Dingen eine Farbe trägt: Grau!
Zweiklassengesellschaft und Gesundheitswirtschaft bringen Folgen hervor, denen bereits Teile der Bevölkerung zum Opfer gefallen sind – ohne dass sie selbst hätten Einfluss nehmen können. Ärzte und Psychotherapeutische Psychotherapeuten wurden zur Planung einer Gesundheitswirtschaft nicht gefragt. Notwendige wirtschaftliche Entscheidungen werden als genereller Grund für Veränderungen in der Wirtschaft vorgegeben. Also gibt es doch Verantwortliche, wäre zu bemerken. Es zeigt sich jedoch weniger eine existenziell notwendige Entscheidungsbasis für Firmen, um eine Pleite abzuwenden, sondern der Trieb, nach immer höheren Gewinnen zu streben, die mittels niedriger Produktionskosten (Standort, Arbeitslöhne, staatliche Subventionen) erzielt werden (Beispiel: Nokia 2007). Abgesehen von den fleißigen, kleineren Mittelständischen Unternehmen, die im Rahmen der Globalisierung gleich mit platt gewalzt wurden.
Zu bedenken gilt, dass das Gesundheitswesen von der Gesundheitswirtschaft, mit seinem Prinzip des „Wettbewerbs“, einverleibt ist, das heißt, den gleichen Prinzipien untergeordnet wurde! Setzt man den oben gewählten Rahmen von Natur und Kultur dazu, wäre als exponentiell wichtig im Rahmen unserer Demokratie fest zu halten, dass viele Berufsgruppen, gleichfalls wie Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten, nicht zu diesen Veränderungsabsichten im Gesundheitswesen oder wichtigen anderen Veränderungsabsichten gefragt wurden und werden, und das offiziell niemand Verantwortung trägt, der Veränderungen eingeleitet hat. Die Daumenschrauben der Globalisierung scheinen dem Himmel oder dem Ozean zu entsteigen und sind als natürliche Tsunami zu verstehen, die den Chaostheorien folgen: Niemand kann sagen, welcher Flügelschlag welchen Schmetterlings dafür Ausschlag gebend war und ist. Niemand kann etwas dafür, jeder jammert und keiner trägt Verantwortung, jeder ist unter existenziellem Zugzwang und muss Entscheidungen gegen Vernunft, Gewissen und Seele treffen! Weil ökoindividuelle Entscheidungen aus allen Teilen der Welt von großen Unternehmen immer punktgenauer und sicherer die Stecknadel im deutschen (und internationalen) Heuhaufen aufgrund ökonomischer Strategien trifft und Versorgungszweige lahm legt oder exorbitante Preissteigerungen bei gleichzeitiger Bekanntgabe von statistischen Verknappungs- und Versiegungszahlen von Öl- oder sonstigen Quellen bekannt geben. Die ganze Welt scheint zu verarmen! Nur einer, der hat dann das Geld auf dem Konto und die übrigen schauen in die Röhre! Also muss man doch wissen, wer Verantwortung trägt und Missstände jeglicher Art für Millionen von Menschen in Kauf nimmt!
Von den Missständen hören wir, die Psychologischen Psychotherapeuten, wenn Patienten aus ihrem Leben erzählen, und Ärzte, die sie behandeln, wenn sie Zeit dazu haben. Das wiederum dürfte diejenigen nicht interessieren, die das Geld auf ihrem Konto haben! Denen dürfte es auch egal sein, wie Migranten in Deutschland leben und wie Deutsche in ihrem Stadtviertel damit klar kommen. Hauptsache sie arbeiten, wenn man sie ruft.
Während Patienten, Ärzte- und Psychologische Psychotherapeuten in die neuen medizinischen Versorgungsstrukturen eingepasst werden, kauft sich die Wirtschaft die privatisierten Universitäten und Kliniken, um direkt im Herzen von Förderung und Forschung Einfluss auf neue Kreationen von Behandlungsettings, sprich, wie und mit was der Patient zu behandeln ist, zu entwickeln. Nun braucht sie nicht mehr Wissenschaftler zu bestechen, sondern kann von vornherein festlegen, wer welchen Forschungszweig mit welchen Inhalten leitet. Auf diese Weise hat die Wirtschaft gleich zweifach Einfluss auf die Inhalte, wie künftig Menschen in der Gesundheitswirtschaft behandelt und versorgt werden: qua Forschung und qua Kapital, das die Vermarktung der Produkte steuert. Patienten, Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten mutieren folglich zu Objekten, die man gut funktionell und lukrativ im Markt steuern kann. Hier wird eine neue Elite hervortreten, an deren Seite Ökonomen stehen, die nicht nur den Gesundheitsmarkt, sondern Mensch und Leben beherrschen und weiter berrschen werden, falls kein Veto eingelegt wird.
Die eigentliche und täglich vorhandene Elite, die Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten, wurden durch Kritik und Abwertung ihrer Profession verunmöglicht, wie ich in Band 2 der Heillosen Kultur beschrieb. Prof. Dr. Rainer Richter (2008) merkt an:
„Der Einbruch des Wettbewerbs in die Gesundheitsversorgung habe auch für die psychotherapeutische Versorgung Folgen, die man in ihren Auswirkungen noch nicht ermessen könne.“ (Rainer Richter in: Bühring, Petra & Gerst, Thomas: 2008, S. 248).
Kritisch merkt er an, dass Psychotherapie eher als „Entschleunigung“ zu verstehen ist. Die Forderungen der Ökonomie, auch psychotherapeutische Prozesse zu beschleunigen, sprich kürzer und effizienter zu gestalten, steht im krassen Widerspruch zum Wesen der Psychotherapie, „die sich auch als individuelle Entschleunigung charakterisieren lässt.“ (Ebda, 2008, S. 248).
Die Änderungen durch die Gesundheitswirtschaft beschleunigen jedoch massiv Problemfelder, die dringend gesellschaftlich in Augenschein genommen und für die Lösungen erarbeitet werden müssen, die ein friedliches Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichem gesellschaftlichen und kulturellen Hintergrund in Deutschland überhaupt gewährleisten könnten!
Die aktuellen Vorgänge im Gesundheitswesen geben Anlass, das Thema bezüglich der Erschaffung von Sündenböcken aufzugreifen. Die ökonomische Systematik der Gesundheitswirtschaft mittels Wettbewerb sorgt für zahllose neue Sündenböcke, denen man die Schuld für ein Nichtfunktionieren in unterschiedlichen Bereichen systematisch zu schiebt. Nicht Geldknappheit, Fehlen systematischer Zusammenarbeitsstrukturen, Kompetenz- und Verantwortungsklärungen werden in den Fokus gerückt, sondern die Berufsgruppen, die mit den Problemen in ihrem Tätigkeitsfeld befasst und zum Teil überfordert sind. Ärzte sind hier ebenso serienmäßig Opfer wie Psychologische Psychotherapeuten, Sozialarbeiter, Erzieher und andere im sozialen Bereich Tätige.
Problembereiche, die sich aus Migrationhintergründen in Schulen, an Arbeitsplätzen, in Wohnvierteln und Städten ergeben, streben mit durchdringender Deutlichkeit ebenso wie die durch Globalisierung in Gang gesetzte Verarmung und generell Dauerstress und Existenzängste in die Öffentlichkeit und brechen in die Praxen ein. Offizielle Strukturen, um diesem Schwall von Not, Elend und Ängsten beruflich gerecht zu werden, sind äußerst schwach und brechen im Alltag weg.
Hinsichtlich der ärztlichen und psychotherapeutischen Profession bedeutet dies permanente Erweiterung von Kompetenz ohne Netz und doppelten Boden, wenn aber was schief geht, sind sie schuldig und unfähig. Würde sich jedoch ein Arzt noch zusätzlich unfreundlich verhalten und sich wenig hilfsbereit Patienten gegenüber zeigen, etwa so, wie ein Blick in die Wirtschaft serienmäßig im Service von Ämtern, in Kaufhäusern und Lebensmittelgeschäften frei gibt, stünde der Vorgang am nächsten Tag in der Zeitung und der ärztliche Ruf stünde zur Disposition.
Nicht so im Wirtschaftsleben! Hier ist Unterordnung der Kunden mit unmöglichen Terminverschiebungen über Stunden und Tage hinweg, fehlenden, aber zugesagten Lieferungen und Dienstleistungen die neue, selbstverständlich sachliche