Neben ihm kamen weitere drei Soldaten in den Gang, der zu den Zellen führte. Er wartete einen Moment, bis es schien, als ob kein weiterer Widerstand bestand. Dann verschwand sein Grinsen und er befahl „Den Alten da bringt ihr gleich zu Sven.“ zwei Soldaten nickten. „Und den Dicken da soll Chris als Ersten verarzten.“ er grinste wieder, sah zu Koron „Sonst verlieren wir ja noch unseren Ruf als die ‚Netten’. Nicht wahr?“
Die beiden Soldaten, der im Türrahmen und der andere, der Berok geschlagen hatte, machten sich auf um Berok zu packen. „He, he!“ unterbrach der Grinsemann, sie hielten inne „Was?“ „Mit Ketten bitte, oder wollt ihr eine Schlägerei riskieren? Idioten!“ Die beiden folgten kommentarlos.
Nachdem sie Berok in Ketten abgeführt hatten, betraten zwei weitere Soldaten die Zelle, die Koron mitnehmen sollten. „Das könnt ihr gleich vergessen. Scheisse nochmal.“ fluchte Koron. Und der nicht mehr Grinsende vor der Zelle schüttelte den Kopf, meinte „Och, komm schon Alter. Jetzt mach keine Schwierigkeiten.“ er winkte einem weiteren Soldaten, der bislang ungesehen im Gang gewartet hatte. Der betrat ebenfalls die Zelle, hielt Ketten in der Hand. Koron schüttelte den Kopf „Mistkerle, verdammte Idioten.“ und als ihn der dritte anfassen wollte, hielt ihn Sandra sachte auf „Halt, wartet. Bitte.“ sagte sie. Einer der beiden anderen verpasste ihr eine heftige Ohrfeige, sie viel rückwärts zu Boden, Koron wollte aufstehen, aber es ging einfach nicht.
„Er kann doch nicht aufstehen.“ keuchte Sandra am Boden liegend. Sie richtete sich wieder auf, sah den Offizier vor dem Eingang flehend an, hielt sich die pulsierende Wange. Telalia stellte sich neben sie. Der Offizier überlegte, runzelte die Stirn. ‚Was sollte dieses Theater?’ Sandra deutete auf Koron „Sein Bein ist gebrochen und an der Hüfte stimmt was nicht. Er kann“ „Sandra, lass! Verdammt!“ schimpfte Koron „Bitte, so glaubt mir doch. Er kann nicht alleine aufstehen.“
„Ich denke sie hat recht.“ stellte der Soldat mit den Ketten fest. Er hatte während des Gesprächs Koron mit einer Taschenlampe begutachtet.
„Meinetwegen. Dann holt halt eine Bahre. Ist mir doch egal. Aber bringt ihn zu Sven. Wir brauchen ihn lebend.“ er fuchtelte mit den Armen „Also hopp hopp! Ich habe noch anderes zu tun.“ befahl er.
Der mit den Ketten rannte los. Alle anderen warteten.
„Was ist mit den anderen?“ unterbrach Koron das Warten. „Wie? Mit den anderen?“ fragte der Offizier zurück. „Na, verarztet ihr nur Berok und mich? Oder was? Verfluchte Kacke.“ Der Offizier runzelte die Stirn, schüttelte den Kopf „Selbstverständlich alle. Wir sind keine Barbaren, so wie ihr.“ „Du kleiner Mistkäfer nennst uns Barbaren?!“ „Natürlich.“ er breitete die Arme aus „Oder wie willst du diesen Lebensstil und eure Kleidung, ja eure gesamte Art und Weise sonst nennen? Ihr bringt grundlos Leute um.“ „Was für ein dreckiger Lügner behauptet das?“ Koron musste husten. Seine Kehle war völlig ausgetrocknet, denn er hatte aufgrund der Schmerzen in letzter Zeit nicht viel trinken mögen.
„Wenn ich mal von den jüngsten Ereignissen absehe, das mit der Gruppe um John Dek, zum Beispiel, meine ich.“ fing der Offizier an zu erklären „Dann wissen wir sehr wohl, dass ihr es wart, die in den letzten Jahren unsere Leute immer wieder habt ‚verschwinden’ lassen. Man erzählt, ihr hättet sie an diese Viecher verfüttert. Diese überdimensionalen grauen Pumas oder Katzen oder wie ihr sie nennt. DAS nenn ich barbarisch!“
Das Gespräch wurde vom Hereinfahren der Bahre unterbrochen. Und statt der Ketten hielt der Soldat von eben nun eine Spritze in der Hand die er nach einem kurzen „Was soll der Mist?!“ seitens Korons, ohne viel Feingefühl in Korons Schulter steckte und zügig den gesamten Inhalt injizierte. Koron viel bewusstlos zusammen, wurde unter den sorgenden Blicken seiner Leute auf die Bahre gelegt und weggestossen.
Essen und Trinken wurden in die Zelle gestellt, dann die Gittertür verriegelt.
2 - Alltag - Mara & Aron
Sonnenschein, feiner Wind, herrliche Luft. Die Baumkronen hatten sich in den letzten Tagen rasch komplett gelb gefärbt, die Immer-Blauen Sorten stachen nun besonders hervor. Das Gras war blau, würde sich bald bordeaux-dunkel verfärben, absterben und im Frühling wieder hellgrün ausschlagen. Das war die perfekte Zeit um Schilfgras zu ernten, welches genau jetzt am meisten Mineralien enthielt.
Custa spielte am seichten Uferrand des grünen Sees, gefiel sich darin hinter Enten herzurennen, die ihr jeweils kurz vor der Nase davonflogen um ein paar Meter daneben wieder zu landen.
Mix, Boris Packpferd, das sich Aron als Reittier ausgeliehen hatte, frass sich friedlich durchs Gras am Waldrand. Zwischendurch auch mal ein paar Blätter vom Baum.
Der Wind spielte fein mit den Haaren, kräuselte angenehm. Mara zog die Luft durch die Nase, schloss die Augen. Nachher würde sie noch kurz bei Zylin, also seiner ‚Gedenkstätte’, vorbeisehen, bevor sie nach Hause ging. Die Luft duftete herrlich, die Geräusche beruhigten. Der Winter war spürbar nahe.
„Autsch! So ein Mist. Das war das Letzte Mal, das sag ich dir.“ Aron hatte sich am Schilf geschnitten, schon wieder. Mara schmunzelte. Sah erst zu Rupes, dessen Umrisse weit in der Ferne ganz klein am Seeufer erkennbar waren, ging dann zu Aron um sein x-tes Wehwehchen zu begutachten.
Beide trugen braune Hosen und ein orangenes langärmeliges Oberteil. Die dunkelbraunen Jacken lagen neben den Sätteln ihrer Reittiere im Gras, etwas weiter weg. Die Kleider sahen ziemlich mitgenommen aus, weil man sich zum Schilfgras ernten, meistens ins kniehohe Wasser stellte und sich zwischen den harten, nahe beieinander wachsenden Gräsern hindurchzwängen musste, um an die nur halbhohen weiblichen Pflanzen ohne Knollen zu gelangen. Die orangenen Oberteile waren dabei hilfreich, um für Aussenstehende als nichtjagdbares Gut schnell erkannt zu werden. Zwischen den dunkelblauen Schilfgräsern leuchteten die orangenen Kleidungsstücke besonders schön heraus.
„Zeig her“ Mara griff Arons linke Hand. „Also weißt du“ sie lächelte, während sie ein Taschentuch aus dem Sack zog und es erst mit Wasser benetzte, damit das Blut abwischte, nochmals ins Wasser, ein paar Steintränen darauf und um die Hand wickelte. „Aua“ Aron wollte die Hand wegziehen, Mara hielt fest, zog den Knopf fest zusammen, damit es auch hielt. „Hatte gar nicht gewusst, dass du so ungeschickt bist.“ nun sah sie Aron in die Augen. „Das heilt schnell. Du stirbst nicht daran.“ beendete sie ironisch die Verarztung und liess Arons Hand los. Der zog sie etwas beleidig zu sich heran, drückte am Tuch herum und meinte ebenso ironisch „Damit kann ich dir morgen nun leider nicht mehr helfen bei dieser Strafarbeit hier.“ neckisch hob er seine beiden Augenbrauen und blickte zurück. Beide fingen herzhaft an zu lachen.
Es tat richtig gut. Nach all den verstörenden Geschehnissen der letzten Tage war Mara mehr als nur froh um diese Auszeit.
Nachdem Boris zum Stadtmeister ausgerufen worden und dabei nicht ums Leben gekommen war, fing es an sich in Maras Gefühlswelt zu stabilisieren. Beruhigen wäre das falsche Wort, aber sie fühlte sich nicht mehr so aufgelöst. Die Trauer um Zylins Verlust hängte jeden Tag schwer an ihrem Herzen, doch es war nicht zu ändern. Dafür war die Erleichterung über Boris ‚Weiterleben’ umso grösser gewesen. Sie war froh um Arons Gesellschaft, der ihr neben Custa half, sich aufs Hier und Jetzt zu besinnen. Sein Auge war zwar immer noch etwas geschwollen, wofür sie sich weiterhin täglich bei ihm entschuldigte, so unangenehm war der Gedanke daran. Aber es heilte und zu spüren, dass es ihm wirklich egal war, weil er bedingungslos einfach ihr Freund war, gab ihr Sicherheit.
Überhaupt fühlte sich die gesamte Gegend wohler an, seit der Stadtmeister ausgerufen worden war: Joret und die Stadtherren von Rotsand hatten endlich einen adäquaten politischen Ansprechpartner. Die Rupianer selbst trugen